Phosphorverwertung: Recyclingdünger aus Kläranlagen

In Kläranlagen und Verwertungsbetrieben für Schlachtabfälle und Tierkadaver entstehen grosse Mengen an Rückständen, die viel Phosphor enthalten. Ab 2026 muss der wertvolle Pflanzennährstoff rezykliert werden. Derzeit laufen Praxistests verschiedener Verfahren zur Rückgewinnung des Phosphors.

Text: Stefan Hartmann

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Ab 2026 muss Phosphor aus Abwasser, Klärschlamm oder Klärschlammasche zurückgewonnen und als Dünger stofflich verwertet werden.
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Beim Phosphorrecycling nimmt die Schweiz weltweit eine Vorreiterrolle ein. «Das Interesse an unserem Vorgehen ist im Ausland sehr gross», erklärt Kaarina Schenk von der Abteilung Abfall und Rohstoffe beim BAFU.

Damit der Nährstoff aus Kläranlagen nicht verloren geht, brachten die Bauern den Klärschlamm in der Schweiz während Jahrzehnten auf ihren Wiesen und Feldern aus. Doch aufgrund der Verunreinigung mit problematischen Schwermetallen, organischen Schadstoffen und Krankheitserregern haben die Umweltbehörden dessen Einsatz ab 2003 schrittweise verboten. Seit 2006 wird hierzulande deshalb sämtlicher Klärschlamm verbrannt. Von den schweizweit jährlich anfallenden rund 200 000 Tonnen landen 64 Prozent in speziellen Schlammverbrennungsanlagen, 14 Prozent in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVAs) und die restlichen 22 Prozent in Zementöfen.

Dem Kreislauf entzogen

2018 haben 5 Zementwerke im Inland insgesamt 46 000 Tonnen Klärschlamm thermisch genutzt und die verbleibende Asche im Zement eingebunden. «Die Verwertung des erneuerbaren Brennstoffs ist für uns sehr attraktiv, weil wir so die Vorgaben zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen einhalten können», sagt Stefan Vannoni vom Verband der Schweizerischen Zementindustrie (Cemsuisse). Allerdings lässt sich der Phosphor dadurch nicht mehr als Nährstoff nutzen, weil er im Bauwerk eingelagert wird. Doch auch bei der Beseitigung des Klärschlamms in Schlamm­verbrennungsanlagen und KVAs geht die wertvolle Substanz bis heute verloren, weil sie mit der Asche – beziehungsweise der Schlacke – auf Deponien landet. Die bisherigen Entsorgungswege sind insofern nicht nachhaltig, als der wichtige Nährstoff Phosphor der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung steht.

Phosphor ist ein lebenswichtiges Ele­ment und gehört zusammen mit Stickstoff und Kalium zu den wichtigsten Bestandteilen der Körperzellen und Knochen. Zudem ist die menschliche DNA – als Trägerin der Erbinforma­tion – ebenfalls aus Phosphorsäure aufgebaut. Auch das Pflanzenwachstum basiert auf Phosphor. So benötigt etwa ein Weizenfeld von 1 Hektare pro Saison 60 Kilogramm dieses Nährstoffs. In der Landwirtschaft ist Phosphor somit ein Hauptbestandteil aller Dünger­produkte.

Abfallverordnung schafft Klarheit

In den schweizweit 783 Kläranlagen fallen pro Jahr rund 5700 Tonnen Phosphor an, die man zurückgewinnen könnte. Damit wäre die einheimische Landwirtschaft in der Lage, ihren Bedarf am wertvollen Mineralstoff aus hiesigen Quellen zu decken, ohne Mineraldünger mit problematischer Herkunft importieren zu müssen. Zudem liesse sich mit dem Phosphorrecycling ein Stoffkreislauf schliessen. Genau dies verlangt die seit 2016 rechtskräftige Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA). Ihr Artikel 15 sieht vor, dass Phosphor ab dem Jahr 2026 – also nach einer zehnjährigen Übergangsfrist – aus dem Abwasser, dem Klärschlamm oder der Klärschlammasche zurückgewonnen und stofflich verwertet werden muss. Im Juni 2019 gab das BAFU eine Vollzugshilfe in die Konsultation, die unter anderem Rückgewinnungsquoten für das Phosphorrecycling definiert. Gefordert wird in diesem Entwurf ein minimaler Verwertungsanteil von 45 Prozent für kommunales Abwasser, von 80 Prozent für die Asche des thermisch behandelten Klärschlamms und von 100 Prozent für Tier- und Knochenmehl.

