Freiwilligenarbeit: Wie kann man sich sinnvoll einbringen?

21.12.2022 - Dominique, 50, und Lazar, 29, engagieren sich als Freiwillige für die Umwelt. Sie diskutieren darüber, wie ihre Generationen jeweils mit der Klimanotlage umgehen.

Text: Trinidat Barleycorn

Bürgerinnen und Bürger können sich in verschiedensten Formen für die Umwelt engagieren: durch politisches Engagement, ökologisches Konsumverhalten im Alltag, einen verantwortungsbewussten Lebensstil oder auch die Wahl eines Berufs, der mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Eine weitere Möglichkeit sind ehrenamtliche Einsätze in der Freizeit. Viele sind sich dessen wohl nicht bewusst, aber Freiwillige leisten in der Schweiz jedes Jahr enorm viel, sei dies für die Landschaftspflege oder den Schutz von Tierarten. 

Wie schaffen es diese Menschen, ihr Berufsleben mit den freiwilligen Einsätzen zu vereinbaren, die zuweilen auch viel Zeit binden können? Und wie kann man Menschen unterstützen, die sich eigentlich gerne ehrenamtlich engagieren möchten, aber nicht wissen, wie sie das angehen sollen? Darüber diskutierten wir mit Lazar Tomasevic, 29, der neben Studium und Arbeit als Ehrenamtlicher aktiv ist, und Dominique Weissen Abgottspon, 50, Geschäftsleiterin des Netzwerks Schweizer Pärke. Dieser Dachverband, dem 20 Pärke angehören, organisiert zahlreiche Freiwilligeneinsätze für Natur und Landschaft. Dominique und Lazar sprachen über ihre Erfahrungen und tauschten sich auch über den Umgang ihrer jeweiligen Generation mit der Klimanotlage aus – über das, was sie unterscheidet, aber vor allem über all das, was sie verbindet.

Lazar, welchen Platz nehmen die Freiwilligeneinsätze in Ihrem Alltag ein?

Lazar Tomasevic (LT): Ende 2021 machte ich an einer Biberzählung mit, die fünf Tage dauerte. Aber normalerweise engagiere ich mich während ein bis zwei Tagen pro Jahr. Mehr ist für mich nebst Arbeit und Studium kaum machbar. Ich versuche vor allem, im Alltag mit kleinen Gesten aktiv zu sein, etwa indem ich Obstkerne im Wald einpflanze, statt sie wegzuwerfen.

Was hat Sie zur Freiwilligenarbeit motiviert?

LT: Ich arbeite als Berater für Unternehmensmobilität. Dieser Bereich behauptet zwar, grüner geworden zu sein, könnte aber noch viel mehr tun. Die Unternehmen tragen eine enorme Mitverantwortung. Sie setzen sich fürs Klima ein, solange es ihrem Geschäft nicht schadet und ihrem Ruf dient. Aber gleichzeitig schicken sie nach wie vor Mitarbeitende für kurze Geschäftsreisen ans andere Ende der Welt oder investieren in nicht nachhaltige Projekte. Ich befürchte, dass nicht viel passieren wird, solange die Politik nicht mehr Druck macht.

War Umweltschutz schon immer wichtig für Sie?

LT: Als Kind war ich in den Ferien bei meinen Grosseltern in Deutschland und Serbien immer draussen. Die einen hatten einen Bauernhof, die anderen hielten Vieh. Meine Erziehung war aber keineswegs auf den Klimaschutz ausgerichtet. Als mir der Klimanotstand bewusst wurde, hat mich das sehr betroffen gemacht.

Dominique Weissen (DW): Ich habe Ähnliches erlebt: Meine Familie hatte ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem ich oft mithalf, und wir nahmen häufig an Ausflügen teil. Die Natur hat mich schon immer fasziniert und ich bin sehr glücklich, dass ich mich beruflich damit beschäftigen kann.

Dominique Weissen Abgottspon ist 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer 13-jährigen Tochter. Sie ist Geschäftsleiterin des Netzwerks Schweizer Pärke und übt dieses Vollzeitmandat seit August 2020 aus. «Wir setzen uns für eine starke Nachhaltigkeit ein, das heisst für den Erhalt von Natur, Landschaft und Biodiversität, für eine solidarische Gesellschaft und für die Stärkung der regionalen Wirtschaft und eines umweltfreundlichen Tourismus», erklärt sie. Zuvor war sie zehn Jahre Geschäftsführerin des Landschaftsparks Binntal.

