Grenzüberschreitender Verkehr mit Abfällen: Ein streng überwachtes Geschäft

In der Schweiz ist die Ein- und Ausfuhr von Abfällen strengen Regeln unterworfen. Während das BAFU den Exporteuren die nötigen Bewilligungen erteilt, kontrolliert der Zoll, ob die Regeln eingehalten werden. «die umwelt» war bei einem Spezialeinsatz des Zollinspektorats Genève-Routes vor Ort.

Text: Cornélia Mühlberger de Preux

Zoll Scanner
Mit dem mobilen Scanner lassen sich versteckte Waren nicht nur in der Ladung identifizieren, sondern auch in Strukturen, Kabinen und Türen.
© Michael Würtenberg/Ex-Press/BAFU

Donnerstag, 24. August 2017, 7.30 Uhr, Zoll von Bardonnex (GE). Die rund 30 Beamten, die am heutigen Einsatz beteiligt sind, verteilen sich auf die verschiedenen Zonen für die Kontrolle der Aus-, Ein- und Durchfuhr von Abfällen. Zuvor haben sie die Anweisungen des Einsatzleiters Stéphane Ulrich entgegengenommen. Sie sollen gezielte Kontrollen durchführen, um verbotene oder ungenau deklarierte Abfälle aufzudecken. Zur Stelle sind Zollbeamte, Spezialisten der kantonalen Fachstelle für Geologie, Boden und Abfall (GESDEC) und zwei BAFU-Mitarbeitende. Rund 1000 Lastwagen passieren täglich den Zoll von Bardonnex. Ein Grossteil davon hat verschiedene Handelswaren geladen, darunter Abfälle wie Altreifen, Aushubmaterial, Metallschrott, elektrische oder elektronische Geräte. «Es gilt zu prüfen, ob die Transporteure auch über die nötigen Bewilligungen verfügen und ob die Ware tatsächlich mit dem übereinstimmt, was deklariert wurde», erklärt Stéphane Ulrich, Chef der Einsatzzentrale der Zollinspektion Genève-Routes. 

Mobiler Scanner im Einsatz 

Vor uns stehen drei Lastwagen: Der erste exportiert Bleibatterien, der zweite Bauabfälle, der dritte Papier- und Kartonbündel zum Rezyklieren. Alle drei Transporteure haben die formellen Kontrollen bereits erfolgreich absolviert. Jetzt werden die Ladungen den Strahlen des mobilen Scanners ausgesetzt. Dank dieser Spitzentechnologie lassen sich versteckte Waren entdecken, und zwar nicht nur in der eigentlichen Ladung, sondern auch in Strukturen, Kabinen und Türen. Das System hilft zudem, die Grenzkontrollzeit auf ein Minimum zu beschränken. Im unteren Teil einer mit Bleibatterien geladenen Mulde zeigt der Scanner eine kompakte, schwierig zu identifizierende Form an. Die Zöllner beschliessen, diese Ladung näher zu untersuchen. Doch es handelt sich um eine korrekt deklarierte Ware. Auch bei der zweiten Ladung ist alles in Ordnung. Der Lastwagen mit Papier und Karton hingegen weist ein Sicherheitsproblem auf, das der Scanner zutage gebracht hat: Die Bündel sind überhaupt nicht gesichert. Nun muss sich der Chauffeur darum kümmern, bevor er weiterfahren kann. 

Entsorgung muss bekannt sein 

Geregelt wird der Verkehr mit Abfällen zwischen Ländern durch das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung und durch einen OECD-Ratsbeschluss sowie durch das Umweltschutzgesetz (USG) und die Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA). Gemäss diesen Regelungen erfordert der grenzüberschreitende Verkehr mit kontrollpflichtigen Abfällen das vorgängige Einverständnis der betroffenen Staaten. Um eine Bewilligung für den Import oder Export von Abfällen zu bekommen, muss der Gesuchsteller dem BAFU den Nachweis erbringen, dass der Entsorgungsweg bekannt ist, dass die Entsorgung umweltverträglich ist und dass sie dem neusten Stand der Technik entspricht. «Es geht darum, zu gewährleisten, dass die Abfälle hier in der Schweiz wie auch im Ausland umweltverträglich entsorgt werden», erklärt Simonne Rufener von der BAFU-Sektion Industrieabfälle, die an der Operation in Bardonnex beteiligt ist. Die Identifizierung der Materialien sei manchmal komplex, räumt die Fachfrau ein.

