Der Sommer steht vor der Tür und damit auch die Littering-Hochsaison. Eine Palette von Massnahmen verspricht Besserung.
Text: Christian Schmidt
«Das ist ebenso gut wie originell», freut sich Rita Barros von der Sektion Siedlungsabfälle beim BAFU über das Engagement von Cécile Kienzi und Kim Löffler. Die beiden Absolventinnen der Wirtschaftsschule KV Wetzikon (ZH) lieben Hip-Hop und gehen häufig an Open Airs, ärgern sich aber bei jedem Anlass über den zurückbleibenden Abfall: «Von PET-Flaschen über Zigarettenstummel bis zu Zelten, alles wird gelittert.» Deshalb haben sie 80 Festivalbesucherinnen und -besucher nach den Ursachen für ihr Verhalten gefragt, aus den Antworten eine Reihe von Vorschlägen entwickelt und diese ins Internet gestellt. Für Rita Barros ein Beweis dafür, «wie viel Jugendliche im Rahmen einer guten Ausbildung über unsere Umwelt lernen und dass sie sich entsprechend auch vermehrt dafür einsetzen».
Verbreitete Unsitte
Littering ist eine verbreitete und illegale Unsitte. Abfälle werden achtlos weggeworfen oder liegen gelassen; die dafür vorgesehenen Abfalleimer oder Papierkörbe bleiben unbenutzt. Damit wird die Unsitte zum Ärgernis für alle: Die Entsorgung gelitterter Abfälle kostet die Schweiz gemäss einer Studie des BAFU pro Jahr rund 200 Millionen Franken – 150 Millionen Franken davon entfallen auf die Gemeinden, 50 Millionen Franken auf den öffentlichen Verkehr. Das Phänomen ist unter anderem eine Folge des veränderten Konsum- und Freizeitverhaltens in Verbindung mit zunehmender Mobilität, wodurch der Bezug zur Umgebung verloren geht. Entsprechend betroffen ist insbesondere der öffentliche Raum. Allerdings littern nicht nur Jugendliche. Rita Barros: «Littering ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und lässt sich nur lösen, wenn alle Beteiligten angesprochen werden.» Deshalb hat die Interessengemeinschaft für eine saubere Umwelt (IGSU) – das nationale Kompetenzzentrum gegen Littering – zusammen mit den Kantonen und Gemeinden als ausführenden Organen eine Reihe von Massnahmen entwickelt, die einen verantwortungsvolleren Umgang mit Siedlungsabfällen zum Ziel haben. Beraten und unterstützt wird das Gremium dabei vom BAFU.
Anerkennung und Motivation
Zu den neusten Massnahmen gegen achtlosen Umgang mit Abfällen gehört das «No-Littering-Label». Im Mai 2017 von der IGSU lanciert, zeichnet es vorbildliches Engagement aus. IGSU-Geschäftsführerin Nora Steimer: «Das Label verstärkt die Massnahmen gegen Littering, gleichzeitig ist es Anerkennung und Motivation für alle involvierten Personen.» Die Auszeichnung wurde inzwischen bereits 63-mal vergeben, etwa an die Stadt Freiburg mit ihren insgesamt 17 Projekten gegen Littering. Dazu zählen ein «Littering-Barometer», das die Menge der täglich weggeworfenen Abfälle anzeigt, oder solarbetriebene Eimer mit eingebauter Abfallpresse. Teil der Massnahmen ist auch die Aktion «Stop mégots», die sich gegen weggeworfene Zigarettenstummel richtet. Das Reinigungspersonal verteilt Rauchenden kleine Taschenaschenbecher zum Aufbewahren der Kippen. Mit gutem Grund, denn die in den Stummeln enthaltenen Stoffe schädigen die Umwelt; zudem verursacht das Einsammeln hohe Kosten. Unter den Trägern des Labels befinden sich nicht nur von der öffentlichen Hand unterstützte Institutionen, sondern auch private Schulen wie das Ausbildungszentrum für die Schweizerische Fleischwirtschaft in Spiez. Direktor Sepp Zahner hat eine ebenso simple wie überzeugende Erklärung dafür, weshalb er sich gegen das Littering engagiert: «Wir wollen unseren Kindern und Grosskindern eine lebenswerte Welt übergeben.» Dank dem Label werde der korrekte Umgang mit Abfällen Teil der «Spielregeln» in der Schule und in der Verwaltung habe man das Thema «No Littering» ins Führungshandbuch aufgenommen. Zahner stellt seit der Auszeichnung mit dem Label bereits Verbesserungen fest: «Der Umgang mit den Ressourcen ist bewusster.» Auch sei er von mehreren anderen Unternehmen kontaktiert worden, die sich den Kampf gegen Littering ebenfalls auf die Fahne schreiben wollen. «Als Nebeneffekt ergibt sich für uns eine Imagesteigerung – das freut uns.»