Lazar Tomasevic ist 29 Jahre alt, lebt in einer Partnerschaft und ist kinderlos. Er studiert Betriebswirtschaft an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und hat zugleich seit Dezember 2021 eine Vollzeitstelle als Global Mobility Consultant bei PricewaterhouseCoopers. Zuvor war er fünf Jahre in der Asylkoordination für den Kanton Zürich tätig. Er leistet ehrenamtliche Einsätze bei diversen Organisationen.

Ist das Interesse am Klima Ihrer Meinung nach eine Generationenfrage?

LT: Nicht unbedingt. Meine 27-jährige Schwester und mein 19-jähriger Bruder wurden gleich erzogen wie ich, interessieren sich aber nicht dafür. Ich bin übrigens der einzige von uns dreien, der kein Fleisch isst – wegen dem Klima, aber auch, weil mir das Tierwohl am Herzen liegt. Es ist seltsam, dass Geschwister so polarisierende Themen so unterschiedlich angehen. Aber generell denke ich schon, dass ältere Menschen das Problem anders sehen. Ich spüre das sehr stark, wenn ich meiner Familie erkläre, dass die Bedingungen der Viehhaltung verbessert werden müssen. Sie betrachten Tiere als Nahrungslieferanten. Junge Menschen in reichen Ländern können heutzutage vielleicht gut auf Fleisch verzichten, weil es viele Alternativen gibt. Für meine Grossmutter, die im Nachkriegsdeutschland aufgewachsen ist, war das sicher völlig anders.

DW: Ich weiss nicht, ob die Jugendlichen generell involvierter sind, aber ich denke, dass sich ein Teil von ihnen stärker engagiert. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Auch gewisse Themen wie Veganismus sind bei ihnen präsenter. Was die Generationen vor uns anbelangt: Sie hatten sicher eine andere Haltung gegenüber Fleisch, aber insgesamt lebten sie viel genügsamer, als wir dies heute tun. Es sind die Generationen des Überkonsums – also unsere eigenen –, die das Klima zerstören. Unsere Vorfahren dachten nach, bevor sie etwas wegwarfen, und sie nutzten die Dinge, bis sie nicht mehr brauchbar waren. Kreislaufwirtschaft, Genügsamkeit und all das, wofür wir heute neue Begriffe haben, waren für sie selbstverständlich. Wir könnten viel von ihnen lernen.

Tut die Schule genug, um das Umweltbewusstsein junger Menschen zu fördern?

DW: Die Schulen und Lehrkräfte sind sehr engagiert. In den Lehrplänen gäbe es aber sicher noch Potenzial. Öffentliche Schulen sollten den Kindern mehr Möglichkeiten bieten, nach draussen zu gehen und die Natur zu entdecken. Das ist die beste Sensibilisierung. Viele Pärke arbeiten mit Schulen zusammen und organisieren mit ihnen Exkursionen und Naturerlebnisse. Das ist eine gute Entwicklung. Was Freiwilligeneinsätze betrifft, so sind diese auch mit Schulklassen sinnvoll. Sie sensibilisieren die Kinder und Jugendlichen und haben eine konkrete Wirkung: Wenn 100 Schülerinnen und Schüler Abfall einsammeln, erbringen sie eine Leistung, die ohne sie nicht möglich gewesen wäre.

LT: Ich finde, es sollte mehr über regionale und saisonale Produkte, die Arbeit in der Landwirtschaft, Fauna und Flora unterrichtet werden.

 

Gut, dass sich Freiwillige für die Umwelt engagieren

Die Pflege und Aufwertung der Landschaft ist zeitintensiv und oft fehlt entsprechendes Personal. Freiwillige leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Wahrung der landschaftlichen Schönheit, zur Bekämpfung invasiver Neophyten oder zur Erhaltung der Biodiversität. Karina Liechti von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (sf-fp) hat dieses Engagement zwischen 2019 und 2021 in der Studie «Neues Gemeinwerk zum Erhalt der Kulturlandschaft» untersucht.

