Mit Blick in die Zukunft: Partner unterzeichnen zweite Gemeinsame Erklärung für mehr Sicherheit bei Chlortransporten

Die Risiken beim Transport von Chlor auf der Schiene wollen SBB, Wirtschaft und Behörden auch in Zukunft gemeinsam unter Kontrolle behalten. Unter der Federführung des BAFU und unter Einbezug der vier meistbetroffenen Kantone Genf, Waadt, Wallis und Basel Stadt, wurden in der Zweiten Gemeinsamen Erklärung (GE II) Ziele für die Risikosenkung und zugehörige Massnahmen vereinbart. Sie sollen die Sicherheit bei Chlortransporten erhöhen und langfristig gewährleisten. Die Erklärung definiert, wie weit das Risiko sinken soll. Sie hält ein Paket von schon laufenden und noch zu ergreifenden Sicherheitsmassnahmen fest. Weitere Möglichkeiten und Massnahmen zur zusätzlichen Senkung der Risiken sollen in den kommenden Jahren geprüft werden. Für Josef Hess, den zuständigen Vize-Direktor beim BAFU, ist die GE II ein Meilenstein für mehr Sicherheit.

Josef Hess
Josef Hess, Vizedirektor BAFU

Josef Hess, welchen Stellenwert hat diese Gemeinsame Erklärung?

Diese Vereinbarung hat einen grossen Stellenwert, und sie ist ein gutes Beispiel für schweizerische Umweltpolitik: auf die Zukunft ausgerichtet, partizipativ und innovativ. Die Risiken bei Chlortransporten am Genferseebogen steigen aufgrund der zunehmenden Bevölkerungsdichte. Zudem werden die Risiken strenger beurteilt. In dieser Situation sind alle Beteiligten zum Schluss gekommen, dass etwas getan werden muss. Die betroffenen Organisationen und Ämter haben das BAFU mit der Federführung betraut und im Januar 2015 die gemeinsamen Arbeiten gestartet. Wichtig ist, dass die Partner die vorliegende Lösung für mehr Sicherheit gemeinsam entwickelt haben. Mit der Unterzeichnung der zweiten Gemeinsamen Erklärung im September 2016 haben wir ein weiteres wichtiges Etappenziel erreicht. Eine erste Etappe waren die Massnahmen der Gemeinsame Erklärung I von 2002, die bis Ende 2011 erfolgreich umgesetzt wurden.

Wer genau war an der Ausarbeitung der Gemeinsamen Erklärung beteiligt?

Zentrale Partner im Projekt sind scienceindustries, also der Verband der chemischen Industrie, der auch die grossen Chlorbezüger repräsentiert, dann die SBB, welche die Transporte durchführt, und der VAP, der Verband der Hersteller und Vermieter der verwendeten Kesselwagen. Weiterer Partner ist natürlich das Bundesamt für Verkehr BAV, das für den Vollzug der Störfallverordnung StFV bei den Bahnen zuständig ist. Schliesslich haben die am stärksten von den Risiken der Chlortransporte betroffenen Kantone Genf, Waadt, Wallis und Basel Stadt die Ausarbeitung der Erklärung begleitet.

Was sind die wichtigsten Massnahmen der neuen Gemeinsamen Erklärung?

Das sind einerseits die bereits Ende 2015 von den SBB eingeleiteten Massnahmen. Dazu gehören langsamer fahrende Güterzüge mit Chlorkesselwagen in den Agglomerationen Genf und Lausanne. Damit wird das Risiko einer Entgleisung mit anschliessender Freisetzung des Chlorgases deutlich reduziert. Sehr wirkungsvoll ist auch die betriebliche Umstellung für den Lokomotivwechsel nach dem Grenzübertritt, so dass nicht mehr der Güterbahnhof La Praille – ein Sackbahnhof – angefahren werden muss. So rasch als möglich, spätestens aber ab dem 1. Januar 2019, umgesetzt wird die Massnahme, dass für die Transporte nur noch die besten verfügbaren Wagen eingesetzt werden, also Kesselwagen, welche besser sind, als es die aktuellen internationalen Sicherheitsvorschriften verlangen.

