Definition Siedlungsabfälle

Die neue Definition ist eine Folge der Umsetzung der Motion Fluri, gemäss welcher die Siedlungsabfallentsorgung einer Teilliberalisierung unterzogen werden sollte. Haushaltsähnliche Abfälle aus Unternehmen mit weniger als 250 Vollzeitstellen sollen weiterhin dem Entsorgungsmonopol des Gemeinwesens unterliegen, während Unternehmen mit 250 oder mehr Vollzeitstellen ab dem 1. Januar 2019 aus dem Entsorgungsmonopol befreit sind.

Ab 1. Januar 2019 gelten nach Art. 3 Bst. a VVEA als «Siedlungsabfälle»:

  • Abfälle, die aus Haushalten stammen;
  • Abfälle, die aus Unternehmen mit weniger als 250 Vollzeitstellen stammen und deren Zusammensetzung betreffend Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse mit Abfällen aus Haushalten vergleichbar sind. 

Die Motion Fluri behandelte das Thema von Abfällen aus öffentlichen Verwaltungen nicht, dementsprechend werden sie auch in der VVEA nicht erwähnt. Für haushaltsähnliche Abfälle aus öffentlichen Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden verändert sich gegenüber der früheren Praxis somit auch nichts. Diese Abfälle fallen weiterhin in das Entsorgungsmonopol des Gemeinwesens, unabhängig von der Anzahl Vollzeitstellen (vgl. Erläuterungen zu öffentlichen Verwaltungen).



1. Siedlungsabfälle aus Haushalten

Alle aus Haushalten stammenden Abfälle sind Siedlungsabfälle. Im Einzelnen ist aufgrund ihrer Zusammensetzung zu unterscheiden zwischen:

  • Kehricht (inkl. Sperrgut):
    für die Verbrennung bestimmte, nicht stofflich verwertbare, gemischte Abfälle

  • Separat gesammelte Abfälle:
    für die stoffliche Verwertung vorgesehene separat gesammelte Abfälle (z. B. Glas, Papier, Karton, Metalle, Textilien, Grünabfälle, PET-Getränkeflaschen, elektrische und elektronische Geräte)

  • Sonderabfälle und andere kontrollpflichtige Abfälle:
    Abfälle, deren umweltverträgliche Entsorgung aufgrund ihrer Zusammensetzung, ihrer chemisch-physikalischen oder ihrer biologischen Eigenschaften auch im Inlandverkehr umfassende bzw. beschränkte besondere technische und organisatorische Massnahmen erfordert (Batterien oder Speiseöl als Beispiele für Sonderabfälle und Altholz für andere kontrollpflichtige Abfälle).

Zu den Siedlungsabfällen zählen schliesslich auch die nicht brennbaren Abfälle aus Haushalten, wie z. B. Gartenplatten, Dachziegel oder Blumentöpfe.


2. Siedlungsabfälle aus Unternehmen

Abfälle aus Unternehmen sind als Siedlungsabfälle einzustufen, wenn das Unternehmen weniger als 250 Vollzeitstellen aufweist und die Zusammensetzung der Abfälle betreffend Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse mit Abfällen aus Haushalten vergleichbar ist. In Unternehmen mit 250 oder mehr Vollzeitstellen fallen rechtlich gesehen keine Siedlungsabfälle an, unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Alle in diesen Unternehmen anfallenden Abfälle sind als «übrige Abfälle» bzw. als Betriebs-, Gewerbe- oder Industrieabfälle, wie sie in der Praxis genannt werden, zu qualifizieren und müssen vom Inhaber entsorgt werden (Art. 31c Abs. 1 USG).

Erläuterungen zu Unternehmen und Vollzeitstellen

Als Unternehmen gelten eine rechtliche Einheit mit einer eigenen Unternehmens-Identifikationsnummer (UID) oder solche in einem Konzern zusammengeschlossenen Einheiten mit einem gemeinsam organisierten Abfallentsorgungssystem (Art. 3 Bst. b VVEA).  

