Das revidierte Jagd- und Wildtierschutzgesetz: Mehr Schutz für Wildtiere – massvolle Regeln für den Wolf

Im Herbst 2019 hat das Parlament das Jagdgesetz aus dem Jahr 1985 revidiert. Es stärkt den Schutz vieler Wildtiere und bietet eine pragmatische Lösung für den Umgang mit dem wachsenden Wolfsbestand. Naturschutzverbände haben dagegen das Referendum ergriffen. Wird das neue Jagdgesetz am 17. Mai 2020 in der Volksabstimmung abgelehnt, entfallen wichtige Verbesserungen für den Wildtierschutz.

Text: Loïc Schwab

In den vergangenen 35 Jahren haben verschiedene Wildtiere ihren ursprünglichen Lebensraum zurückerobert. «Wolf, Luchs und Biber bereichern heute wieder unsere Landschaft, und sie bleiben auch hier», sagt Reinhard Schnidrig, Chef der Sektion Wildtiere und Waldbiodiversität im Bundesamt für Umwelt BAFU. Der Wolf kehrte 1995 in die Schweiz zurück. Inzwischen leben in unserem Land wieder rund 80 Wölfe, und es sind acht Rudel entstanden. Dies macht es nötig, das seit 1985 geltende Jagdgesetz an die heutige Zeit und die aktuellen Umstände anzupassen. Damit ein Nebeneinander von Mensch und Wolf möglich ist, müssen verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut gebracht werden.

Wölfe greifen immer wieder Nutztiere an und sind manchmal auch in bewohntem Gebiet unterwegs. Seit 2009 rissen sie jährlich zwischen 300 und 500 Schafe und Ziegen. Betroffen davon sind auch geschützte Herden, wenn Wölfe lernen, den Schutz zu umgehen. Das zur Abstimmung gelangende revidierte Jagdgesetz trägt der steigenden Zahl von Wölfen Rechnung. Der Wolf bleibt auch mit dem revidierten Jagdgesetz eine geschützte Tierart.

Allerdings sollen die Kantone unter gewissen Bedingungen Wölfe erlegen dürfen. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Abschuss von einzelnen schadenstiftenden Wölfen und Eingriffen zur Regulierung des Rudelbestands. Beim Abschuss einzelner schadenstiftender Wölfe bringt das revidierte Jagdgesetz keine wesentlichen Änderungen. Mit den neuen Eingriffsmöglichkeiten in Rudeln wird dafür gesorgt, dass der Wolf die Scheu vor Menschen behält. Die Entwicklung des Wolfsbestands wird dadurch gebremst. Bei einem Nein zum revidierten Jagdgesetz könnten die Kantone den wachsenden Wolfsbestand nicht vorausschauend steuern.

Verstärkter Herdenschutz

Die Erfahrungen der letzten beiden Jahrzehnte zeigen, dass Schäden an den Nutztieren stark minimiert werden können, wenn Schaf- und Ziegenherden mit Massnahmen wie wolfssicheren Zäunen oder Herdenschutzhunden geschützt werden. Wölfe sind aber schlaue Tiere und können lernen, diese Massnahmen zu umgehen. Mit den Regulationsmöglichkeiten bleiben die Wölfe scheu.

Heute bekommen Nutztierhalterinnen und -halter nach Wolfsrissen Entschädigungen, auch wenn sie keine Herdenschutzmassnahmen getroffen haben. Mit dem revidierten Jagdgesetz werden nur noch Schäden bezahlt, wenn zuvor die zumutbaren Herden­schutzmassnahmen ergriffen wurden. Dies ist die beste Förderung des Herdenschutzes. Damit werden Akzeptanz und Schutz des Wolfes gestärkt.