Die «Littering Toolbox»
Seit Ende 2017 steht Fachstellen wie auch der interessierten Öffentlichkeit eine weitere Massnahme gegen das Littering zur Verfügung: Ursprünglich 2013 entwickelt, wurde die «Littering Toolbox» von Grund auf überarbeitet und nun in der neuen Form online geschaltet. Unter dem Titel «Einfälle gegen Abfälle» zeigt der «Werkzeugkasten» Wege auf, wie engagierte Personen und Gruppierungen Litteringprobleme selbstständig lösen können. Kernstück der Toolbox bildet eine Suchmaske, mit der die Website nach Kriterien wie «Situation», «Art der Massnahme» und «Zielgruppe» durchsucht werden kann. So lassen sich mit wenigen Klicks Aktionen finden, die auf die eigene Situation zugeschnitten sind. Zur Tradition geworden ist inzwischen der landesweite Clean-Up-Day. Eingebettet in die internationale Anti-Littering-Kampagne «Let’s do it!», findet das grosse Reinemachen in der Schweiz am 14. und 15. September 2018 zum sechsten Mal statt.
«Zeichen für die Umwelt»
Neu mit dabei in diesem Jahr ist die Gemeinde Wengi im Limpachtal (BE). Weshalb macht sie mit? «Wir wollen ein Zeichen für die Umwelt setzen», sagt Gemeinderat Matthias Stettler. Wengi sei mit 600 Einwohnenden klein, besitze aber ein grosses Naturschutzgebiet. Gleichzeitig sei das Dorf ein Verkehrsknotenpunkt, entsprechend sehe es entlang der Strassen aus. Deshalb sollen die Schülerinnen und Schüler – ausgerüstet mit Warnwesten, Handschuhen und Greifzangen – aufräumen, «unterstützt von uns Erwachsenen». Stettler ist überzeugt vom Sinn der gemeinsamen Aktion: «Die Kinder erkennen den Wert einer sauberen Umwelt. Sie werden aufmerksam und verstehen nun, wie störend falsch entsorgte Abfälle sind.» Der Clean-Up-Day hat sich inzwischen zu einem eigentlichen Selbstläufer entwickelt. «Nahmen zu Beginn in der ganzen Schweiz 250 Schulen, Gemeinden, Vereine und Firmen teil, so sind es inzwischen beinahe doppelt so viele», weiss Nora Steimer von der IGSU. Mit zunehmender Bekanntheit steigen Interesse und Bedürfnis, ebenfalls mitzutun.