Die Analyse zeigt zunächst die vielen Vorteile der Freiwilligenarbeit auf. Diese kompensiert nicht nur fehlende personelle Ressourcen, sondern trägt unter anderem zur Bekanntmachung bei, sofern man die Gelegenheit nutzt, den Teilnehmenden die lokalen Eigenheiten und Produkte näherzubringen. Zudem ermöglichen solche Einsätze einen Austausch unter den Beteiligten, was sie dazu motiviert, diese Erfahrung zu wiederholen. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen eingeplant wird.

Der zeitliche Faktor ist zentral – vor allem die Zeit, die von den Körperschaften für den Aufbau von Freiwilligeneinsätzen, die Rekrutierung und Schulung der Freiwilligen, den Abschluss von Versicherungen oder die Sicherheit aufgewendet wird. Dieser organisatorische Aufwand wird oft unterschätzt, muss aber bei der finanziellen Beurteilung eines Einsatzes berücksichtigt werden. Dabei sollten aber auch gewisse Vorteile nicht vergessen gehen, die sich kaum beziffern lassen: «Der Einsatz von Freiwilligen hat immer weiter gefasste Ziele als nur die Arbeitsleistung, zum Beispiel die Sensibilisierung für die Arbeit in der Landwirtschaft, für die Notwendigkeit der Pflege von Natur- und Landschaftswerten oder für die Anliegen und Schönheiten einer Region», schreiben die Studienautoren.

Die Studie identifiziert auch Faktoren, die dazu beitragen, die Zusammenarbeit mit Freiwilligen nachhaltig zu sichern. So ist etwa die Erweiterung ihres Wissens für die Freiwilligen wichtig. Eine gute Einführung in die örtlichen Anliegen kann ebenfalls zu einer motivierenden Verbundenheit mit einer Region führen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Einbezug von Menschen mit einem Zweitwohnsitz, die oft den Kontakt zur lokalen Bevölkerung suchen. Weitere positive Faktoren für das Engagement sind Anerkennung für die geleistete Arbeit, eine reibungs­lose Durchführung des Einsatzes oder der respektvolle Umgang mit den individuellen Werten der Teilnehmenden. Haben sie gute Erfahrungen gemacht, werden sie durch ihre positiven Rückmeldungen dazu beitragen, andere von der Freiwilligenarbeit zu überzeugen.

 

Stehen junge Menschen heute zu sehr unter Druck, sich zu engagieren?

DW: Diesen Eindruck habe ich nicht. Im Gegenteil: Ich finde, die Klimaerwärmung, der Verlust an Artenvielfalt und die Zerstörung der Landschaft müssten in den Medien und auf der politischen Bühne viel stärker thematisiert werden. Wir steuern auf Katastrophen zu. Wir müssen unbedingt erklären, was passieren wird, wenn wir uns nicht ändern. Das hat aber nichts mit Jung oder Alt zu tun, sondern gilt für die ganze Gesellschaft.

LT: Ich finde, dass Jugendliche zu sehr unter Druck gesetzt werden. Das führt dazu, dass sich einige kurz engagieren, ohne wirklich überzeugt zu sein. Und dann sagen sie sich, dass man schliesslich nur einmal lebt und die Zeit besser geniessen sollte. Für sie ist das wie ein Modetrend, der verstärkt wird durch das Gefühl, einer Gruppe anzugehören. Man sollte vermehrt deutlich machen, dass man nicht gleichzeitig weiterhin massenhaft Dinge im Internet bestellen oder ins Flugzeug steigen kann, um das Weekend in einer Grossstadt zu verbringen. Auf die Strasse gehen reicht nicht, wenn man nicht selbst tut, was man von anderen fordert.

Sie wirken sehr aufgebracht, Lazar …

LT: Ja! Wir haben das Glück, über den nötigen Wohlstand zu verfügen, um uns um das Klima kümmern zu können, was nicht in allen Ländern so ist. Und es ist entmutigend, sich in der kleinen Schweiz zu engagieren, während grosse Länder, die die Umwelt verschmutzen, nichts tun. Das macht mich wütend.

Dünkt Sie das Engagement junger Menschen heute radikaler?

