Erfolgreicher Hochwasserschutz: Lehren aus Ereignis 1987 zahlen sich aus

Das grosse Reusshochwasser im Kanton Uri von Anfang Oktober 2020 zeigt, dass die während Jahren entwickelten Schutzkonzepte funktionieren: Dank zahlreicher aufeinander abgestimmter Schutzmassnahmen wie der Lenkung der Wassermassen auf die gesperrte Autobahn A2 hat es keine grösseren Schäden gegeben. Dieser Erfolg geht auf die Lehren aus dem Hochwasser von 1987 und auf die Investitionen in ein integrales Schutzkonzept zurück. Damals verwüsteten Unwetter grosse Teile der Schweiz, forderten 8 Menschenleben, verursachten Schäden von ca. 1,3 Milliarden Franken und trafen die Urner Reussebene besonders hart.

1. Unwetter und Hochwasser von 1987

1987 verwüsteten Unwetter grosse Teile der Schweiz, forderten acht Menschenleben und verursachten Sachschäden in einer Höhe von ca. 1,3 Milliarden Franken. Vor allem den Kanton Uri traf ein sehr starkes Hochwasser am 24./25. August 1987 grossflächig. Die Schäden reichten von Realp bis zum Urnersee und betrugen ca. 500 Millionen Franken.

Das grosse Hochwasser von 1987: die Urnerreuss tritt unkontrolliert über die Ufer und flutet den Talboden
Abbildung 1: Das grosse Hochwasser von 1987: die Urnerreuss tritt unkontrolliert über die Ufer und flutet den Talboden
© Luzerner Neueste Nachrichten, Bruno Voser

2. Ereignisanalyse leitet Paradigmenwechsel ein 

Nach den verheerenden Schäden durch die Unwetter 1987 erteilte der Bundesrat den Auftrag, schweizweit die Ursachen zu analysieren. Dank dieser Ereignisanalyse konnten bedeutende Grundsätze zum Umgang mit und zum Schutz vor Naturgefahren abgeleitet werden. Die Erkenntnis, dass die Natur nicht beherrscht werden kann, führte zum Paradigmenwechsel «von der Gefahrenabwehr zur Risikokultur». Man hat erkannt, dass es keine absolute Sicherheit vor Naturgefahren gibt. Durch geeignete Massnahmen lässt sich aber das Risiko begrenzen und durch eine angepasste Nutzung (z.B. Bauverbot in Gefahrengebieten) kann verhindert werden, dass neue, nicht akzeptable Risiken entstehen.
Auch der Umgang mit den verbleibenden Risiken (z.B. ein kontrolliertes Überfliessen der Dämme im Überlastfall) hat sich als wesentlicher Bestandteil des Risikomanagements etabliert.

3. Prävention und Vorsorge

Auch an der Urner Reuss hat man die Analyse des Ereignisses 1987 als Grundlage zur Erarbeitung eines integralen Schutzkonzeptes (Berücksichtigung aller relevanter Naturgefahren, Beteiligter und Massnahmen) genutzt und den Massnahmenplan Gesamtkonzept Reuss erarbeitet. Dazu gehört, dass die Reuss in mehreren Abschnitten im Hochwasserfall auf die Autobahn und das Umland gelenkt werden kann (Entlastung). Die dazu erforderlichen baulichen Massnahmen gehen mit organisatorischen und planerischen einher.

Die Entwicklung und Umsetzung dieses integralen Konzepts erforderte den frühen Einbezug verschiedener Akteure und Akteurinnen. Dieser partizipative Prozess ist wesentlich, damit integrale Schutzkonzepte akzeptiert und dann umgesetzt werden können.

Graphik
Hochwasserschutzbauten an der Urnerreuss unmittelbar an der A2
Abbildung 2: Hochwasserschutzbauten an der Urnerreuss unmittelbar an der A2
© Amt für Tiefbau Uri

4. Ereignis 2020

Am Wochenende vom 02./03. Oktober 2020 wurde das aufgrund der Lehren von 1987 erarbeitete und umgesetzte Schutzkonzept Reuss erstmals von der Natur getestet. Die Urner Reuss führte ein ca. 50 jährliches Hochwasser, seit 1987 das erste Ereignis, bei dem der Raum innerhalb der Dämme nicht ausgereicht hat, um die Wassermassen aufzunehmen. Die Entlastungen auf die Autobahn A2 und das Umland erfolgten wie im Konzept geplant. Obwohl der Pegel der Reuss sehr rasch anstieg, erfolgte die Sperrung der Autobahn rechtzeitig und konnte bereits nach rund 20 Stunden wieder aufgehoben werden. Die nach 1987 umgesetzten Massnahmen haben sich also bewährt, nicht zuletzt dank des engagierten Einsatzes vieler Beteiligter.

Während man 1987 in der Urner Reussebene erhebliche Sachschäden verzeichnete, hinterlässt das Ereignis 2020 lediglich Aufräumarbeiten. Statt unkontrolliertem Überlaufen konnte die Reuss kontrolliert über die Ufer gelenkt und die Wassermassen in den Urnersee geführt werden. Dennoch gilt es nun, 33 Jahre nach dem Hochwasser 1987, das Ereignis 2020 zu analysieren und erneut Lehren daraus zu ziehen. Der Kreislauf des integralen Risikomanagements fängt von vorne an.

Urner Reuss tritt Anfang Oktober 2020 über die Ufer und wird über die Autobahn in Richtung Urnersee gelenkt
Abbildung 4: Urner Reuss tritt Anfang Oktober 2020 über die Ufer und wird über die Autobahn in Richtung Urnersee gelenkt
© Valentin Luthiger
Durch das Hochwasser Anfang Oktober 2020 in der Urner Reuss werden viel Wasser aber auch Fein- und Feststoffe in den Urnersee eingetragen
Abbildung 5: Durch das Hochwasser Anfang Oktober 2020 in der Urner Reuss werden viel Wasser aber auch Fein- und Feststoffe in den Urnersee eingetragen.
© Angel Sanchez, Baudirektion Uri

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Letzte Änderung 09.02.2021

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