Trockenheit: Was tun, wenn das Wasser knapp wird?

Im Kanton Basel-Landschaft müssen bereits heute Bäche abgefischt werden, wenn es im Sommer heiss und trocken wird. Auch die Landwirtschaft spürt die Verknappung. Als Folge des Klimawandels dürfte das Wasser in den nächsten Jahrzehnten auch andernorts zeitweise Mangelware werden. Ein Baselbieter Pilotprojekt zeigt, wie sich dieser Entwicklung langfristig entgegentreten lässt.

Text: Pieter Poldervaart 

Wasserknappheit
Die Anpassung an den Klimawandel lässt sich nur gemeinschaftlich meistern. Vielerorts braucht es dazu die Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinweg. Umweltfachleute aus der Innerschweiz sind in einem Pilotprojekt die Herausforderungen von Sommertrockenheit und steigender Schneefallgrenze gemeinsam angegangen.
© Flurin Bertschinger/Ex-Press/BAFU

«Ziemlich überrascht» sei er gewesen, sagt Adrian Auckenthaler, als er im letzten Herbst die Untersuchung «Handlungsempfehlungen zur Nutzung von Fliessgewässern unter veränderten klimatischen Bedingungen» studiert habe. Grund für das Erstaunen des kantonalen Chefbeamten waren Szenarien zum künftigen Wasserstand der Fliessgewässer im Baselbiet: Je nach Szenario ist denkbar, dass im Jahr 2085 in der Ergolz, dem neben Rhein und Birs wichtigsten Fluss des Kantons Basel-Landschaft, an 20 bis 109 Tagen ein sogenanntes Wasserdefizit herrschen wird. Von einem solchen spricht man, wenn der Wasserstand derart tief sinkt, dass die Entnahme von Wasser zum Schutz der Wasserlebewesen eingeschränkt oder gar verboten werden muss. Zum Vergleich: Zwischen 1984 und 2013 kam es an der Ergolz bloss an durchschnittlich 3 Tagen zu einem Wasserdefizit. Weniger Wasser bedeutet auch höhere Wassertemperaturen. Und diese sorgen bei Fischen als wechselwarmen Tieren für Stress und führen im Extremfall zum Tod.

Steigender Bewässerungsbedarf

Grund für die besorgniserregenden Aussichten im Baselbiet ist die voranschreitende Klimaerwärmung. Mit dem Wandel dürften sich in unseren Breiten nicht nur die Temperaturen erhöhen, sondern im Sommer auch die Niederschläge abnehmen. Im Kanton Basel-Landschaft sind die Folgen dieser doppelten Entwicklung bereits heute spürbar: In heissen und trockenen Phasen erwärmen sich die grösseren Flüsse um mehrere Grad, und die Wassermenge von kleineren Bächen geht so stark zurück, dass einige von ihnen im Hochsommer ganz versiegen. Solche Hitzewellen fallen just in die Periode, in der auch in der Landwirtschaft das Wasser zum Teil knapp wird. Gegenwärtig muss im Baselbiet noch nicht so viel bewässert werden. So verfügt denn auch bloss ein halbes Dutzend Landwirte über eine Konzession, um das kostbare Nass wenn nötig direkt aus Flüssen und Bächen abzupumpen – unter anderem zur Bewässerung von Obstkulturen. Doch sollten die Sommer zunehmend heisser und trockener werden, dürfte in der Landwirtschaft der Bewässerungsbedarf deutlich steigen. Für Adrian Auckenthaler, den Leiter Wasser und Geologie im Amt für Umweltschutz und Energie des Kantons Basel-Landschaft, sind die Resultate des Pilotprojekts Anlass, bereits geplante Anstrengungen für ein besseres Wassermanagement zu intensivieren. Der Schlussbericht des Projekts, das im Rahmen des Pilotprogramms «Anpassung an den Klimawandel» des Bundes realisiert wurde, listet über 20 Massnahmen auf, mit denen sich der zunehmenden Wasserknappheit auf verschiedenen Ebenen begegnen liesse. «Diese Empfehlungen bestätigen uns darin», erklärt Auckenthaler, «dass die Gesetze, die der Kanton in diesem Bereich beschlossen hat, nun auch konsequent umgesetzt werden müssen.»