«Wir sind gut auf Kurs»

«Die Umsetzung von Artikel 15 der VVEA bis zum Jahr 2026 ist zwar ein sportliches Ziel, doch wir sind gut auf Kurs», sagt Kaarina Schenk vom BAFU. Zunächst ging es darum, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen. Dazu wurde im Dezember 2018 unter Vermittlung des BAFU das Projekt Swiss Phosphor ins Leben gerufen, in dem alle relevanten Kreise vertreten sind. Es umfasst den Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA), den Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA), das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), das BAFU, den Düngemittelverband Agricura, Cemsuisse sowie kantonale Amtsstellen. Unter dem Vorsitz des VSA fand im Januar 2019 die erste Sitzung statt, wobei das Ziel von Swiss Phosphor darin besteht, einen regelmässigen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu pflegen.

Bis Ende 2020 will das Gremium eine Entscheidungsgrundlage für die kantonalen Vollzugsbehörden zur Koordination der Aktivitäten bei der Umsetzung von Artikel 15 VVEA erarbeiten. So gilt es zum Beispiel, den inländischen Phosphormarkt auf die beachtlichen Mengen der aus Kläranlagen und Schlachtabfallbetrieben stammenden Nährstoffe abzustimmen, damit keine Überkapazitäten entstehen. Zusätzlich zum Klärschlamm aus ARAs fallen noch ungefähr 3700 Tonnen Phosphor in Form von Knochenmehl der Schlachttiere an. Verglichen mit dem Klärschlamm, weisen die tierischen Nebenprodukte hohe Phosphorkonzentrationen und sehr geringe Verunreinigungen mit Schwer­metallen auf. Entsprechend lässt sich der Phosphor in Tierknochen technisch relativ einfach für die Düngergewinnung verwerten.

Dem Bodenschutz Rechnung tragen

Eine wichtige Rolle spielen die Kantone. Sie sollen jährlich Bericht zum Phosphorrecycling der ARAs auf ihrem Gebiet erstatten und die Einhaltung der Grenzwerte überprüfen. Zu den bedeutenden Akteuren gehören aber auch die Bauern, denn vor allem Ackerbaubetriebe ohne Tierhaltung sind auf den Zukauf von Phosphor angewiesen. Christian Kopp vom Schweizer Düngerverband Agricura erwartet, dass die Landwirtschaft als künftige Abnehmerin des Produkts eng in den Prozess eingebunden wird. Wünschenswert sei ein sauberer Recyclingdünger, der die Anforderungen der Grenzwerte erfüllt. Er zeigt sich denn auch erfreut angesichts der klar ge­ringeren Cadmiumkonzentrationen im Vergleich zum importierten Mineral­dünger. Gleichzeitig bedauert er jedoch, dass der Schweizer Phosphor aus Kläranlagen immer noch Schwermetalle wie Kupfer enthält. Gemäss BAFU soll der rezyklierte Phosphordünger so weit von Schwermetallen befreit werden, dass er den Grenzwerten der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) entspricht und den Belangen des Bodenschutzes ausreichend Rechnung trägt.

