Kantonaler Vollzug: «Wir nehmen die Rolle eines Anwalts für die Umwelt ein»

Den Kantonen kommt bei der Durchsetzung der Umweltgesetze und des Umweltstrafrechts eine Schlüsselrolle zu. Wie diese Aufgabe glaubwürdig und effizient zu bewältigen ist, zeigt das Umweltamt des Kantons St. Gallen.

Text: Lukas Denzler

Verschmutzes Abwasser
Abtwil (SG): Von einer Baustelle gelangte im April 2017 verschmutztes Abwasser in den Mülibach, über 100 Fische verendeten.
© Kantonspolizei St. Gallen

Beim Vollzug der Umweltgesetze laufen im Kanton St. Gallen die Fäden im Amt für Umwelt zusammen. Es beurteilt umweltrelevante Bauvorhaben, berät die Interessengruppen, überwacht den Zustand der Umwelt im Kanton und veranlasst, wo nötig, Massnahmen und Sanierungen. Stellt das Amt Verstösse gegen die Umweltvorschriften fest, erstattet es zudem Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Eine Besonderheit des Kantons St. Gallen ist, dass hier das Baudepartement, vertreten durch das Amt für Umwelt, über volle Parteirechte im Strafverfahren verfügt. Es erhält unter anderem Akteneinsicht und kann Entscheide anfechten. «Durch unsere Parteistellung wahren wir das öffentliche Interesse an einem wirksamen Vollzug der Umweltschutzgesetze. Wir nehmen gewissermassen die Rolle eines Anwalts für die Umwelt ein», erklärt Martin Anderegg, Leiter der Abteilung Recht und UVP im kantonalen Amt für Umwelt.

60 bis 80 Umweltdelikte pro Jahr

Laut Anderegg beschäftigen seine Abteilung jedes Jahr 60 bis 80 Umweltdelikte. Dazu zählen etwa die unsachgemässe Güllenausbringung, die illegale Abfallentsorgung oder das Einleiten unbehandelter Abwässer in Gewässer. Gerade bei Baustellenabwässern sei es in letzter Zeit zu einer Häufung von Verstössen gekommen. Für Zündstoff sorgen auch immer wieder die Pufferstreifen entlang von Waldrändern, Hecken und Bächen. In einem 3 Meter breiten Streifen ist es verboten, zu düngen oder Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Erhebungen der Umweltorganisationen ergaben, dass diese Bestimmung oft missachtet wird. Dies führte im Dezember 2016 zu einer Anfrage im Kantonsrat. Die Regierung erklärte, es sei Aufgabe der Gemeinden, die Einhaltung der Pufferstreifen zu kontrollieren. Mitarbeitende des Kantons würden sich weiterhin anstrengen, die Gemeinden zu sensibilisieren. Wenn sich die Situation nicht bessere, müsse der Kanton seine Aufsichtspflicht verstärkt wahrnehmen.

Kontrollen sind unerlässlich für einen glaubwürdigen Vollzug der Umweltgesetze, genauso wie die konsequente Verfolgung von Delikten. Dies bedingt aber personelle und finanzielle Ressourcen, die keineswegs immer vorhanden sind. Auch das Amt für Umwelt des Kantons St. Gallen ist knapp dotiert. «Diese Defizite können aber durch eine gute Zusammenarbeit teilweise wieder ausgeglichen werden», erklärt Martin Anderegg. Als Beispiel nennt er den Umwelt-Schadendienst, der Meldungen über Boden-, Luft- und Gewässerverschmutzungen aufnimmt und der Polizei und Feuerwehr als 24-Stunden-Pikettdienst beratend beisteht.

Anderegg stellt auch fest, dass die Polizei heute besser gerüstet ist für die Bekämpfung von Umweltdelikten als noch vor 10 oder 15 Jahren. «Hier wurden deutliche Verbesserungen erzielt. Umweltdelikte gehören heute zum Unterrichtsstoff an der Ostschweizer Polizeischule. Dass diese Investition sich lohnt, zeigen die Polizeirapporte, die eine gute Qualität aufweisen und der Staatsanwaltschaft als Grundlage dienen.»

Strafbares Handeln darf sich nicht lohnen

Mängel ortet Martin Anderegg hingegen bei der Strafzumessung durch die Strafverfolgungsbehörden. «Die verhängten Strafen fallen oft zu tief aus.» Es sei aber nicht so, dass diese gar keine Wirkung zeigten. Gebüsste Bauern müssten kaum je ein zweites Mal bestraft werden. Beim Gewerbe hingegen, das einem starken Wettbewerb ausgesetzt sei, gebe es Wiederholungstäter. In diesen Fällen hat sich ein anderes Instrument bewährt: Das Strafgesetz sieht die Einziehung oder Ersatzforderung vor, wenn etwa eine Unternehmung ihren Gewinn steigert, indem sie Umweltvorschriften missachtet. So verzichtete jüngst eine Bauunternehmung auf den Betrieb einer Neutralisationsanlage zur Behandlung der Baustellenabwässer, was zu einer Gewässerverschmutzung führte. Im Werkvertrag waren für die Anlage Kosten von 6800 Franken veranschlagt. Diese wollte sich die Bauunternehmung einsparen. Nun aber musste sie zusätzlich zur Geldstrafe von 2250 Franken für den Bauführer und zur Busse von 750 Franken für den Polier eine Ersatzforderung von 6800 Franken bezahlen. «In den letzten fünf Jahren ist es im Kanton St. Gallen bei Umweltdelikten zu 25 Ersatzforderungen gekommen», sagt Martin Anderegg. Wenn allen klar sei, dass sich ein Verstoss nicht lohne, würden die Vorgaben des Umweltrechtes ernster genommen, ist er überzeugt.

Wallis: juristisches Novum

Ein juristisches Novum kommt im Kanton Wallis zur Anwendung: Das kantonale Umweltschutzgesetz von 2010 beauftragt die Dienststelle für Umwelt, bei Übertretungen des Umweltschutzgesetzes selber Bussen bis zu 20 000 Franken auszusprechen. Die Verfolgung von Vergehen ist hingegen Sache der Staatsanwaltschaft. Die Dienststelle für Umwelt informiert die Staatsanwaltschaft über verdächtige Fälle und hat in diesen Verfahren Parteirechte. Völlig neu ist diese Praxis nicht: Im Wallis spricht die Umweltbehörde schon länger Bussen aus. Die damaligen Verfahren stützten sich aber auf Verwaltungsrecht ab. Seit dem Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung 2011 hat sich die Rolle der Dienststelle für Umwelt derjenigen der Staatsanwaltschaft angeglichen und orientiert sich strikt am Strafrecht. «Der Vollzug ist nun etwas komplexer» erklärt Joël Rossier, Chef der Dienststelle. «Da nicht allzu viele Fälle auftraten und noch keine gerichtliche Überprüfung stattgefunden hat, ist es aber noch zu früh für eine abschliessende Bilanz.»

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 14.02.2018

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/themen/recht/dossiers/magazin2018-1-dossier/fuer-die-umwelt.html