Effizienter Ressourceneinsatz: Wenn Umwelt und Unternehmen gemeinsam gewinnen

Das vom BAFU unterstützte Netzwerk Ressourceneffizienz Reffnet berät Firmen, die ihren Ressourcenverbrauch senken und wirtschaftlicher produzieren wollen. Die Umweltnaturwissenschaftlerin Bettina Kahlert konnte als Reffnet-Beraterin bereits Projekte in der Lebensmittelbranche erfolgreich abschliessen. Für die Teamleiterin Effizienzberatung bei myclimate ist aber klar, dass noch viel zu tun bleibt.

Interview: Mike Sommer

Bettina Kahlert studierte Biologie in Stuttgart (D) und promovierte in Umweltnaturwissenschaften an der ETH in Zürich. Nach diversen Anstellungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Schweiz, Deutschland und Spanien arbeitete die 47-Jährige u. a. als Leiterin der Abteilung technische Komitees bei der Internationalen Vereinigung für Saatgutprüfung (ISTA) und als Koordinatorin des Instituts für Umweltentscheidungen (IED) an der ETH Zürich. Heute leitet sie die Geschäftsstelle Öko-Kompass in Zürich und die Abteilung Effizienzberatung der Stiftung myclimate. Bei Reffnet ist sie seit der Gründung 2014 mit dabei. Sie lebt im Kanton Zürich.
© Flurin Bertschinger | Ex-Press | BAFU

Eines Ihrer grösseren Mandate war die Beratung der Saropack AG in Rorschach, einer Spezialistin für Folienverpackungen. Worum ging es?

Bettina Kahlert: Saropack und mein Arbeitgeber myclimate sind langjährige Partner. Die Firma hatte erkannt, dass in der Lebensmittelindustrie ein wachsendes Bedürfnis nach umweltverträglichen Verpackungen besteht. Sie verfügte bereits über ein Produkt, von dem man annahm, dass es ressourceneffizienter sei als marktübliche Lösungen. Die verwendete Folie auf der Basis von Polyethylen (PE) ist bezüglich Umweltbelastung weniger problematisch als die weitverbreiteten Folien aus Polyvinylchlorid (PVC).

Kam der Ruf nach umweltverträglicheren Verpackungen von den Saropack-Kunden?

Ja, das sind etwa Produzenten von Obst, die ihre Ware nach den Vorgaben der Detailhändler abpacken. Sie fragen bei Saropack nach umweltfreundlicheren Verpackungen, wenn Konsumentinnen und Verbraucher sowie der Detailhandel solche wünschen.

Wie konnten Sie helfen?

Ein Verpacker von Obst im Thurgau etwa setzte neben PVC auch schon die neue PE-Folie ein. Sie ist nicht nur dünner, es braucht auch weniger davon, weil die Verpackung nicht umwickelt wird, sondern das Produkt nur auf einer Seite abdeckt. Wir haben die Prozesse analysiert: Funktioniert dies in der Praxis, wie sieht es mit dem Ausschuss aus, wie gross ist die Materialeinsparung? Wegen des Verschweissens ist der Energieverbrauch etwas höher. Da gilt es dann, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

Die Lösung mit PE-Folien existierte also bereits.

Ja, sie war aber nicht sehr verbreitet und liess sich noch verbessern. Zusammen mit den Produzenten hat Saropack den Verpackungsvorgang optimiert und die Foliendicke weiter reduziert. Meine Aufgabe bestand vor allem darin zu überprüfen, ob die erhofften Ergebnisse bezüglich Materialverbrauch und Umweltverträglichkeit erreicht werden.

Wie haben Sie das gemacht?

Mit einer Ökobilanzierung über den ganzen Lebenszyklus des Produkts: Im Vordergrund stand die Auswirkung auf die Kohlendioxidbilanz, denn der CO2-Ausstoss ist ein Aspekt, den Verpacker und Detailhändler gut verstehen. Wir haben jedoch auch die anderen Umweltfaktoren analysiert und die Umweltbelastungspunkte (UBP) berechnet. Gerade wenn man die Herstellung und die Entsorgung mit einbezieht, sind PE-Folien deutlich umweltverträglicher als Materialien mit einer anderen chemischen Zusammensetzung.

Welche Verbesserungen sind denn mit der PE-Folie möglich?

