Kantone und Gemeinden: «Es geht vor allem um Vertrauen»

Nicht nur der Bund informiert die Öffentlichkeit in Sachen Umwelt, auch die Kantone und Gemeinden stehen in der Pflicht. Dabei kommen die unterschiedlichsten Instrumente zum Einsatz – von Klimageschichten bis zu rülpsenden Abfallmonstern.

Text: Kaspar Meuli

Magazin2018-3-01
Renaturierungsprojekt am Zusammenfluss von Beverin und Inn 2016 in Bever.
© Herbert Böhler & Flurin Bertschinger | Ex-Press | BAFU

Über die Umwelt wird an den unterschiedlichsten Schauplätzen kommuniziert. Zum Beispiel in der Küche von Mathieu und Mireille Berthold im jurassischen Ocourt. Dort setzte sich Stève Guerne, Revitalisierungsspezialist im Umweltamt des Kantons Jura, vor ein paar Jahren regelmässig an den Holztisch und sprach mit dem jungen Bauernpaar über die ökologische Aufwertung der Motte, eines Bachs, der direkt neben dem Hof der Familie durchfliesst und wenig später in den Doubs mündet. Auf einer Länge von gut 500 Metern, so sah das Revitalisierungsprojekt des Kantons vor, sollte die Motte ein neues, naturnahes Gesicht erhalten. Um die Bertholds als Landbesitzer von diesem Vorhaben zu überzeugen, brauchte es viel kommunikatives Geschick.

Umweltkommunikation findet an überraschenden Orten statt und bringt ganz unterschiedliche Akteure auf den Plan. Oft sind die Anstrengungen von Erfolg gekrönt, manchmal gilt es, sich mit bescheideneren Resultaten zufriedenzugeben.

Goodwill dank Transparenz

Stève Guerne spricht aus langjähriger Erfahrung, wenn er sagt: «Entscheidend dafür, ob sich ein Projekt realisieren lässt, ist die Kommunikation mit den Bauersleuten und den übrigen Landbesitzenden.» Bevor ein Projekt überhaupt geplant wird, verbringt er jeweils Stunden damit, Goodwill zu schaffen. Seine goldene Regel: «Wir bringen nie Pläne mit, sondern nur Luftaufnahmen. Das macht psychologisch gesehen einen Riesenunterschied, denn wenn die Leute Pläne sehen, haben sie das Gefühl, der Mist sei längst geführt.» Dem ehemaligen Förster geht es vor allem um Vertrauen, denn ohne diese Basis seien Aufwertungsprojekte zum Scheitern verurteilt. «Vom Gesetz her könnten wir für Revitalisierungen zwar auch Landenteignungen vornehmen, aber das spricht sich herum. Wer würde dann noch mit uns zusammenarbeiten?» Deshalb sieht Stève Guerne seine wichtigste Aufgabe darin, zuzuhören und die Bedürfnisse und Ängste seines Gegenübers ernst zu nehmen.

Baufortschritt im Internet

Ängste mussten keine mehr abgebaut werden, als an der Gemeindeversammlung von Bever (GR) wieder einmal die Revitalisierung der Innauen zur Sprache kam. Die Begeisterung für das Grossprojekt war längst geweckt. Das ganze 600-Seelen-Dorf freut sich heute an der ökologischen und landschaftlichen Aufwertung vor der eigenen Haustür. Kritische Stimmen seien nicht mehr zu vernehmen, erzählt Gemeindeverwalter Renato Roffler, im Gegenteil: «Nach Abschluss der ersten Etappe im Jahr 2015 wollten viele Leute wissen, wann wir endlich mit der Revitalisierung weitermachen.» So war es keine Überraschung, als im März 2016 der Kredit für die zweite, mehr als doppelt so lange Etappe ohne Gegenstimmen genehmigt wurde.

