Als Teil der Kampagne für benzolfreies Gerätebenzin steht seit gut einem Jahr das im Auftrag des BAFU erarbeitete digitale Lehrmittel Luftlabor.ch im Einsatz. Es will Jugendliche für die Problematik der Luftverschmutzung sensibilisieren, was ihm offensichtlich gut gelingt.
Text: Peter Bader

© Luftlabor
Luftlabor.ch scheint den Nerv der Zeit getroffen zu haben. «Es hat die Schülerinnen und Schüler aus der Reserve gelockt», sagt die am Oberstufenzentrum Progymatte in Thun unterrichtende Lehrerin Marietta Lisibach. Und «Bildung Schweiz» – die Zeitschrift des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) – nennt es ein «digital kompetentes und zeitgemässes Lernangebot». Das interaktive Lehrmittel für die Sekundarstufe 1 will Jugendlichen von der 7. bis zur 9. Klasse wichtige Zusammenhänge der Luftverschmutzung vermitteln und sie mit den naturwissenschaftlichen Hintergründen vertraut machen. Sie sollen lernen, was Luftqualität ausmacht und wie sich diese beeinflussen lässt.
Experimentieren und recherchieren
Ausgangspunkt ist ein interaktives Sommer- oder Winter-Schaubild. Behandelt werden sechs Grundfragen: Wie sauber ist die Luft in der Schweiz? Ist Luft ein Lebensmittel? Wann macht Luft krank? Darf ich angesichts von Sommersmog noch Sport treiben? Was hat meine Heizung mit dem Wintersmog zu tun? Und: Was hat der Rasenmäher mit Krebs zu tun? Um die Hintergründe der einzelnen Themen auszuleuchten, führen die Jugendlichen einfache Experimente durch, recherchieren im Internet und beantworten Fragen in einem Lernjournal. Vorlagen dazu und weitere Informationen für Lehrpersonen finden sich auf der Website www.luftlabor.ch.
Komplexe Zusammenhänge erkennen
Marietta Lisibach hat mit dem Lernangebot bereits mehrfach Erfahrungen gesammelt. Zum einen baute sie es in den Unterricht einer 7. Klasse auf Stufe Untergymnasium ein. Zum andern liess sie eine 9. Sekundarklasse damit arbeiten. Ihr Fazit fällt positiv aus: «Schülerinnen und Schüler können mit Luftlabor.ch wichtige naturwissenschaftliche Phänomene erfahren und erklären sowie komplexe Zusammenhänge erkennen», sagt sie. Unabhängig von den naturwissenschaftlichen Vorkenntnissen fänden Heranwachsende aller drei Stufen einen geeigneten Zugang. Zudem könne die Lehrperson die Einsatzzeit und Tiefe der Themenbehandlung sehr flexibel bestimmen. «Von drei Wochen bis zu einem Jahr lässt sich der Natur-Mensch-Umwelt-Unterricht mit Luftlabor.ch locker gestalten.» Die sechs Grundthemen können unabhängig voneinander behandelt und mit anderen biologischen oder chemischen Aspekten erweitert werden, «zum Beispiel mit den Atmungsorganen oder der Photosynthese», wie Marietta Lisibach ausführt. Zudem sei auch die Art der Informationsgewinnung wertvoll. «Allein schon die Arbeit mit Computern und das selbstständige Experimentieren sind für Jugendliche sehr motivierend. Darüber hinaus müssen sie sich die Informationen vorab im Internet zusammensuchen. Dadurch steigt die Chance, dass sie von sich aus weiterlesen und -forschen.»
«Botschafter für gesunde Atemluft»
Dieses Lob freut Raphael Wild, den Projektverantwortlichen bei der LerNetz AG, die das digitale Lehrmittel im Auftrag des BAFU entwickelt hat. Beteiligt waren zudem Krebsliga, Lungenliga, AM Suisse (vormals Schweizerische Metall-Union SMU), weitere Industriepartner sowie die kantonalen Lufthygieneämter. Raphael Wild unterstreicht die Bedeutung des selbstständigen Zusammentragens von Informationen, weil dies ein Kernanliegen des Lehrplans 21 sei. Die Fakten fänden sich nicht mehr innerhalb eines Textes, wie es in früheren Lehrmitteln oft der Fall gewesen sei. «Im Lernjournal beantworten die Schüler und Schülerinnen klare Fragen und strukturieren dabei ihr Wissen. Bei der Informationssuche im Internet und anderswo werden sie aber auch zum Denken und kritischen Hinterfragen angeregt.» Ausserdem funktioniere das Luftlabor.ch auf allen Endgeräten. Vom Angebot überzeugt ist auch Gerhard Badertscher, Stabschef der Abteilung Luftreinhaltung und Chemikalien beim BAFU: «Dank Luftlabor.ch erhalten die Jugendlichen einen attraktiven Zugang zum Thema Luftreinhaltung. Sie können mit dem gewonnenen Wissen ihr Verhalten überdenken und als Botschafter für eine gesunde Atemluft auftreten.» Die breite Trägerschaft des Lehrmittels – mit privaten Firmen und Institutionen sowie der öffentlichen Hand – unterstreiche zudem die grosse Bedeutung des Themas für die Gesundheit.
Sauberes Gerätebenzin
Die Idee eines Lehrmittels zur Luftverschmutzung geht bereits auf das Jahr 2006 zurück. Damals forderte das Parlament den Bundesrat dazu auf, Massnahmen zur Förderung von Gerätebenzin ohne gesundheitsschädigende Aromaten – wie Benzol, Toluol oder Xylol – zu prüfen. In Schweden hatten Wissenschaftler zuvor entdeckt, dass Forstarbeiter deutlich häufiger unter Kopfschmerzen, Übelkeit und Konzentrationsschwierigkeiten litten als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dabei rückten der herkömmliche Treibstoff der Motorsägen und insbesondere sein Gehalt an krebserregendem Benzol als vermutete Hauptursache ins Zentrum des Interesses. Beim Betrieb von Kleingeräten wie Motorsägen, Heckenschneidern oder Rasenmähern sind die Atemorgane der Anwender direkt den Abgasen ausgesetzt. Dagegen enthält das aromatenfreie Gerätebenzin kaum Benzol, und bei seiner Verbrennung entstehen deutlich weniger Schadstoffe. Zusammen mit AM Suisse, den Kantonen, verschiedenen Geräteproduzenten und -händlern sowie der Krebsliga startete das BAFU in der Folge eine Kampagne zugunsten des schadstoffarmen Alkylatbenzins. Um auch Jugendliche für das Anliegen zu sensibilisieren, entstand unter anderem das gedruckte Lehrmittel «air4life». Luftlabor.ch ist nun dessen digitaler Nachfolger. Kurt Gsell ist als Inhaber der Gsell Motorgeräte AG in Amriswil (TG) und vormaliger Präsident des Fachverbandes Landtechnik Thurgau von Anfang an bei der Gerätebenzin-Kampagne dabei. «Das neue Lehrmittel ist attraktiv und zeitgemäss. Damit können wir bei jungen Leuten die gewünschte Wirkung erzielen.» Umso besser, dass es Luftlabor.ch neuerdings auch in französischer und italienischer Sprache gibt.
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 15.02.2017