Nationaler Massnahmenplan: Ruhe ist ein kostbares Gut

Ruhe schützt Gesundheit und Wohlbefinden. Derweil vermindert Lärm die Lebensqualität und verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Um die Bevölkerung besser vor schädlichem und lästigem Lärm zu schützen, will der Bundesrat mit einem nationalen Massnahmenplan den Lärm an der Quelle angehen und ruhige Gebiete bewahren.

Text: Stefan Hartmann

Kind im Bett mit Illustration des Schalls von Fluglärm
Den Flugverkehr wollen die Behörden etwa durch lärmabhängige Start- und Landetaxen oder die Optimierung von An- und Abflugverfahren vermindern.
© BAFU

«Trotz den Bemühungen zur Lärmbekämpfung sind in der Schweiz viele Menschen einer übermässigen Belastung durch Lärm ausgesetzt. Dieser kann krank machen», stellt Urs Walker, Leiter der Abteilung Lärmbekämpfung und nicht ionisierende Strahlung beim BAFU, fest. Lärm verursacht Schlaf- und Konzentrationsstörungen und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Zwar wurden in den vergangenen Jahren auch bei der Lärmbekämpfung Erfolge erzielt, indem etwa die Schweizer Eisenbahnwagen-Flotte lärmsaniert wurde. Doch der Verkehr wächst ständig – auf der Schiene, auf der Strasse und in der Luft. Laut Prognosen wird sich die Lärmproblematik durch das Bevölkerungs- und Mobilitätswachstum im Siedlungsraum künftig weiter verschärfen. Bereits heute ist tagsüber jede fünfte Person und nachts jede sechste von übermässigem Strassenlärm betroffen. Die Lärmemissionen vermindern die Standortattraktivität für die Wirtschaft und den Wert von Liegenschaften. Neben dem Verkehr verursachen aber auch Aktivitäten in Wohnquartieren zunehmende Beeinträchtigungen. Die Menschen wohnen enger zusammen, es wird baulich verdichtet. Dadurch fühlen sich immer mehr Leute beim Schlafen durch nächtlichen Lärm von öffentlichen Lokalen, Bars oder Konzerten in der Nachbarschaft gestört. Die 24-Stunden-Gesellschaft fordert ihren Tribut.

Überschreiten der Grenzwerte

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat im Juni 2017 einen «Nationalen Massnahmenplan zur Verringerung der Lärmbelastung» verabschiedet. Der vom BAFU in Absprache mit den Bundesämtern für Raumplanung (ARE), Zivilluftfahrt (BAZL), Gesundheit (BAG), Bevölkerungsschutz (VBS) und Strassen (ASTRA) ausgearbeitete Plan geht auf ein im September 2015 eingereichtes Postulat von Nationalrat Guillaume Barazzone (CVP) zurück. Es fordert den Bundesrat auf, Schritte zur Verringerung der Entstehung und Ausbreitung von übermässigem Lärm zu ergreifen. Trotz der geltenden Gesetzgebung – insbesondere dem Umweltschutzgesetz (USG) von 1985 – und den bisher getroffenen Massnahmen werden die Lärmbelastungsgrenzwerte nach wie vor häufig überschritten. Dabei verlangt die Lärmschutz-Verordnung (LSV) seit 1987 für alle Lärmarten Massnahmen zur Vermeidung an der Quelle. Das USG erlaubt es den Vollzugsstellen, auf Schutzmassnahmen zu verzichten, wenn deren Nutzen im Verhältnis zu den Kosten zu gering ist. In solchen Fällen sind Ersatzmassnahmen wie Schallschutzfenster ausreichend.

Reduktion an der Quelle

Der Bundesrat sieht im Nationalen Massnahmenplan mehrere strategische Schwerpunkte: eine gezieltere Bekämpfung des Lärms an der Quelle, die Förderung von Ruhe und Erholung bei der Siedlungsentwicklung, die Modernisierung des Lärm-Monitorings sowie die Information der Öffentlichkeit. Mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit wollen die Umweltbehörden das Verständnis für die Lärmproblematik stärken. Die vorgeschlagenen Massnahmen in diesen vier Bereichen werden in den nächsten Jahren konkretisiert. Der Strassenlärm lässt sich zum Beispiel durch lärmarme Strassenbeläge verringern. «Diese Beläge sind eine grosse Chance» sagt Sophie Hoehn, Chefin der Sektion Strassenlärm beim BAFU. Insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten lassen sich damit viel mehr Leute schützen, da lärmarme Beläge den Lärm um 6 bis 7 Dezibel (dB) verringern. Sie schlucken das Rollgeräusch, das ab circa 25 km/h den Motorenlärm übertönt. Verschiedene Kantone, vor allem in der Westschweiz, haben seit einigen Jahren sehr gute Erfahrungen mit lärmarmen Belägen gemacht. Bis Ende 2018 sollen total rund 1700 Kilometer dieser Beläge verlegt sein, was den Lärm erheblich senkt und die Anwohnenden schützt.

