Waldarbeit erfordert hohe körperliche Ausdauer und eine gute Kondition. Der Verband Walliser Wald hat ein umfassendes Programm erarbeitet, damit Forstwarte und Forstwartinnen ihren Beruf unter bestmöglichen Bedingungen ausüben können. So sollen etwa Sportkurse, Aufwärmübungen im Wald und sportmedizinische Fitnesstests sie dazu motivieren, die eigene Gesundheit zu schützen.

Die neun Lernenden sind im dritten Jahr ihrer Ausbildung zum Forstwart. Neun junge Männer, die bereits geschickt mit Motorsäge und Spalthammer umzugehen wissen und demnächst ihr Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) erhalten. An diesem Mittwoch treffen wir sie in der Turnhalle der Berufsschule in Martigny (EPASC), wo alle zwei Wochen von 10 bis 11.30 Uhr der Kurs «Sport Prävention Gesundheit» stattfindet. Die EPASC hat bei dessen Erarbeitung eine bedeutende Rolle gespielt und ihn für sämtliche Lernenden in die betreffenden Lehrgänge eingeführt, sei es für Forstwart/Forstwartin, Zimmermann/Zimmerin oder Spengler/Spenglerin. Der Unterricht nimmt direkten Bezug auf den jeweiligen Beruf. Heute steht einiges auf dem Programm: Warmup, Circuittraining zur Kräftigung sowie Teamspiele. Als Erstes heisst es, die Intensität der eigenen Anstrengungen einschätzen zu lernen, den Grad der Atemlosigkeit zu erkennen, das Tempo zu kontrollieren. Die Jugendlichen müssen mehrere Runden laufen und dabei versuchen, stabil zu bleiben und den Rhythmus zu halten. Ziel dieser Aktivität sei, die Jugendlichen langfristig zu befähigen, die ihnen bevorstehende Arbeitsbelastung abzuschätzen, erklärt der Sportlehrer, bevor er die Teilnehmer für weitere Übungen in Zweiergruppen aufteilt. Dazu hat er ihnen heute einen Fitnessparcours zusammengestellt, bei dem Gesässmuskulatur, Hüfte, Rumpfextensoren sowie Drehbewegungen trainiert werden. Andere Posten dienen der Stärkung von Schwachstellen wie den Knöcheln oder der Aktivierung von wenig oder gar nicht beanspruchten Muskeln. Kilian, ein robuster, dunkelhaariger Typ mit breitem Lachen ist überzeugt, dass ihm die Kurse im Wald zugutekommen: «Zuvor verlor ich zuweilen das Gleichgewicht, wenn ich mit der Motorsäge auf einem Baumstamm stand; das hat sich nun gebessert. Auch halte ich länger durch und schone mich vermehrt. Wenn ich zum Beispiel weiss, dass wir am nächsten Tag Holz schlagen, gehe ich früher schlafen.» Die Spiele, bei denen es an diesem Morgen darum geht, sich einen grossen rosaroten Ball weiterzugeben, sollen den Teamgeist fördern sowie die Teilnehmer lehren, zusammenzuarbeiten, zu interagieren, zu beobachten und Initiativen zu ergreifen, ergänzt der Sportlehrer.