Dass das zu Beginn umstrittene Revitalisierungsprojekt schliesslich zu einer Erfolgsgeschichte wurde, hat nach Ansicht von Renato Roffler nicht zuletzt mit gelungener Kommunikation zu tun. «Die Menschen müssen sich so etwas vorstellen können, dazu reichen ein paar Profile in der Landschaft nicht. Es braucht Informationsveranstaltungen und Visualisierungen.» Auch im Internet macht die Gemeinde das Projekt zum Thema. Stichwort: «Der Inn bei Bever wird wieder wild.» Auf der Website innauen.ch liess sich via Webcam unter anderem der Baufortschritt der ersten Etappe mitverfolgen. Und der viel gelesene Revitalisierungsblog berichtete Anfang 2018: «Im vergangenen Herbst konnten erstmals Biber und Fischotter beobachtet werden! Woher sie von der Revitalisierung und dem neuen Lebensraum erfahren haben, bleibt ihr Geheimnis. Doch das Auftauchen dieser zwei Arten, die sehr hohe ökologische Ansprüche an ihren Lebensraum stellen, ist sicher ein Kompliment an alle, die an der Revitalisierung mitbeteiligt sind!»

Neu auch mit Repression

Für ein ganz anderes Umweltanliegen macht sich die Stadt Lausanne stark. Hier sorgte in den vergangenen Jahren eine ungewöhnliche Anti-Littering-Kampagne für Aufsehen. Die Stadtverwaltung verwandelte Abfalleimer in ihren Strassen, auf Plätzen und in Grünanlagen in zähnefletschende Monster. Der Clou dabei: Bei jedem Einwurf gaben sie schmatzende Geräusche von sich. Daher der lautmalerische Name der Aktion: «Slurp». In einem zweiten Schritt wurden mobile, ferngesteuerte Abfalleimer eingesetzt, die in den Sommermonaten unter anderem vor Schulen und am stark frequentierten Seeufer vorfuhren. «Wir sagten uns: Wenn ihr nicht zum Kübel kommt, kommt der Kübel halt zu euch», erläutert Stéphane Beaudinot, Chef des städtischen Reinigungsdienstes, die Idee.

Über fehlende Aufmerksamkeit konnte sich «Slurp» nicht beklagen. Rülpsende Abfallmonster und mit Sonnenenergie betriebene mobile Kehrichteimer lieferten den Medien dankbare Foto- und Filmsujets. Und auch die Bevölkerung – allen voran die Kinder – begegnete «Slurp» mit viel Sympathie. Ein voller Erfolg war die Kampagne trotzdem nicht, denn auf das Littering wirkte sie sich kaum aus. «Wer seinen Abfall bereits korrekt entsorgt, fühlte sich bestärkt», bilanziert Stéphane Beaudinot, «doch die Leute, die ihren Müll einfach liegen lassen, haben wir nicht erreicht.»

In Lausanne zieht man deshalb andere Saiten auf. Seit dem 1. Dezember 2017 drohen Abfallsünderinnen und -sündern saftige Bussen. Egal ob Getränkedose, Bierflasche oder Zigarettenstummel: Wer Abfall liegen lässt, bezahlt 150 Franken. Zur Einführung des strengen Regimes musste erst das Polizeireglement des Kantons Waadt geändert werden. Nun darf nicht nur die Polizei Bussen verteilen, sondern auch speziell ausgebildete Beamte sind dazu ermächtigt. Stéphane Beaudinot kommentiert die Neuerung nüchtern: «Wir haben es mit Information und Sensibilisierung versucht, doch es gibt eine kleine Minderheit, die sich nicht an die Regeln hält. Deshalb zählt im Kampf gegen Littering inzwischen auch Repression zu unseren Werkzeugen.»

Schweinchen mit Sprechblase

Für Umweltbelange sensibilisieren auch die Busse des öffentlichen Verkehrs im Kanton Solothurn. Und dies mithilfe der Bildschirme, die den Reisenden mit Informationen und Werbung die Fahrzeit verkürzen. Dort zeigte das kantonale Amt für Umwelt diesen Frühling ein im Cartoon-Stil gezeichnetes rosa Schweinchen mit Sprechblase («Aber das Klima kann euch doch nicht wurst sein …») und die Aufforderung, öfter mal einen Vegitag einzulegen und so nicht nur das Klima, sondern auch das Portemonnaie zu schonen.