Foto: Zugentgleisung
Zugentgleisung bei Ledsgård (Schweden) mit 40 km/h, bei der es dank verbesserter Kesselwagen zu keiner Freisetzung von Chlor kam. In der Schweiz haben die Beteiligten die Verwendung solcher Kesselwagen 2003 beschlossen. Technisch haben sich diese Wagen in der Zwischenzeit bereits weiter entwickelt.
© Magnus Levein, Swedish Civil Contingencies Agency

Und welche weiteren Massnahmen wurden ausserdem vereinbart?

Wichtig ist auch, dass klare Zielvorgaben für die bis Ende 2018 zu erreichende Risikosenkung vereinbart wurden und diese Bestrebungen auch nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt werden. So können die Massnahmen flexibel auf die sich zum Teil rasch ändernden Rahmenbedingungen abgestimmt werden. Die Industrie verpflichtet sich in der Erklärung zu prüfen, wie sie im Ausland Chlor auf kürzeren Routen durch weniger besiedeltes Gebiet beziehen könnte. Das BAV prüft zusammen mit der SBB, ob in der Schweiz Chlor nur noch mit Sonderzügen und reduzierter Geschwindigkeit befördert werden kann. Auch Transportbeschränkungen für kritische Strecken sollen vorbereitet und wenn nötig erlassen werden, d.h. wenn das vereinbarte Ziel der Risikosenkung nicht erreicht wird.
In einem weiteren Schritt werden mittelfristige Massnahmen definiert. Zu diesem Zweck erstellen die Partner bis Ende 2018 eine gemeinsame Roadmap für die Zeit bis 2025. Zur Diskussion stehen unter anderem die Entwicklung von völlig neuen Kesselwagen oder die Schaffung günstiger Voraussetzungen für die Produktion von Chlorgas in einer neuen Anlage in der Nähe der Grossverbraucher.

Und wieso wird das Chlor nicht einfach vor Ort produziert?

Auch diese Möglichkeit wurde eingehend geprüft. Es zeigte sich, dass die Produktion vor Ort bei dem - im europäischen Vergleich - geringen Bedarf an Chlor und den Produktionsbedingungen in der Schweiz hohe Kosten und einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil für die Industrie zur Folge hätte. Die Voraussetzungen für eine solche Produktion könnten sich mit der Zeit aber ändern. Dieser Aspekt wird in der Roadmap geprüft. Weiter zeigte sich, dass die Produktion vor Ort zwar den Umfang der Chlorimporte deutlich senken würde, aber während der jährlichen Revisionsphase einer Anlage dennoch Transporte nötig wären. Eine deutliche Risikosenkung lässt sich auch mit anderen, günstigeren und einfacheren Massnahmen erreichen.

Wer kontrolliert das Risiko, das mit diesen Transporten einher geht?

Seitens der Vollzugsbehörde, dem Bundesamt für Verkehr BAV, wird mit einer quantitativen Methode, das Risiko aus sämtlichen Gefahrguttransporten regelmässig erfasst und beurteilt (s. Screening Personenrisiken 2014), so auch der Chlortransporte. Diese Methode wurde mit dem BAFU, den Bahnen und Kantonsvertretern zusammen entwickelt. Die Resultate liefern auch wichtige Hinweise für raumplanerische Entscheide der Kantone. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz übrigens mit der Anwendung dieser Methode zum Umgang mit den Transportrisiken zusammen mit den Niederlanden zu den Pionierinnen. Die Unterzeichnenden der GE II haben sich zusätzlich zur jährlichen, spezifischen Erfassung und Beurteilung der Risiken infolge der Chlortransporte verpflichtet. Sie tun dies im Rahmen eines Monitorings. Damit wird der Erfolg der Sicherheitsmassnahmen gemessen und es werden, wenn nötig, Korrekturen vereinbart. Die betroffenen Kantone werden dabei einbezogen. Zudem prüft das BAV regelmässig vor Ort, ob die gesetzlichen Vorschriften und die gemeinsam vereinbarten Massnahmen eingehalten werden

 

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Letzte Änderung 19.09.2016

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