Verbraucher sensibilisieren

Informationskampagnen sollen die Sensibilisierung der Verbraucher und Konsumentinnen für die Lärmproblematik vertiefen. So verursachen zum Beispiel breite Reifen von Sport- und Nutzfahrzeugen (SUV) ungleich mehr Lärm als schmalere. Der Lärmaspekt ist auch bei der Entwicklung zukunftsgerichteter Verkehrslenkungs- und Finanzierungsinstrumente zu berücksichtigen. Temporeduktionen auf der Strasse und zeitlich beschränkte Fahrverbote gehören ebenfalls zum Massnahmenpaket. Beim Eisenbahnverkehr setzt der Bund weiterhin auf die Entwicklung von lärmarmer Infrastruktur und die Förderung von leiseren Güterwagen. Den Flugverkehr wollen die Behörden etwa durch lärmabhängige Start- und Landetaxen oder die Optimierung von An- und Abflugverfahren vermindern. Einen besseren Schutz der Bevölkerung plant der Bund ferner durch die Förderung einer möglichst einheitlichen Vollzugspraxis bei der Beurteilung von Lärmsituationen in Wohnquartieren – dies gilt zum Beispiel für Discos, Sport- und Konzertanlässe sowie Alltagslärmsituationen.

Mehr Ruhe im Siedlungsraum

Ein anderer Schwerpunkt betrifft den besseren Schutz der Ruhe in lärmbelasteten Gebieten. Der Bundesrat will, dass akustische Kriterien bei der Gestaltung von urbanen Lebensräumen künftig stärker zu berücksichtigen sind. Heute herrschen unterschiedliche Vollzugspraktiken. Oft wird bei der baulichen Entwicklung dem Lärmschutz das nötige Gewicht zu wenig oder zu spät beigemessen. «Die laufende Verdichtung der Siedlungsräume ist besser mit den Zielen der Lärmbekämpfung und den Bedürfnissen nach siedlungsnahen öffentlichen Räumen für Erholung, Ruhe und Freizeit abzustimmen», sagt Fredy Fischer, Chef der BAFU-Sektion Eisenbahnlärm. Als weiterer Schwerpunkt im Massnahmenplan sind die Modernisierung des Lärm-Monitorings und die Information der Öffentlichkeit geplant. Dazu gehört die Aktualisierung der Ermittlungsmodelle, welche schweizweit eine genauere Auswertung der Lärmbelastung ermöglichen. Ein aktuelles Monitoring ist ein wichtiges Instrument zur Festlegung der wirksamsten Massnahmen und zum frühzeitigen Erkennen von Lärmproblemen.

Lärmschutz als Daueraufgabe

Der nationale Massnahmenplan kommt zum richtigen Zeitpunkt: Die Fristen zur Sanierung verschiedener lärmiger Anlagen wie Schiessstände oder Eisenbahnen sind bereits abgelaufen. Auch für Strassen sind sie gemäss Lärmschutzverordnung Ende März 2018 ausgelaufen. Längst nicht überall in den Kantonen und Gemeinden wurden die Ziele erreicht; oft werden die Grenzwerte überschritten, und die Bevölkerung ist weiterhin gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt. «Lärmschutz ist eine Daueraufgabe, was für den Strassenverkehr ganz besonders gilt», betont Urs Walker vom BAFU.

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Lärm verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten, die als externe Kosten nicht von den Verursachern getragen werden. Die externen Lärmkosten des Strassen-, Schienen- und Flugverkehrs belaufen sich in der Schweiz auf rund 1,9 Milliarden Franken pro Jahr. Davon entfallen rund 1,1 Milliarden Franken auf Wertverluste von Immobilien, da Liegenschaften an Standorten mit hoher Lärmbelastung deutlich tiefere Mieterlöse und Verkaufspreise erzielen als Liegenschaften an ruhigen Lagen. Die Gesundheitskosten betragen rund 800 Millionen Franken pro Jahr. Verursacht werden die externen Lärmkosten hauptsächlich vom Strassenverkehr.

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Letzte Änderung 16.05.2018

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