Strafverfolgung: Oft werden Umweltdelikte fahrlässig begangen

Der Staatsanwalt und Experte für Umweltstrafrecht Guy Krayenbühl erklärt, wie die Staatsanwaltschaft Kanton Zürich bei einem Umweltdelikt ermittelt, welche Fälle sie am stärksten beschäftigen und wie man die Rechte der Umwelt in Prozessverfahren stärken könnte.

Interview: Nicolas Gattlen

Guy Krayenbühl
Guy Krayenbühl arbeitet als Staatsanwalt in der Abteilung «Besondere Untersuchugen» des Kantons Zürich. Er hat seit 2010 die Federführung im Bereich Umweltstrafrecht bei der Staatsanwaltschaft Kanton Zürich inne und unterrichtete in diesem Bereich an der Staatsanwaltsakademie der Universität Luzern.
© Flurin Bertschinger/Ex-Press/BAFU

Herr Krayenbühl, Sie haben die Federführung im Bereich Umweltstrafrecht bei der Staatsanwaltschaft Kanton Zürich inne. Sind Sie also für sämtliche Fälle aus diesem Bereich verantwortlich?
Guy Krayenbühl: Nein, die Untersuchungen im Bereich Umweltstrafrecht werden von allen Staatsan­wältinnen und Staatsanwälten im Kanton Zürich geführt. Meine Aufgabe ist es, diese, wo nötig, zu unterstützen. Ferner pflege ich einen engen Kontakt zu unseren kantonalen Partnern, insbesondere zum Kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) sowie zu den spezialisierten Polizeibeamten. Und ich stehe im Austausch mit Umweltbehörden in anderen Kantonen und beim Bund.

Das Umweltstrafrecht ist sehr komplex, umfangreich und in vielen Bundesgesetzen geregelt. Kaum ein Staatsanwalt dürfte sich während seines Studiums beispielsweise mit dem Gewässerschutzgesetz beschäftigt haben. Wie geht er vor, wenn nun ein entsprechender Fall auf seinem Tisch liegt?
Im Kanton Zürich haben wir die komfortable Ausgangslage, dass alle drei grossen Polizeikorps über spezialisierte Fachkräfte verfügen, mit welchen die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eng zusammenarbeiten. Aber auch innerhalb der Staatsanwaltschaft Kanton Zürich haben wir in den letzten Jahren viel Know-how gesammelt, das von den Mitarbeitenden jederzeit abgerufen werden kann.

Dennoch fällt auf, dass die Zürcher Staatsanwälte bisweilen sehr unterschiedliche Strafen für vergleichbare Tatbestände im Bereich des Umweltstrafrechts aussprechen oder beantragen.
Dies haben wir auch erkannt. Bei Vergehen gegen das Gewässerschutzgesetz beispielsweise hat deshalb die Staatsanwaltschaft Kanton Zürich zusammen mit dem AWEL und den spezialisierten Polizeikräften Strafmassempfehlungen erarbeitet, die seit ein paar Jahren in Kraft sind. Das hat im Gewässerschutzbereich zu einer Harmonisierung der ausgesprochenen Strafen geführt.

Eine Auswertung der kantonalen Strafentscheide durch das BAFU zeigt, dass der Strafrahmen bei Umweltdelikten meist bei Weitem nicht ausgenutzt wird. Offenbar werden Umweltdelikte immer noch bagatellisiert.
Man kann anhand solcher Zahlen nicht auf die Gesinnung der Strafverfolgungsbehörden schliessen. Die im Gesetz festgelegten Strafobergrenzen werden auch bei anderen Straftaten nur selten ausgenutzt. Zum Beispiel beträgt die Höchststrafe für einen
Diebstahl 5 Jahre Freiheitsstrafe, doch ein einfacher Ladendieb wird wohl nie zu so einer Strafe verurteilt. Die Höhe der Strafe richtet sich immer nach dem Verschulden des Täters.

Welche Art von Umweltdelikten beschäftigt die Staats­­anwaltschaft Kanton Zürich besonders stark?
Am häufigsten führen wir Untersuchungen wegen Vergehen gegen das Gewässerschutz- und das Umweltschutzgesetz. Gewässerverschmutzungen ereignen sich zum Beispiel auf Baustellen, wenn beim Betonieren Abwässer falsch abgeleitet werden. Oder in der Landwirtschaft, wenn Gülle und Mist während der Vegetationsruhe im Winter ausgebracht werden. Aber auch im Privatbereich, wenn beispielsweise jemand sein Wasser aus dem Swimmingpool fälschlicherweise über einen Meteorschacht ab-pumpt, wodurch das Wasser in einen Bach gelangt und es zu einem Fischsterben kommt.

Werden diese Delikte vorsätzlich oder fahrlässig begangen?
Oft werden sie fahrlässig, das heisst unter Missachtung von Sorgfaltspflichten, begangen. Aber selbstverständlich gibt es auch Täter, die vorsätzlich, mit Wissen und Willen, handeln.

Haben Sie ein Beispiel?
Da gibt es etwa Unternehmen, die Abfälle falsch deklariert haben, um Kosten bei der Entsorgung einzusparen. Solche Fälle sind bei uns aber nicht an der Tagesordnung.

Wer erstattet in der Regel Anzeige?
Die meisten Anzeigen im Umweltbereich werden von aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern erstattet. Die Sensibilität für die Umwelt hat bei der Bevölkerung stark zugenommen, das ist auch bei den Anzeigen zu spüren.

Vor Zürcher Gerichten ist die Umwelt aber schlecht vertreten. Das AWEL hat – anders als etwa das Umweltamt im Kanton St. Gallen – keine vollen Parteirechte. Braucht die Umwelt nicht eine bessere Vertretung in Strafverfahren?
Ich würde es begrüssen, wenn man dem AWEL volle Parteirechte einräumte, so wie sie das Zürcher Veterinäramt beim Tierschutzgesetz hat. Dann dürfte das Amt unter anderem an den Einvernahmen teilnehmen, Beweisanträge stellen und Einsprachen erheben. Derzeit kann es nur in denjenigen Verfahren eine Beschwerde gegen Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügungen erheben, die es selbst zur Anzeige gebracht hat. Mit der Vergabe der vollen Parteirechte an die kantonalen Umweltbehörden, so bin ich überzeugt, würden die Rechte der Umwelt gestärkt und noch besser geschützt.

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Letzte Änderung 14.02.2018

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