Als rechtliche Einheiten gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts sowie natürliche Personen. Der Begriff des Unternehmens nach dem Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) umfasst sowohl Unternehmen im engeren Sinn als auch Einheiten (z. B. Vereine, Stiftungen), die aufgrund ihrer Tätigkeit mit der öffentlichen Verwaltung in Kontakt stehen (z. B. Eintragung ins Handelsregister, Abrechnung der Mehrwertsteuer, Ausfüllen von Zolldeklarationen, Beantragen von Bewilligungen). Für die öffentliche Verwaltung von Bund, Kantonen und Gemeinden ist der Begriff des Unternehmens nicht anwendbar.

Gemäss der neuen Definition von Siedlungsabfällen ist die Anzahl Vollzeitstellen bei den Unternehmen massgebend für die Abgrenzung von Siedlungsabfall zu «übrigem Abfall». Somit fallen nur in Unternehmen mit weniger als 250 Vollzeitstellen Siedlungsabfälle an, vorausgesetzt die Zusammensetzung betreffend Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse ist mit Haushaltsabfällen vergleichbar. Massgebend ist die Gesamtzahl aller Vollzeitstellen eines Unternehmens und nicht allein die Zahl der Vollzeitstellen einer einzelnen Einheit dieses Unternehmens (z. B. Zweigniederlassung, Filiale oder Betriebseinheit). Denn Unternehmenseinheiten besitzen in der Regel keine eigene UID, da sie einem Unternehmen, also einer übergeordneten rechtlichen Einheit, angehören. Dies ist z. B. der Fall bei Zweigniederlassungen bzw. Filialen von Banken, Versicherungen, Detailhändlern oder Gastronomieketten. Einen Ausnahmefall stellen die im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassungen dar, die eine eigene UID erhalten. Diese sind in der Praxis aber dem übergeordneten Unternehmen zugehörig zu betrachten.

Sind mehrere Unternehmen zu einem Konzern zusammengeschlossen, so gilt bezüglich der Anzahl Vollzeitstellen auch hier die Summe der Vollzeitstellen aller zusammengeschlossenen Unternehmen. Der Begriff Konzern ist im Sinne eines Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen zu verstehen, in denen ein Unternehmen die anderen Unternehmen gemäss Art. 963 Abs. 2 des Obligationenrechts (OR; SR 220) kontrolliert. Sofern für alle Unternehmen eines Konzerns mit insgesamt 250 oder mehr Vollzeitstellen eine gemeinsame Abfallentsorgung angeboten wird, also diese zentral vom Konzern organisiert wird, fällt in der Gesamtheit des Konzerns kein Siedlungsabfall an.

In der Praxis sollen sämtliche Voll- und Teilzeitstellen zu Vollzeitäquivalente umgerechnet und diese Masseinheit für die Abgrenzung verwendet werden. Das online verfügbare eidgenössische Betriebs- und Unternehmensregister (BurWeb) kann von den Kantonen bzw. Gemeinden für Angaben zu UID und Vollzeitäquivalenten herbeigezogen werden. Sollte das Gemeinwesen aufgrund der verfügbaren Daten nicht in der Lage sein, über die Entlassung eines Unternehmens aus dem Entsorgungsmonopol zu entscheiden, obliegt es dem Unternehmen, den Behörden die für den Vollzug erforderlichen Auskünfte zu erteilen, nötigenfalls Abklärungen durchzuführen oder zu dulden (Art. 46 Abs. 1 USG). Insbesondere zu Konzernstrukturen und über die Existenz eines gemeinsam organisierten Abfallentsorgungssystems verfügen die Gemeinden oft nicht über die notwendigen Informationen.