Mit der optimierten PE-Schrumpffolie lassen sich im Vergleich zur herkömmlichen Methode mit PVC-Folien 59 Prozent Folienmaterial und 69 Prozent CO2-Emissionen einsparen. Bei 50 Millionen Stück dieser neuartigen Verpackungen pro Jahr würden etwa 1000 Tonnen weniger CO2 ausge­stossen und die gesamte Umweltbelastung um 17 Millionen UBP reduziert.

Wie hat Saropack die Resultate aufgenommen?

Der Auftraggeber war überrascht, wie positiv sich die Optimierung des Materialverbrauchs auf die Umwelt auswirkt. Unsere Analysen führen oft zu unerwarteten Ergebnissen. Nehmen wir die Hydrokultur, also etwa Salate, die ohne Humus oder Erde in einer künstlichen Umgebung wachsen. Allgemein wird angenommen, dies sei unnatürlich und somit nicht gut für die Umwelt. Unsere Analyse eines innovativen Hydrokultur-Projekts zeigt aber, dass auf diese Weise produzierter Salat die Umwelt massiv weniger belastet als solcher aus traditionellen Gewächshäusern und sogar aus Freilandkulturen. Der Flächenbedarf sowie der Verbrauch von Wasser, Boden und Nährstoffen sind viel geringer. Dank Fernwärmenutzung war in diesem Fall auch die CO2-Bilanz deutlich besser.

Bei derart klaren Ergebnissen fragt es sich, weshalb Hydrokultur oder PE-Folien nicht längst etabliert sind?

Weil sie neue Anlagen, Maschinen und Verfahren erfordern. Es geht um relativ grosse Investitionen, die in der Regel getätigt werden, wenn die bestehende Infrastruktur abgeschrieben ist. Fordern die Konsumentinnen, die Verbraucher und der Detailhandel umweltfreundlichere Produkte, geht die Umstellung natürlich schneller.

Wie relevant sind solche Optimierungen für den Lebensmittelbereich insgesamt? Die Verpackung etwa ist ja nur einer der Faktoren in der Produktionskette.

Es hängt stark vom Lebensmittel ab. Sechs Äpfel verursachen in der Herstellung vielleicht 120 Gramm CO2 und ihre Verpackung dann weitere 20 Gramm. In Bezug auf das Endprodukt im Laden ist die Umweltbelastung der Verpackung also beträchtlich, sodass eine Reduktion dieser Materialien die Ökobilanz der Äpfel signifikant verbessert. In einem Kilogramm Kalbfleisch hingegen stecken 25 Kilogramm CO2, je nach Herkunft auch mehr. Da spielt die Verpackung nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Verpackung ist also nicht unbedingt entscheidend für die Umweltverträglichkeit eines Lebensmittels?

Nein, aber sie ist ein Faktor, der sich relativ einfach erfassen und beeinflussen lässt. Es ist viel schwieriger, beispielsweise die Ressourceneffizienz eines Restaurants zu verbessern. Dort werden unzählige, ständig wechselnde Nahrungsmittel verwendet, die vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Handel viele Stationen durchlaufen. Da wird es zur grossen Herausforderung, nur schon realistische Umweltdaten für all diese Produkte zu erhalten.

Wo setzen Sie denn an, wenn Sie Gastronomiebetriebe beraten?

Technische Optimierungen sind wichtig, doch liegt ein grosses Potenzial auch bei anderen Faktoren: Wo kaufe ich ein, wie gestalte ich die Karte, wie verarbeite ich die Lebensmittel, oder wie portioniere ich die Menüs? Es bringt viel, überhaupt einmal Daten zu sammeln, etwa zum Food Waste. Ein Unternehmen hat beispielsweise eine Woche lang erfasst, wie viel Ware hereinkommt und wie viel davon den Betrieb in Form von Resten und Abfall ungenutzt verlässt. Als wir das auf ein Jahr hochrechneten, war das Erstaunen über den Ressourcenverschleiss gross. Diese Sensibilisierung ist die Voraussetzung für Verhaltensänderungen.

Wie können Sie Gastronomiebetriebe motivieren, sich bezüglich Ressourceneffizienz und Umweltbelastung zu verbessern?

