«Meine Natur» mit Kathrin Altwegg

In jeder Ausgabe von «die umwelt» äussert sich in dieser Kolumne eine Persönlichkeit zum Thema «Meine Natur». Ausgabe 4/2018.

Kathrin Altwegg
Kathrin Altwegg (67) wollte eigentlich Schiffskapitänin werden. Oder Archäologin. Doch dann nahm sie Anfang der Siebzigerjahre in Basel das Physikstudium auf – als einzige Frau ihres Jahrgangs. Die emeritierte Professorin für Astrophysik der Universität Bern war massgeblich an der Weltraummission Rosetta beteiligt, deren Sonde über zwölf Jahre durch den Weltraum reiste und von 2014 bis 2016 den Kometen Tschury untersuchte. Altwegg und ihr Team lieferten das Messinstrument Rosina, welches Substanzen auf der Oberfläche und im Schweif des Kometen aufspürte. Sie lebt in Kehrsatz (BE).
© zVg

Aufgewachsen in der Klus, der Schlucht bei Balsthal (SO), nutzte ich Wald und die steilen Flühe hinter unserem Haus als Spielplatz. Häufig allein, nur begleitet vom Hund, entdeckte ich lauschige Plätze, Höhlen, Klettersteige schon als Kind im Vorschulalter. Ich erlebte die Jahreszeiten, die ersten Schlüsselblumen, das Rascheln des fallenden Laubes, den ersten Schnee im Winter. Ich beobachtete Eichhörnchen, Vögel, manchmal ein Reh und fühlte mich selbst als Teil des Waldes.

Die Liebe zur Natur, zum Wald, zu den Tieren ist mir geblieben. Wie oft schon sind wir in den letzten 20 Jahren über den Längenberg südlich von Bern geritten, bei jedem Wetter zu fast jeder Tageszeit, zusammen mit unseren treuen Vierbeinern. Die Wälder, Wiesen und Felder mit den zerstreuten Höfen lassen einen die Hektik der Stadt schnell vergessen. Hier habe ich den Ausgleich zum manchmal stressigen Arbeitsalltag gefunden. Mal ist das Wetter klar, und wir erfreuen uns am Alpenpanorama. Dann wieder sieht man kaum die Hand vor den Augen, so dicht ist der Nebel. Man wähnt sich alleine auf der Welt. Gewaltige Gewitterwolken lassen den Thunersee und die Voralpen in der Ferne bedrohlich aussehen.

Im Herbst fühlt man sich wie auf dem Meer, nur ein paar Inselchen wie der Belpberg oder das fernere Emmental ragen aus dem Nebel. Fast waagrecht peitschen einem Graupelkörner ins Gesicht. Den Pferden scheints nichts auszumachen; wir halten den Kopf gesenkt und wärmen die Hände am Pferdefell. Im Winter verwandeln tief verschneite Landschaften den Längenberg in ein weisses Paradies. In einer mondlosen, klaren Nacht verschwinden selbst die Ohren der Pferde in der Dunkelheit. Dafür spannt sich über einem unsere Milchstrasse wie ein Glitzerkleid. Hier sind die Nächte noch dunkel. Beim Anblick der scheinbaren Unendlichkeit des Himmels bin ich ganz klein, klein und trotzdem Teil eines wunderbaren Ganzen. Irgendwo da oben ist ‹meine tapfere› Kometensonde Rosetta mit dem Lander auf ihrem Kometen Tschury.

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie es wirklich wäre, auf dem Mars zu leben? Dunkel, braun-rötlich-grau, wüst, so weit das Auge reicht. Dazu kalt. Keine Pflanze, kein Tier, weder Fluss noch See, kein Leben. Möchte ich selbst da hinausfliegen, zum Mond, zum Mars? Nein! Wenn ich die zwar fantastischen, doch immer ähnlichen Fotos vom Mars, von Tschury, von Titan anschaue, wird mir bewusst, wie privilegiert wir doch hier auf unserer Erde sind mit grünen Hügeln und weissen Bergen, mit mächtigen Bäumen und farbigen Blumen, mit Vogelgezwitscher und weidenden Kühen. Die Erde ist wahrhaft einmalig. Tragen wir Sorge dazu!

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Letzte Änderung 28.06.2021

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