Erläuterungen zu öffentlichen Verwaltungen

Bei den öffentlichen Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden ist die Abgrenzung zwischen Siedlungsabfall und «übrigem Abfall» nur von der Zusammensetzung der Abfälle abhängig, da sie kein Unternehmen im Sinne von Art. 3 Bst. a VVEA darstellen. Somit sind Abfälle aus öffentlichen Verwaltungen, deren Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse mit Haushaltsabfällen vergleichbar sind, als Siedlungsabfälle zu betrachten, unabhängig von der Anzahl Vollzeitstellen.

Einen besonderen Fall stellen die dezentralen Verwaltungsträger dar, im Weiteren «Verwaltungsbetriebe» genannt. Zu verstehen sind darunter insbesondere die selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten (z. B. Universitäten, öffentliche Verkehrsbetriebe, Spitäler, Zweckverbände) oder die sog. spezialgesetzlichen Aktiengesellschaften des Bundes (z. B. Post, SBB) und der Kantone (z. B. Kantonalbanken). Denn im Gegensatz zur öffentlichen Verwaltung handelt es sich hier um Betriebe, die über eine eigene UID, eigenes Vermögen und eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Diese Verwaltungsbetriebe sind oft unternehmensähnlich strukturiert und deshalb auch wie Unternehmen im Sinne von Art. 3 Bst. b VVEA zu behandeln. Folglich sind nur Abfälle aus Verwaltungsbetrieben mit weniger als 250 Vollzeitstellen als Siedlungsabfälle zu betrachten, sofern die Zusammensetzung betreffend Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse mit Haushaltsabfällen vergleichbar ist.

Erläuterungen zur Zusammensetzung der Abfälle

Unternehmen und öffentliche Verwaltungen produzieren entweder Abfälle, die ihrer Kerntätigkeit entspringen, sogenannte betriebsspezifische Abfälle, oder solche, die nicht ihrer Kerntätigkeit entspringen, sogenannte nicht betriebsspezifische Abfälle.

Nicht betriebsspezifische Abfälle sind in ihrer Zusammensetzung betreffend Inhaltsstoffe und Mengenverhältnisse in der Regel mit Abfällen aus Haushalten vergleichbar und somit als Siedlungsabfälle einzustufen, sofern das Unternehmen weniger als 250 Vollzeitstellen aufweist. Grundsätzlich handelt es sich hier um Abfälle, die durch den alltäglichen Konsum der Angestellten anfallen, wie Papierabfälle (z. B. gelesene Zeitungen) aus einem Kosmetikstudio oder Kehricht (z. B. Inhalt des Abfalleimers am Arbeitsplatz) aus einem Ingenieurbüro oder einer öffentlichen Verwaltung. Folglich ist davon auszugehen, dass eine gewisse Menge an Siedlungsabfällen grundsätzlich in allen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen anfällt.

In der Regel sind betriebsspezifische Abfälle (z. B. Bauabfälle, Produktionsabfälle) betreffend Inhaltsstoffe nicht mit Haushaltsabfällen vergleichbar. Diese Abfälle sind keine Siedlungsabfälle, sondern «übrige Abfälle», die vom Inhaber zu entsorgen sind. In der Praxis werden solche Abfälle auch Betriebs-, Gewerbe- oder Industrieabfälle genannt. Als Beispiele sind hier Metallspäne aus metallverarbeitenden Betrieben oder Restholz aus Schreinereien aufzuführen.

