Das Versprühen von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft wird zwar oft verschrien, erweist sich aber für viele Weinbaubetriebe als unverzichtbar. Eine neue Vollzugshilfe des Bundes erlaubt es, den Bewilligungsprozess besser zu begleiten und die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten.
Text: Cornélia Mühlberger de Preux

© Richard Chapuis
An diesem 6. Dezember 2016 ist im Lavaux kein Helikopterlärm zu hören. Die berühmten Rebhänge schlafen unter der fahlen Wintersonne. Die Lese ist längst vorbei, der Wein am Reifen, und bis der Frühling kommt, wird es noch dauern. Nicolas Pittet, Winzer in Aran oberhalb von Lutry (VD), schätzt diese Verschnaufpause: «Das Jahr 2016 war schwierig, und ich hoffe, dass 2017 besser wird.» Tatsächlich mussten die Trauben im Frühling bis zu 16-mal mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. In dieser Region bleibt der Helikopter wegen des steilen Geländes manchmal das einzige Mittel, um gewisse Parzellen erreichen zu können. «Im Dézaley beispielsweise und in vielen Rebbergen im Wallis wäre es extrem schwierig oder gar unmöglich, mit Kleinsprühgeräten oder Gebläsespritzen zu arbeiten», erklärt er. Sprühflüge erfordern jedoch viel Know-how und eine geschickte Koordination. Zudem sind mehrere komplexe Parameter zu berücksichtigen – so etwa die Distanz zu empfindlichen Gebieten oder Siedlungen, die Wetterbedingungen, aber auch die Lärmbelastung. Aus diesem Grund hat der Bund im Jahr 2016 die neue Vollzugshilfe zum «Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern» publiziert. Die vom BAFU in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) verfasste Broschüre verfeinert und ergänzt die alten Bestimmungen aus dem Jahr 1998.
Ein engerer Rahmen
Das Versprühen von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft betrifft nicht nur die Waadtländer und Walliser Rebberge, sondern wird auch in den Kantonen Neuenburg und Genf praktiziert, erklärt Magali Lebrun von der BAFU-Sektion Boden. Sie weiss, wovon sie spricht: Schliesslich hat sie gemeinsam mit dem BAZL, den Bundesämtern für Landwirtschaft (BLW) und für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die neue Regelung erarbeitet. Dabei traf sie sich auch mit privaten Partnern wie etwa mit Winzervereinigungen, Air-Glaciers, der Westschweizer Vereinigung für die Behandlung von Pflanzenkulturen aus der Luft (ARTTAVA) und mehreren Umweltschutzverbänden. Im Ergebnis legen die seit Anfang 2017 geltenden Bestimmungen noch akribischer als die bisherigen Wert darauf, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, damit die Sprühflüge weder Mensch noch Umwelt oder die Güter von Dritten gefährden. Es gilt, «die Anwendungen auf ein Minimum zu beschränken», betont Magali Lebrun mit Verweis auf die entsprechende Textstelle. Die Vollzugshilfe klärt die Verantwortlichkeiten, beschreibt den Ablauf des Bewilligungsprozesses im Detail und legt fest, wer für die Kontrollen zuständig ist.
Sicherheitsabstände und revidierte Karten
Die neuen Bestimmungen bringen zwei klare Änderungen. Zum einen legen sie den Sicherheitsabstand von 60 Metern zu öffentlichen und privaten bewohnten Gebäuden sowie zu Wohnzonen verbindlich fest. Für Wasserläufe und andere Oberflächengewässer gilt zudem ein Sicherheitsabstand von 30 Metern – genauso wie für Naturschutzgebiete, Biotope, Wälder, Hecken, Feldgehölze und angrenzende Parzellen mit Biokulturen. Der für Gebäude festgelegte Abstand lässt sich auf 30 Meter verringern, falls ausschliesslich Produkte zum Einsatz kommen, die das BLV bei dieser Distanz als unbedenklich für die menschliche Gesundheit einstuft. Zum andern müssen künftig digitale topografische Karten mit neusten Daten erarbeitet und kontinuierlich aktualisiert werden. Herkömmliche gedruckte Karten, die nicht älter als fünf Jahre sind, werden ebenfalls akzeptiert. «Diese Karten ermöglichen eine exakte Berechnung der Sicherheitsabstände und sind für alle Involvierten eine grosse Hilfe», sagt Magali Lebrun. Die Kantone sind beauftragt, die Behandlungsperimeter in Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern festzulegen. Schliesslich kennen sie die lokalen Bedingungen und den Kontext am besten. Aus dem gleichen Grund tragen die Kantone auch die Verantwortung für die Kontrollen vor Ort. Im Kanton Waadt ist die Digitalisierung der Karten bereits weit fortgeschritten. «Dabei handelt es sich um einen umfassenden Revisionsprozess, weil sich seit den 1990er-Jahren durch neue Bauten, die Umgestaltung von Wasserläufen oder die Erweiterung gewisser Perimeter viel verändert hat», erklärt Bertrand Dubey, Chemikalieninspektor des Kantons Waadt. Die Aktualisierung der Perimeter dient unter anderem dazu, potenzielle Konflikte zu vermeiden. «Das geht recht gut, wenn man direkt mit den Betroffenen spricht – mit den Anwohnern oder auch mit Spaziergängern», hält Nicolas Pittet fest. Was die heikle Frage der Sicherheitsabstände anbelangt, sind Markierungen äusserst hilfreich. Diese werden am Boden angebracht und müssen von den Piloten genauestens beachtet werden.