Das Gesetz definiere über 800 Abfälle, die in verschiedenen Listen für den grenzüberschreitenden Verkehr aufgeführt sind. Zudem müsse klar unterschieden werden zwischen Gebrauchtwaren und Abfällen. Als Gebrauchtwaren gelten funktionstüchtige, für den Gebrauch zugelassene und gemäss ihrem ursprünglichen Zweck verwendete Waren. Der Gebrauchtwarenmarkt kann aber auch dazu missbraucht werden, Abfälle unter dem Deckmantel «Gebrauchtware» und unter Umgehung der Abfallvorschriften zu exportieren. Manchmal wird eine Gebrauchtware auch aufgrund mangelnder Verpa­ckung beim Transport beschädigt – und wird so zu Abfall. Die Behörden prüfen deshalb auch, ob Beschädigungen in Kauf genommen werden. Die in der Schweiz geltenden Regelungen und die Vorschriften der EU sind nicht immer deckungsgleich. Bei gewissen Abfällen wie zum Beispiel Altreifen erweist sich die Schweiz als etwas strenger.

Für den grenzüberschreitenden Verkehr mit Altreifen braucht es hierzulande eine Bewilligung, während in der EU ein einfacheres Verfahren angewandt wird. 

Zollfahnder
Ein Zollfahnder kontrolliert während der Operation «Déchêts» in Genf, ob das Abfallmaterial mit der Ausfuhrbewilligung übereinstimmt.
© Michael Würtenberg/Ex-Press/BAFU

Ohne Dokumente keine Ausfuhr 

Am frühen Nachmittag geht die Operation an der Genfer Zollstelle Thônex-Vallard weiter, wo pro Tag über 200 Lastwagen durchfahren.

Zwischen 14 und 15 Uhr kontrolliert das Team acht Lastzüge, die hauptsächlich Aushubmaterial transportieren. Es prüft die von den Transporteuren vorgelegten Bewilligungen, führt bei den Lkw-Fah­rern polizeiliche Kontrollen durch (Identitätsprüfung, Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, Atemtest) und prüft den Allgemeinzustand des Fahrzeugs und der Ladung (Kontrolle von Ladegewicht, Ladungsmenge, Ladungssicherung usw.). Und plötzlich zieht ein offener Laster mit Mischabbruch die Aufmerksamkeit der Kontrolleure auf sich: Dem Transporteur fehlt der entsprechende Begleitschein. Simonne Rufener wendet sich per Telefon an die Zentrale in Bern und schildert den Fall. Die Antwort folgt auf der Stelle: Der Transporteur muss das nötige Dokument vorlegen, bevor er sein Material nach Frankreich verfrachten darf. Bei Problemen kann das BAFU eine Ladung zurückweisen und den betreffenden Kanton damit beauftragen, eine umweltgerechte Sortierung und Entsorgung zu organisieren. 

Jährlich meldet der Zoll 250 Verdachtsfälle 

Es gibt an diesem 24. August 2017 an den Genfer Zollstellen keinen schweren Regelverstoss zu vermelden. «Dass praktisch alle überprüften Lastwagen in Ordnung sind, ist ein positives Zeichen», sagt Simonne Rufener. «Das System ist etabliert und funktioniert gut.»

Dennoch werden dem BAFU rund 250 Unregelmässigkeiten pro Jahr gemeldet. Etwa die Hälfte davon wird von der Abteilung Abfall und Rohstoffe des BAFU als «illegal» taxiert und zurückgewiesen. Illegale Exporte betreffen insbesondere die Ausfuhr von Kühlgeräten mit verbotenen Kältemitteln, elektrische oder elektronische Geräte, Holzabfälle sowie Altmetall, das mit andern Abfällen vermischt wurde. Diese Materialien werden hauptsächlich in osteuropäische Länder sowie in den Mittleren Osten und nach Afrika exportiert. In den letzten Jahren wurde das strafrechtliche Dispositiv verstärkt.

Das BAFU reicht nun systematisch Strafanzeige ein, wenn genügend Beweise für ein Delikt vorliegen. 80 Strafanzeigen kamen allein 2016 zusammen.

Die Sanktionen variierten je nach Schwere des Delikts. Zum Schluss bekräftigt Simonne Rufener: «Die Wachsamkeit darf keinesfalls nachlassen.» Dieser Meinung ist auch Stéphane Ulrich, der mit seinem Team an der Genfer Landesgrenze weiterhin Tag für Tag die Lastwagen kontrolliert. 

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Letzte Änderung 11.04.2018

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