Der augenzwinkernde Klimatipp ist Teil einer ganzen Palette von Kommunikationsmassnahmen, die aus dem kantonalen Aktionsplan zur Anpassung an den Klimawandel hervorgegangen sind. «Wir wollen Fakten präsentieren, aber ohne mit dem Zeigefinger zu drohen und Schuld zuzuweisen», erklärt Rosemarie Zimmermann die Strategie. Die Kommunikationsverantwortliche im kantonalen Amt für Umwelt setzt auf sogenanntes Storytelling. So werden auf der Website klimageschichten.ch Menschen porträtiert, die Klimaschutzprojekte vorstellen oder ihre Beobachtungen zum Klimawandel schildern. Zum Beispiel der Hobbyfischer Michael Haberstich aus Olten, der erzählt, wie als Folge der gestiegenen Wassertemperaturen die Forellen aus der Aare verschwinden und sich der Wels breitmacht.

Geschichte der Regierungsrätin

In der erwähnten Cartoon-Kampagne kommen auch weitere Tiere und Pflanzen zu Wort, die sich zu den Folgen des Klimawandels äussern. Die Zeichnungen, so Rosemarie Zimmermann, seien eine gute Möglichkeit, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Auch an eher volkstümlichen Anlässen wie dem Solothurner Chästag, wo das Amt für Umwelt letztes Jahr einen Stand betrieb, inklusive Glücksrad mit Fragen zum Klimawandel. Nicht alle Aspekte des Klimaschutzes kommen bei der Bevölkerung gleich gut an. Sich bei Flugreisen einzuschränken, so hat Rosemarie Zimmermann erfahren, können sich viele nicht gut vorstellen, ihre Essgewohnheiten zu ändern hingegen schon.

Vielleicht gehört deshalb zu den meistgelesenen Klimageschichten diejenige von Brigit Wyss. Die Solothurner Regierungsrätin (Grüne) erklärt, warum das Verschwenden von Lebensmitteln auch Energieverschwendung sei. Und sie erzählt, wie sie von ihrer Mutter gelernt habe, wertschätzend mit Nahrungsmitteln umzugehen. «Jede und jeder Einzelne», betont die Bauerntochter, «kann zur Minderung von Foodwaste beitragen.»

Mit Testimonials zum Torfverzicht

Das BAFU betreibt Umweltkommunikation nicht nur in grossen Kampagnen. BAFU-Mitarbeiterin Véronique Ruppert Schmitt von der Sektion Konsum und Produkte erklärt, welche Rolle die Kommunikation bei der Reduktion des Torfverbrauchs spielt, für die sich das BAFU zusammen mit Unternehmen aus Detailhandel, Gartenbau, Erdenproduktion und dem Verband JardinSuisse einsetzt. Hintergrund dieser Bemühungen: In der Schweiz sind die Moore zwar seit 1987 geschützt, und es darf kein Torf mehr abgebaut werden, doch es werden jährlich 500 000 Kubikmeter importiert. Das soll sich nach dem Willen des Bundesrats ändern, denn der Torfabbau schädigt das Klima und bedroht die Biodiversität.
«Wir streben an, den Verbrauch von Torf gemeinsam mit engagierten Akteuren aus der Wirtschaft etappenweise zu reduzieren», sagt Véronique Ruppert Schmitt. Damit sich die freiwillig festgelegten Reduktionsziele erreichen liessen, brauche es zusätzlich koordinierte Kommunikationsmassnahmen. So erstellt das BAFU Grundlagenmaterial, damit alle dieselben Begriffe verwenden, mit den gleichen Fakten operieren und übereinstimmende Botschaften vermitteln, wenn sie auf ihren eigenen Kanälen für das torffreie Gärtnern werben. Dazu gehören unter anderem sogenannte Testimonials, also Zitate oder persönliche Berichte, in denen Hobby- und Berufsgärtnerinnen und -gärtner erzählen, dass der Verzicht auf Torf leichter fällt als gedacht. So erklärt etwa Gisela Bertoldos, Präsidentin des Zentralverbands der St. Galler Familiengärten: «Mein Garten braucht keine weit gereiste Erde.»
In der Kommunikation ging das BAFU einen neuen Weg: Anfang April 2018 wurden schweizweit 640 Lokalanzeiger mit Informationen und dem Medientext «Torffrei gärtnern: So gedeihen Pflanzen umweltschonend ohne Torf» zur freien Publikation bedient. «Bei diesem Thema haben wir es als sinnvoll erachtet, die Bevölkerung auf diesem Weg zu sensibilisieren», sagt Medienchefin Rebekka Reichlin.

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Letzte Änderung 05.09.2018

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