© Cornélia Mühlberger de Preux
Eine breite Palette an Massnahmen
Am Anfang dieser Kurse und weiterer Massnahmen im Kanton Wallis stand eine Erhebung, die im Rahmen des kantonalen Gesamtarbeitsvertrags (GAV) im Jahr 2010 erfolgt ist. Ziel war es, die Gesundheit der Forstwartinnen und Forstwarte zu verbessern. Das Ergebnis der Erhebung war extrem beunruhigend: Die Hälfte der Mitarbeitenden war unter 26 Jahre alt, denn viele Forstwartinnen und -warte steigen – vermutlich aufgrund der harten Anforderungen ihres Berufes – schon nach wenigen Jahren aus. «Es musste etwas unternommen werden, damit die Leute bleiben und in ihrem Beruf weiterkommen können, und zwar in bestmöglicher Verfassung und mit einem Höchstmass an Sicherheit, sowohl bei der Arbeit wie bei den Verträgen», erklärt Christina Giesch, Direktorin des Walliser Waldwirtschaftsverbandes und diplomierte Forstingenieurin ETH. Im Wallis bekommen die Forstwarte und Forstwartinnen wegen der winterlichen Unzugänglichkeit der Wälder häufig nur saisonal begrenzte Anstellungen. Zusätzlich zu den seit 2011 an der Berufsschule erteilten Kursen «Sport Prävention Gesundheit» für Lernende hat der Verband in die überbetrieblichen Kurse Aufwärmübungen integriert und Weiterbildungskurse für Forstpersonal sowie sportmedizinische Checks organisiert. Die freiwillige Untersuchung ist für alle Mitarbeitenden – ob Lernende oder bereits Diplomierte – zugänglich und wird je hälftig durch das Unternehmen und den GAV bezahlt. Christina Giesch betont, dieser Beruf sei vergleichbar mit den Aktivitäten eines Spitzensportlers und erfordere entsprechende Gesundheits- und Präventionsmassnahmen. Der sportmedizinische Check wurde 2013 eingeführt, für eine Dauer von 5 Jahren. Bis heute erfolgten 140 Untersuchungen – das heisst bei rund der Hälfte des Forstpersonals. Dank regelmässiger Erhebungen lassen sich die Probleme besser erfassen, und die Kurse können je nach Bedarf oder Mängeln angepasst werden.
«So haben sich bei diesem Beruf beispielsweise ein Vitamin-D-Mangel, Verspannungen aufgrund einer gewissen Schwäche von Gegenmuskeln sowie eine leichte Tendenz zu Übergewicht aufgrund schlechter Ernährungsgewohnheiten abgezeichnet», erläutert Christina Giesch.

Aufwärmübungen im Wald
Zu Beginn des Nachmittags befinden wir uns im Wald der Walliser Gemeinde Val d’Illiez, in der Nähe der Eisenbahnbrücke. Die Schienen sollen ausgewechselt werden, und es gilt, den Gleisbereich freizumachen. Ein Lehrling ist gerade dabei, eine rund 15 Meter hohe Tanne zu fällen. Ob die Forstwarte heute Morgen vor der Arbeit ihre Übungen absolviert haben? Cédric Gillabert, Lehrlingsverantwortlicher im Forstrevier Dents du Midi, erklärt: «Seit zwei Jahren praktizieren wir das Aufwärmen vor Arbeitsbeginn, und es beginnt zu greifen. Letztlich wird es zur Gewohnheit, genauso wie das Helmtragen.» Also nicht erst handeln, wenn es wehtut oder wenn man verletzt ist, rät er. Deshalb zeigt er den Lernenden so oft wie möglich, mit welchen Bewegungen sie ihre Muskeln stärken oder sich stabilisieren können, oder welche Übungen ihnen helfen, den Rücken zu lockern und sich nach einer Anstrengung zu entspannen. «Die Wissensvermittlung liegt nun in der Verantwortung der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner», fügt er hinzu. «Am besten erfolgt dies auf spielerische Weise, denn dies fördert auch den Teamzusammenhalt.» Christina Giesch ergänzt: «Die Thematik wurde von allen 35 Walliser Forstrevieren aufgenommen, aber bei den Unternehmen sind noch Anstrengungen nötig. Es braucht Zeit, doch es gibt Fortschritte.» Kilian und sämtliche Forstwart-Lernenden im Wallis haben nun alles, was sie brauchen, um ihre Gesundheit zu schützen. Nebst den nötigen Praxiskursen stehen ihnen auch die Checkkarten «Fit im Forst» zur Verfügung, die von der Fachstelle Codoc (Koordination und Dokumentation Bildung Wald) im Auftrag des BAFU erarbeitet wurden. Darin finden sie unter anderem Übungen zum Aufwärmen, zu statischem und dynamischem Dehnen oder zur Entspannung, aber auch nützliche Informationen zur Ernährung sowie zu Schutz- und Arbeitskleidung. Kilian begrüsst diese Initiativen: «Wer sich im Wald vor der Arbeit aufwärmt, hat es den ganzen Tag über leichter. Nach und nach wird einem bewusst, wie wichtig es ist, in Form zu sein, und was es alles braucht, um durchzuhalten.» Zudem sollten auch andere Sportarten betrieben und Übungen zu Hause durchgeführt werden. Christina Giesch betont zum Schluss, die Arbeit im Wald sei langfristig ausgelegt und es sei deshalb wichtig, auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen eine nachhaltige Philosophie zu verfolgen. Sie freut sich, dass der GAV im Wallis auch das Wohlergehen des Personals umfasst, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern auch im Hinblick auf gesellschaftliche und gesundheitliche Aspekte.

Letzte Änderung 08.06.2017