Massnahmen wirken
Dass die von der IGSU, Bund, Kantonen und Gemeinden gemeinsam umgesetzten Massnahmen wirken, zeigt sich etwa daran, dass die im öffentlichen Raum von Zürich gesammelte Abfallmenge seit 2009 konstant bleibt – obwohl die Stadt stark wächst. «Eine sehr positive Entwicklung», kommentiert Niels Michel, Fachleiter Dialog und Präsenz bei der Zürcher Stadtreinigung. Auch Nora Steimer bestätigt: «Das ist in der Tat so, was aber nicht heisst, dass wir uns nun zurücklehnen können.» Genau hier wollen Kim Löffler und Cécile Kienzi mit ihrem an der Wirtschaftsschule KV Wetzikon (ZH) erarbeiteten Abfall-Projekt ansetzen. Ihre Umfrage hat unter anderem ergeben, dass bis zu einem Viertel der Openair-Besuchenden ihre Trinkbecher trotz Pfand nicht zurückbringen. Aus dem einfachen Grund, weil die Schlangen an den Getränkeständen zu lange sind und gleichzeitig das Pfand mit zwei Franken zu tief ist. Was also tun? Kim Löffler: «Die Organisatoren sollten Stände nur für die Rückgabe einrichten und zudem das Pfand erhöhen. Auch könnten sie Personen einstellen, die für das Einsammeln der Becher zuständig sind.» Mit derselben Thematik beschäftigt sich auch die Website «Saubere Veranstaltung», getragen vom Bund sowie von verschiedenen Kantonen und Städten. Sie wurde kürzlich ebenfalls neu gestaltet, um dem Fernziel aller Massnahmen gegen den achtlosen Umgang mit Abfällen einen weiteren Schritt näherzukommen: Das Clean Europe Network, ein Zusammenschluss der führenden Anti-Littering-Vereinigungen Europas inklusive der schweizerischen IGSU, strebt bis ins Jahr 2030 «ein litter-freies Europa» an.
Packen wir es an!
Littering lässt sich auf verschiedensten Ebenen bekämpfen – nicht nur mit erhobenem Zeigefinger, sondern auch humorvoll.
- In Olten (SO) stehen sprechende Mülleimer, die bei Benutzung «Danke» oder «Schmatz» sagen – oder gar juchzen.
- Einen Schreibwettbewerb zum Thema Littering lancierte die Schule der Gemeinde Siebnen (SZ). Die Aktion im Jahr 2015 brachte den Jugendlichen Littering auf eine neue Art ins Bewusstsein. Ihre Texte zeigen, dass sie verantwortungsvoll mit der Umwelt umgehen.
- Um Müllexzesse in den Griff zu bekommen, arbeitet der Fanclub des FC St. Gallen bei Reisen zu Auswärtsspielen mit der SBB zusammen. Ein Team aus motivierten Fans sorgt für Ordnung. Die Helfer erhalten als Dank Gratisbillette für den Zug.
- 2017 hat die IGSU den «Trash Hero» ins Leben gerufen. Der Titel wurde Personen verliehen, die – gefilmt von einer versteckten Kamera – ihren Abfall korrekt entsorgten. Zusätzlich zum Titel erhielten sie eine Medaille.
- Raumpatenschaften helfen, einen persönlichen Bezug zu einem bestimmten Gebiet aufzubauen und damit Littering zu verhindern. So verpflichten sich Basler Schulklassen, von ihnen gewählte Flächen wöchentlich zu reinigen, was ihre Beziehung zu diesen verstärkt und sie entsprechend Sorge tragen lässt. Als Gegenleistung erhalten die Klassen zum Beispiel einen neuen Basketballkorb für den Pausenplatz.
Die Rolle des BAFU
Das BAFU informiert, berät und unterstützt die verschiedenen Akteure im Bereich Littering.
Know-how: Das BAFU stellt entsprechendes Wissen zur Verfügung. Zudem vermittelt es zwischen Wirtschaft und öffentlicher Hand Lösungen für Anti-Littering-Massnahmen, etwa zwischen Verlegern von Gratiszeitungen und den von Papiermüll betroffenen Gemeinden.
Diskussion: Das BAFU hat einen runden Tisch ins Leben gerufen, an dem Vertretende von Privatwirtschaft, Verbänden, Gemeinden und Kantonen zusammenkommen und sich gegenseitig informieren und austauschen.
Unterstützung: Das BAFU berät Kantone und Gemeinden bei der Umsetzung von Massnahmen gegen das Littering. Zudem unterstützt es Kampagnen von Verbändenund Privaten fachlich wie auch finanziell.
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 16.05.2018