DW: Nein. Es gibt Streiks, wie es sie früher aus anderen Gründen auch gab: Es waren immer die Jungen, die auf die Strasse gingen. Die Älteren setzen sich auch ein, machen aber weniger Aufhebens darum. Was das Engagement für das Klima angeht, kann man keine allgemeinen Aussagen machen. Für mich gibt es auch keinen Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern eher zwischen denen, die das Problem erkannt haben, und denen, die es nicht ernst nehmen.

LT: Das sehe ich genauso.

Dominique, welche Bedeutung hat die Freiwilligenarbeit für den Umweltschutz?

DW: Eine sehr grosse! Vor allem, weil Freiwillige enorm viel leisten, aber auch wegen des Umweltbewusstseins, des Wissenstransfers und der Begegnung zwischen Stadt und Land. Ich hoffe, dass diese Entwicklung weiter voranschreitet. Aber man darf die damit verbundene Logistik nicht unterschätzen: Man muss Versicherungen für die Freiwilligen abschliessen, sie schulen, Verpflegung, Transport und manchmal auch Unterkünfte organisieren.

Wie kann man die Freiwilligenarbeit fördern?

DW: Vielleicht, indem man die Einsätze sichtbarer macht, aber generell finde ich, dass es gut funktioniert.

LT: Ja, die Sichtbarkeit sollte verbessert werden, etwa indem die Kommunikation via Social Media verstärkt wird. Das ist mit Kosten verbunden, aber zu viele Menschen wissen gar nicht, dass es diese Einsätze gibt.

Vielen fehlt es an der Zeit, um sich zu engagieren. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

DW: Die Einsätze in den Pärken können nicht verkürzt werden, da die Freiwilligen für die jeweilige Aufgabe geschult werden müssen. Sie können also nicht einfach hin und wieder für zwei, drei Stunden kommen; man muss die nötige Zeit investieren können. Es gibt übrigens viele Pensionierte unter den Freiwilligen, nicht zuletzt, weil sie mehr Zeit haben. Interessant finde ich zukunftsweisende Gesellschaftsmodelle, in denen der Wert der Freiwilligenarbeit anerkannt wird.

LT: Eigentlich ist mir bewusst, dass fehlende Zeit nur eine Ausrede ist. Man findet immer Zeit für das, was man liebt. Also sollte man auch Platz für solche Einsätze finden. Es ist eine Frage der Organisation und Disziplin, aber sicher nicht einfach. Ich denke, dass den Unternehmen hier eine grosse Rolle zukommt: Warum nicht statt einem Weihnachtsessen oder einem Ausflug einen eintägigen Einsatz leisten und den Tag mit einer gemeinsamen Mahlzeit ausklingen lassen?

Ist das etwas, was Sie in Ihrem Unternehmen vorschlagen würden?

LT: Ja, darüber denke ich nach. Wir könnten ein Clean-up in der Stadt machen. Man muss nicht weit wegfahren. Mit Blick auf das Teambuilding ist das eine wertvolle Erfahrung, selbst für diejenigen, die sich nicht für Ökologie interessieren.

DW: Ja, das kann den Zusammenhalt im Team enorm stärken. Seitens der Unternehmen sind Freiwilligeneinsätze in den Schweizer Pärken übrigens sehr gefragt. Trotz der Einschränkungen während der Pandemie hat die Nachfrage in den letzten Jahren zugenommen.

Welcher andere Aspekt ist für Sie bei der Freiwilligenarbeit wesentlich?

DW: Der didaktische. Durch die Arbeit in der Natur kann man viele Erfahrungen sammeln, eine neue Beziehung zur Natur aufbauen, Kompetenzen erwerben und die Menschen vor Ort und ihre Lebensweise kennenlernen. Es gibt auch Einsätze, bei denen Arten kartiert werden, wie es Lazar mit den Bibern gemacht hat. Das ist sehr lehrreich.

LT: Dass man etwas lernt, ist tatsächlich motivierend. Ich war auch sehr beeindruckt vom Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, und vom Nutzen dieser Einsätze.

Ist Freiwilligenarbeit heute ein unverzichtbarer Punkt in einem Lebenslauf?

DW: Es ist zweifellos ein Pluspunkt, wenn sich eine Kandidatin, ein Kandidat für eine Sache einsetzt, egal in welchem Bereich.

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Letzte Änderung 21.12.2022

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