Hohe Phosphorausbeute als Ziel

Für die Phosphorrückgewinnung aus Abwasser, Klärschlamm oder Klärschlammasche gibt es diverse Verfahren, die derzeit entwickelt werden. Das Recycling erfordert Technologien im industriellen Massstab, wie man sie in der Schweiz seit 2011 in mehreren Anlagen mit verschiedenen Verfahren testet. So gewinnen etwa die Kläranlagen in Altenrhein (SG) und Oftringen (AG) den Phosphor thermochemisch aus dem Klärschlamm, was zwar – verglichen mit anderen Methoden – wirtschaftlich interessanter, aber dennoch nicht kostendeckend ist. In Bazenheid (SG) und Monthey (VS) entfernt man den Phosphor mit einem relativ aufwendigen nass-chemischen Verfahren aus der Klärschlammasche. Zudem wird in Bazenheid eine Methode zur Gewinnung von Phosphor aus Klärschlamm und Tiermehl mittels Phosphorsäure getestet. Auch in Hinwil (ZH) arbeitet die Stiftung Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung (ZAR) an einem Verfahren zum Recycling des Phosphors in der Klärschlammasche.

Besonders interessant ist eine Methode, die nach einem deutschen Lizenzverfahren versuchsweise in der ARA Region Bern AG zum Einsatz kommen soll. Bei dieser einfachen und kostengünstigen Variante eines nass-chemischen Verfahrens wird der Phosphor im Klärschlamm unter Zugabe von Kohlendioxid ausgefällt. Dank technischen Verbesserungen ist es in kurzer Zeit gelungen, die Phosphorausbeute auf bis zu 90 Prozent zu steigern. Ob dies in Bern ebenfalls möglich ist, wird die Pilotanlage zeigen. Es ist dies einer der potenziellen Königswege, um die in der VVEA festgelegten Recyclingziele bis 2026 zu erreichen.

5 Franken pro Einwohner

Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein fundierter Verfahrensentscheid noch nicht möglich. Mit Bestimmtheit lässt sich jedoch feststellen, dass der im Inland zurückgewonnene Phosphor aus ökologischer und sozialer Sicht deutlich vorteilhafter ist als der Abbau von mineralischem Rohphosphat, wie er beispielsweise im wichtigsten Herkunftsland Marokko unter prekären Umweltbedingungen erfolgt (siehe Box). Eine detaillierte volkswirtschaftliche Betrachtung des Phosphorrecyclings in der Schweiz liegt aufgrund fehlender Datengrundlagen noch nicht vor. «Das Recycling von Phosphor ist nicht zuletzt auch eine Chance für die hiesige Wirtschaft, weil sie von den Technologieentwicklungen profitiert», sagt Kaarina Schenk. Fachleute veranschlagen die Kosten der Phosphorrückgewinnung auf 5 Franken pro Einwohner und Jahr. Dies entspricht 40 Millionen Franken, wobei Erlöse aus dem Verkauf zurückfliessen. Heute gibt die Schweizer Landwirtschaft für die Importe von mineralischem Phosphor aus dem Ausland etwa gleich viel aus.

Belastete Mineraldünger-Importe

Gegenwärtig führt die Schweiz jedes Jahr eine Nettomenge von knapp 15 000 Tonnen Phosphor ein. Davon gelangen
4200 Tonnen als Mineraldünger in unser Land, 6200 Tonnen als Tierfutter und 2600 Tonnen in Form von Lebensmitteln. Der importierte Dünger ist aus zwei Gründen problematisch:

  • Einerseits enthält er die Schwermetalle Cadmium und Uran, die die Ackerböden massiv belasten, was sich negativ auf Umwelt, Menschen und Tiere auswirkt.
  • Andererseits stammen die Einfuhren grösstenteils aus Ländern mit ungenügenden Vorschriften zum Schutz der Umwelt und der Beschäftigten, sodass die Rohstoffgewinnung zu hohen Belastungen führt. Diese Importabhängigkeit gibt Anlass zur Sorge, zumal der im Inland eingesetzte Mineraldünger zu 70 Prozent aus Marokko stammt.

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Letzte Änderung 04.12.2019

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