© BAFU; Infografik: Ruth Schürmann
Profis auf allen Stufen
Ob kantonale Inspektoren, Expertinnen, Bewirtschafter, Eigentümerinnen von Bauten, welche an zu behandelnde Zonen grenzen, oder Piloten – sie alle sind Glieder einer Kette und haben eine Aufgabe zu erfüllen. So müssen vor Ort die vorgeschriebenen Vorsichtsmassnahmen eingehalten werden. Diese betreffen etwa die Ausrüstung des Personals, die Vorbereitung der Spritzbrühe, das Befüllen der Tanks und deren Spülen nach dem Ausbringen sowie die Reinigung der Hubschrauber. Kontrolleure überwachen diese Tätigkeiten und auch jede allfällige Abdrift aus der Luft aufmerksam. Dem Unternehmen Air-Glaciers, das die Produkte transportiert und versprüht, kommt im ganzen Prozess eine entscheidende Rolle zu. Zwischen Mitte Mai und Mitte August setzt es jeweils fünf seiner Helikopter ausschliesslich für diese Aufgabe ein. Sowohl die Maschinen als auch die Besatzung werden dazu speziell ausgerüstet. Die Piloten müssen im Übrigen nicht nur die Topografie in- und auswendig kennen, sondern werden auch über mehrere Sprühsaisons hinweg fundiert ausgebildet. Ihre Arbeit beginnt in der Regel um 6 Uhr früh – einerseits, weil dann die Temperaturen und die Luftströmungen ideal sind, und andererseits, weil grosse Parzellen behandelt werden müssen. Steigt die Temperatur über 25 Grad und ist es windig, so sind keine Sprühflüge mehr möglich. Mit zunehmender Hitze verdriftet nämlich mehr Sprühbrühe durch die Luft.
Gemeinsames Vorgehen
Im Rebberg bei Aran, wo uns Nicolas Pittet die von ihm bewirtschafteten Flächen zeigt, zieht der Winzer folgenden Schluss: «Das Ausbringen aus der Luft erleichtert das Leben der Landwirte enorm. Mit Helikoptern lassen sich in zwei Stunden rund 50 Hektaren behandeln. Wenn ich meine acht Hektaren vom Boden aus vor Pilz- und anderen Erkrankungen schützen will, muss ich von Mai bis August rund eineinhalb Tage pro Woche dafür einrechnen – ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Risiken durch den Einsatz von Kupferkalkbrühe für die Person mit dem Spritzgerät.» Wie Nicolas Pittet berichtet, haben sich im Lavaux 120 Winzerinnen und Winzer zur Genossenschaft Cully-Villette zusammengeschlossen. Dadurch profitieren sie von Leistungen, die sie als kleine Bewirtschafter im Alleingang nicht optimal ausschöpfen könnten. Beim Besprühen aus der Luft bringt ein gemeinsames Vorgehen einen ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mehrwert. Nicolas Pittet pocht aber darauf, dass die Sprühflüge nach allen Regeln der Kunst erfolgen. «Das Ausbringen aus der Luft ist noch nie so professionell durchgeführt und so gut begleitet worden wie heute», bestätigt Magali Lebrun vom BAFU. Und Nicolas Pittet ergänzt, die Anwendung sei viel kontrollierter als beim Einsatz eines Kleinsprühgerätes oder einer Gebläsespritze. Er engagiert sich überdies mit einigem Erfolg dafür, dass weniger schädliche Verbindungen verwendet werden. So haben die Helikopter über den Rebbergen des Lavaux 2016 ausschliesslich Substanzen versprüht, die nicht synthetisch sind.
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Letzte Änderung 31.05.2017