Regenwasser möglichst versickern lassen

Um die negativen Effekte des Klimawandels auf die Wasserlebewesen abzudämpfen, sind Akteure in verschiedenen Bereichen gefragt. Bei der Vergabe neuer Fischereipachten etwa wird im Baselbiet künftig vermehrt darauf geachtet, dass die Gewässer nur zurückhaltend mit gezüchteten Fischen besetzt werden. Eine Massnahme, so Auckenthaler, die zur Förderung der Biodiversität beitrage. Den Bauern wiederum soll in Trockenphasen nur noch unter strengen Auflagen erlaubt werden, mit Wasser aus Bächen zu bewässern. Auflagen, für welche die landwirtschaftliche Beratung Verständnis schaffen soll. Gefordert sind aber auch die Gemeinden. Sie sollen dafür sorgen, dass Wasser von versiegelten Flächen – wie heute schon gesetzlich vorgeschrieben, aber nicht immer befolgt – nicht in die Kanalisation eingeleitet wird, sondern wann immer möglich versickert oder in Bäche und Flüsse fliesst.

Dass das Pilotprojekt zur zukünftigen Nutzung der Fliessgewässer in der Nordwestschweiz durchgeführt wurde, ist nicht etwa Zufall: «Weil der karstige Untergrund das Regenwasser besonders schnell abfliessen lässt, ist der Kanton Basel-Landschaft bereits heute überdurchschnittlich von Wasserknappheit betroffen», sagt Samuel Zahner von der Abteilung Wasser des BAFU. Komme dazu, dass die Region über keine hohen Berge verfüge, wo Wasser in Form von Schnee oder Gletschereis für den Sommer zwischengespeichert würde. «Aus diesen Gründen lässt sich im Baselbiet heute bei der Verfügbarkeit von Wasser eine Entwicklung beobachten, die langfristig in zahlreichen anderen Kantonen ebenfalls eintreten wird.»

Die Ergebnisse der Baselbieter Studie sind daher auch für andere Kantone eine gute Grundlage bei der Entwicklung von Anpassungsprojekten. Eine wichtige Voraussetzung ist die systematische Aufnahme und Auswertung von Datenmaterial. Dieses Monitoring umfasst unter anderem die Ermittlung der exakten Bodenfeuchtigkeit von unterschiedlichen Bodentypen. Die Studie schlägt auch vor, alle 3 bis 5 Jahre den Fisch- und Nährtierbestand der Gewässer zu erheben. Und schliesslich gilt es, die Abflussmengen der einzelnen Flüsse und Bäche sowie die Wassertemperaturen kontinuierlich zu messen. Das BAFU ist derzeit gemeinsam mit den Kantonen daran, das Monitoring der Wassertemperaturen diesen neuen Anforderungen anzupassen.

Die Bedeutung von Revitalisierungen

Aus Sicht des BAFU stehen 2 Handlungsfelder im Vordergrund, um den Folgen des Klimawandels für Bäche und Flüsse zu begegnen: die Revitalisierung von Gewässern und ein haushälterisches Wassermanagement.

Revitalisierungen sind wichtig, da Gewässer in naturnahem Zustand resilienter sind. Das heisst, sie reagieren widerstandsfähiger auf Veränderungen. Ganz unabhängig vom Klimawandel sieht die nationale Gewässerpolitik vor, in den nächsten 80 Jahren landesweit 4000 Kilometer Flüsse und Bäche zu revitalisieren und wieder besser miteinander zu vernetzen. Mit fortschreitendem Klimawandel ist es wichtig, die Auswirkungen von Extremereignissen wie Hochwassern oder sommerlicher Hitze in der Planung von Massnahmen zu berücksichtigen. Um den Fischen bei hohen Wassertemperaturen überlebenswichtige Abkühlung zu verschaffen, braucht es strukturreiche Gewässer mit tiefen Pools, mehr Schatten sowie einen verbesserten Grundwasseraustausch.

Richtige Wahl der Kulturen

Der haushälterische Umgang mit dem Wasser betrifft unter anderem die Bauern. Je nach landwirtschaftlicher Kultur und Boden variiert der Wasserbedarf nämlich enorm. «Bei Wasserentnahmen für die Landwirtschaft gibt es noch viel Verbesserungspotenzial», erklärt Samuel Zahner, der sich im BAFU mit der Planung von Wasserressourcen befasst. Um den Wasserbedarf langfristig zu senken, sollte bei der Wahl der Kulturen noch stärker als heute berücksichtigt werden, wie viel Wasser in der entsprechenden Region überhaupt zur Verfügung stehe. Unterstützung bei solchen Überlegungen bieten die im Auftrag des BAFU erstellten «Praxisgrundlagen zum Wasserressourcenmanagement», die im Kanton Thurgau im Rahmen eines Pilotversuchs getestet wurden. «Die Erkenntnisse aus den Kantonen Thurgau und Basel-Landschaft zeigen, wie wichtig es ist, sich abzeichnende Nutzungskonflikte ums Wasser bereits heute anzugehen und die Fliessgewässer noch besser zu schützen», sagt Samuel Zahner.

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Letzte Änderung 28.08.2017

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