Das Interesse bei Hotels und Restaurants hat stark zugenommen. Beratungen kommen auf unterschiedliche Weise zustande. Bei myclimate erhalten wir oft Anfragen von Betrieben, mit denen wir schon zum Thema Klimakompensation zusammengearbeitet haben und die sich weiter verbessern möchten. Reffnet-Kunden profitieren einmalig von drei unentgeltlichen Beratungstagen. Dies kann ein Unternehmen zusätzlich motivieren, das Thema Ressourceneffizienz anzupacken.

Ein effizienterer Umgang mit Ressourcen hilft der Umwelt, zahlt sich meistens aber auch finanziell aus. Ist dies der Hauptgrund, dass Unternehmen aktiv werden?

Es geht nicht nur um direkte Kosteneinsparungen. Unternehmen erhoffen sich zunehmend auch dadurch einen Marktvorteil, dass sie sich nachhaltiger aufstellen. Vorteilhaft ist eine positive Grundeinstellung – also die Bereitschaft, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Ein guter Einstieg ist auch das Energiesparen, wenn ich zum Beispiel sagen kann: Im energetischen Bereich habt ihr euch bereits verbessert, jetzt gehen wir einen Schritt weiter und schauen uns die Materialien und zusätzliche Themen an.

Energieeffizienz ist in aller Munde, Ressourceneffizienz noch nicht. Wird sich das ändern?

Bei der Energie sind wir weiter. Es ist gelungen, die Menschen zu sensibilisieren und Anreize für den sparsamen Umgang mit Energie zu schaffen. Bis wir bei der Ressourceneffizienz am gleichen Punkt stehen, braucht es noch mehr Anstrengungen. Hier sind die Herausforderungen für Unternehmen meistens auch grösser als bei der Energieeffizienz. Materialeinsparungen, die Umstellung auf andere Rohstoffe oder Recyclingprozesse können Auswirkungen auf den ganzen Herstellungsvorgang und auf das Design eines Produkts haben. Da müssen viele Faktoren in die Gesamtbetrachtung einfliessen, damit man zuletzt eine klare Aussage dazu machen kann, ob eine Massnahme für das Unternehmen und die Umwelt tatsächlich die erwünschte Wirkung bringt.

Effizienter Einsatz der Mittel

Gestützt auf Artikel 49 Absatz 3 des Umweltschutzgesetzes kann das BAFU Umwelttechnologien fördern, die zu einer Reduktion der Umweltbelastung führen. In diesem Rahmen wird der Verein Reffnet unterstützt. Laut Angaben auf der Website reffnet.ch will er «mit innovativen, massgeschneiderten, messbaren und ökonomischen Lösungen eine ressourceneffiziente Wirtschaft fördern und damit einen wichtigen Beitrag zu einem effizienten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen leisten». Unternehmen können sich von qualifizierten Experten des Netzwerks von der Analyse bis zur Umsetzung beraten lassen.

Von 2014 bis Februar 2018 («Reffnet 1.0») haben 360 Unternehmen mit der Unterstützung von Reffnet eine Potenzialanalyse erstellt. Daraus entstanden 217 Massnahmenpläne, die in 173 Fällen Umsetzungsprojekte zur Folge hatten oder noch haben werden. Falls die Projekte tatsächlich umgesetzt werden, erfordern sie Investitionen von rund 75 Millionen Franken, ermöglichen aber auch Einsparungen von geschätzten 400 Millionen Franken und bewirken eine Reduktion von etwa 550 Milliarden Umweltbelastungspunkten (UBP). Das entspricht der Umweltbelastung einer durchschnittlichen Schweizer Gemeinde mit rund 28 000 Einwohnern in einem Jahr.

Die bis Ende 2022 laufende zweite Phase wird vom BAFU mit 2,58 Millionen Franken unterstützt. Ein wichtiges Ziel von Reffnet 2.0 ist die Verbesserung der Wirkungskontrolle. Dazu wird Reffnet bei den Unternehmen systematisch nachfragen, ob die beabsichtigten Massnahmen nach einem Jahr auch umgesetzt worden sind.

Angestrebt wird laut Ursula Frei von der Sektion Innovation des BAFU, dass Reffnet finanziell unabhängiger wird und die knappen Fördermittel noch effizienter eingesetzt werden: «Reffnet wird sich vermehrt auf bedeutende Fälle konzentrieren, die ein entsprechend grösseres Wirkungspotenzial haben.» Zudem werden die Beratungen finanziell nicht mehr unterstützt, wenn auf eine Potenzialanalyse kein Massnahmenplan folgt.

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Letzte Änderung 04.03.2020

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