Mehr Artenschutz

Der Schutz der Wildtiere wird gestärkt: So werden mit dem revidierten Jagdgesetz neu 12 von 15 heute jagdbaren Wildentenarten geschützt, die Schon­zeit der Waldschnepfe wird verlängert, und «Jagdbanngebiete» werden in «Wildtierschutzgebiete» umbenannt. Ausserdem dürfen die Kantone künftig nur noch bei Wölfen und Steinböcken Eingriffe in die Bestände bewilligen. Das Parlament hatte für Luchs, Biber, Graureiher und Gänsesäger eine Bestandsregulierung abgelehnt. Das revidierte Gesetz sieht vor, dass der Bundesrat unter gewissen Umständen weitere Arten als regulierbar bezeichnen könnte. Schliesslich werden die Lebensräume von Wildtieren besser miteinander verbunden, sollen doch in der Schweiz zusätzlich 300 Wildtierkorridore ausgeschieden werden. Diese offenen Landschaften, Wildtierunterführungen und -brücken fördern die Artenvielfalt.

Das revidierte Jagdgesetz hält an der heutigen Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Schutzorganisationen grundsätzlich fest. Die Kantone müssen weiterhin das BAFU vor jeder Verfügung von Abschussbewilligungen anhören. Und genau wie die Naturschutzorganisationen behält auch das Umweltamt ein Beschwerderecht bei Verfügungen.

Das revidierte Jagdgesetz ist ein guter Kompromiss zwischen Schutz und Nutzung. Es gibt eine pragmatische Antwort auf die wachsende Zahl von Wölfen in der Schweiz und mindert Konflikte zwischen Mensch und Wolf. Der Wolf bleibt ein geschütztes Tier, und die Rudel bleiben erhalten. Gleichzeitig sorgt es für einen besseren Herdenschutz und stärkt den Schutz vieler Wildtiere und ihrer Lebensräume.

Argumente des Nein-Komitees

Das missratene Jagdgesetz erhöht in Zeiten der Biodiversitätskrise den Druck auf geschützte Arten und bedeutet einen Paradigmenwechsel vom bewährten Schutzgesetz hin zum Abschussgesetz. Geschützte Arten sollen dezimiert werden können, ohne dass sie Schäden angerichtet hätten oder Massnahmen zur Schadenverhütung ergriffen werden müssten. Die Motivation zur Ergreifung präventiver Massnahmen wird so geschwächt. Häufigere Abschüsse drohen nicht nur dem Wolf, sondern auch Luchs, Biber und weiteren Arten. Dabei haben die Kantone im geltenden Gesetz genug Spielraum beim Umgang mit konfliktträchtigen Arten. Dass nicht mehr der Bund, sondern neu jeder einzelne Kanton für die Bestandsregulierung geschützter Tiere zuständig ist, verhindert die Koordination über Kantons- und Landesgrenzen hinweg. Die Revision ist auch eine verpasste Chance, zunehmend gefährdete, aber noch jagdbare Arten wie Feldhase, Waldschnepfe oder Birkhuhn unter Schutz zu stellen.

Argumente für ein Ja

Das revidierte Jagdgesetz bietet eine pragmatische Lösung für den Umgang mit dem wachsenden Wolfsbestand und den Angriffen von Wölfen auf Schafe und Ziegen. Das Gesetz ermöglicht den Kantonen, die Wolfsbestände vorausschauend und massvoll zu regulieren und so Konflikte zu mindern. Nutztierhalterinnen und -halter sind neu stärker in der Pflicht: Sie müssen Herdenschutzmassnahmen ergreifen, um Entschädigungen für Wolfsrisse zu erhalten. Der Wolf bleibt aber eine geschützte Tierart, die Rudel bleiben bestehen. Das revidierte Gesetz schafft die Voraussetzungen für ein langfristiges Nebeneinander von Mensch und Wolf. Zudem stärkt das revidierte Gesetz den Schutz von vielen Wildtierarten, davon profitieren zum Beispiel Wasservögel. Die Lebensräume von Wildtieren werden aufgewertet und besser vernetzt. Etwa indem 300 Verbindungswege für Wildtiere vor Verbauungen geschützt und bei Strassen und Bahnlinien Brücken und Unterführungen erstellt werden.

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Letzte Änderung 04.03.2020

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