In gewissen Fällen, wie z. B. bei Grünabfällen aus Gärtnereien, Kartonabfällen aus dem Detailhandel oder Papierabfällen aus einer öffentlichen Verwaltung, können betriebsspezifische Abfälle mit Haushaltsabfällen vergleichbare Inhaltsstoffe aufweisen. Da diese Abfälle der Kerntätigkeit eines Unternehmens oder einer öffentlichen Verwaltung entspringen, können die Mengenverhältnisse anders geartet sein als in Haushalten. In der Praxis kann die Beurteilung der Mengenverhältnisse für die zuständige Behörde schwierig sein und dürfte einen unverhältnismässig hohen Aufwand verursachen. Demnach wird empfohlen, nur bei bedeutend grossen Mengen, die das Gemeinwesen vor logistische Herausforderungen stellen können (z. B. die Entsorgung von Abfällen, die Zusatzbehälter, Sonderabfuhren oder Spezialfahrzeuge erfordern), die Unternehmen bzw. öffentlichen Verwaltungen zur separaten Sammlung und Verwertung dieser Abfallfraktionen zu verpflichten. Bei Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen, die kleine Mengen an vergleichbaren Abfällen produzieren und diese bisher dem Gemeinwesen übergeben durften, sprechen ökologische Gründe dafür (z. B. Vermeidung von erhöhtem Transportaufkommen und damit verbundenen Emissionen durch vermehrte Transportpartner), diese Abfälle weiterhin durch das Gemeinwesen zu entsorgen.

Soweit haushaltsähnliche Abfälle aus Industrie und Gewerbe sortenrein bereitgestellt werden können (z. B. Glas, Papier, Karton), kann das Gemeinwesen die Unternehmen zur Entsorgung dieser Abfälle verpflichten. Dies besagt der BGE Reinach (BL). Umgekehrt darf der Abfallinhaber aber auch das Recht beanspruchen, solche sortenrein bereitgestellten Abfälle in Eigenverantwortung zu entsorgen. Obwohl die rechtlichen Grundlagen seit dem BGE Reinach (BL) angepasst wurden (Ablösung der TVA durch die VVEA), erweist sich dieser Grundsatz weiterhin als relevant. Die Vorschriften des Bundes, die dem Gemeinwesen ermöglichen, die Entsorgungspflicht entsprechend Art. 31b Abs. 1 Satz 2 USG auf die Inhaber zu übertragen und umgekehrt die Entsorgung durch Dritte zu gestatten, bestehen nämlich weiterhin in Art. 12 f. VVEA.

Entscheidungsbaum für Abgrenzung von Siedlungsabfall und «übrigem Abfall» aus Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen

Die nachfolgende Abbildung zeigt auf, welche Abfälle aus Unternehmen (inkl. Verwaltungsbetrieben) und öffentlichen Verwaltungen im Sinne von Art. 3 Bst. a VVEA und der bestehenden Rechtsprechung als Siedlungsabfälle und welche als «übrige Abfälle» einzustufen sind. Der Entscheidungsbaum dient als Hilfestellung bei der Beurteilung einer einzelnen Abfallfraktion (z. B. Papier). Andere Abfälle desselben Unternehmens bzw. derselben öffentlichen Verwaltung können durchaus weiterhin in das Entsorgungsmonopol des Gemeinwesens fallen (z. B. Kehricht).


(1) Es wird empfohlen, Kehricht inkl. Sperrgut (nicht separat gesammelter haushaltsähnlicher Abfall) als Siedlungsabfall zu betrachten und über das Gemeinwesen zu entsorgen, ausser in denjenigen Fällen, in denen die Mengenverhältnisse stark von üblichem Haushaltskehricht abweichen.

(2) Falls das Gemeinwesen den Abfallinhaber zur eigenverantwortlichen Entsorgung verpflichten will, muss es ihn entsprechend orientieren.

(3) Solange sich der Abfallinhaber beim Gemeinwesen nicht meldet, darf das Gemeinwesen davon ausgehen, dass der Abfallinhaber auf das Recht verzichtet (vgl. BGE Reinach (BL)).

(4) Der Sonderfall «Verwaltungsbetrieb» ist in den Erläuterungen zu öffentlichen Verwaltungen beschrieben.


Die hier aufgeführten Präzisierungen zur Definition Siedlungsabfälle entstammen der Vollzugshilfe «Finanzierung der Siedlungsabfallentsorgung»: 

 

Finanzierung der Siedlungsabfallentsorgung

uv-1827-d

Vollzugshilfe für die verursachergerechte Finanzierung der Siedlungsabfallentsorgung. 2018

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Letzte Änderung 05.08.2023

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