Kaltstartemissionen im Verkehr: Weniger Schadstoffe dank innovativer Abgaskatalysatoren

Text : Stefan Hartmann 

23.11.2016 - Herkömmliche Abgaskatalysatoren neutralisieren schädliche Emissionen erst einige Minuten nach dem Motorenstart. Auf Initiative des BAFU hat ein Team unter Leitung der Forschungsanstalt Empa nun einen effizienten Katalysator entwickelt, der die kritische Kaltstartphase überbrückt. Zudem ist er deutlich kleiner und kommt mit weniger Edelmetallen aus.

Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler und Alberto Ortona
Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler (rechts) von der Empa-Abteilung Antriebssysteme ist Forschungsleiter eines vom BAFU initiierten Projektes, das einen neuartigen Abgaskatalysator für Benzinfahrzeuge entwickelt. Alberto Ortona (links), Fachhochschule SUPSI, ist Spezialist für 3-D-Druck.
© Markus Forte, Ex-Press/BAFU

Zu Beginn der 1980er-Jahre prägen in der Schweiz Diskussionen um den sauren Regen und das Waldsterben die Umweltdebatte. Dabei zählt der Stickoxidausstoss von Automotoren – neben den Schwefeldioxidemissionen der Feuerungen – zu den wichtigsten Ursachen. Auf Anordnung des Bundesrates treten 1986 für alle Neuwagen mit Benzinmotoren stark verschärfte Emissionsvorschriften in Kraft, die sich nur durch den serienmässigen Einbau eines Abgaskatalysators erreichen lassen. Inzwischen eliminieren handelsübliche Katalysatoren bei einer Betriebstemperatur von 280 Grad rund 99 Prozent der relevanten Luftschadstoffe.  

Hohe Emissionen beim Kaltstart

Trotzdem ist das Umweltproblem damit nicht gelöst, denn ein Katalysator – oder Kat – erreicht die erforderliche Temperatur für einen effizienten Betrieb erst nach 2 bis 3 Fahrminuten. In der Kaltstartphase ist der Anteil an freigesetzten Kohlenwasserstoffen (VOC) und Kohlenmonoxid (CO) dagegen 1000- bis 10 000-mal höher als im normalen Betriebszustand. Gemessen am Gesamtausstoss von modernen Personenwagen, die die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, machen die Emissionen beim Kaltstart rund 70 Prozent des CO und 90 Prozent der VOC aus. Personenwagen werden oft nur für kurze Strecken benutzt. «Statistisch gesehen liegen rund 10 Prozent aller Fahrten unter 1 Kilometer», stellt Giovanni D’Urbano, Chef der Sektion Verkehr beim BAFU fest.  

Stop-and-go erhöht Emissionen

Belastet sind vor allem dicht besiedelte Wohnquartiere, weil Ampeln, Stoppstrassen, Fussgängerstreifen oder Staus oft zu mehreren Kaltstarts hintereinander führen. Bei diesem Stop-and-go- Verkehr wird der Motor häufig abgestellt und wieder gestartet oder ist lange im Leerlauf. Dabei können Benzinmotor und Katalysator gar nicht richtig warm werden. Die
Emissionen hängen aber auch vom Fahrstil ab. Fahrzeuge mit Automatik weisen diesbezüglich Vorteile auf, da sie bei optimaler Drehzahl schalten. Bei Autos mit Handschaltung lässt sich der Schadstoffausstoss durch einen defensiven, niedertourigen Fahrstil positiv beeinflussen. Extrem ist die Luftbelastung durch 2-Takt-Motorräder und Mofas, die beim Kaltstart sogar 10- mal mehr Kohlenwasserstoffe als ein Personenwagen freisetzen. Die Anteile der Strassenverkehrsemissionen am schweizerischen Gesamtausstoss machten im Jahr 2014 insgesamt 47 Prozent der Stickoxide, 15 Prozent aller unverbrannten VOC und 19 Prozent des Feinstaubs aus. Weil saubere Luft ein Kernanliegen des BAFU ist, setzt sich das Amt für eine weitere Verminderung dieser gesundheitsschädigenden Schadstoffe ein.  

Marktreifer Kat als Forschungsziel 

Zwar liessen sich die Kaltstartemissionen von Neuwagen mit Einführung der Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 bereits leicht verbessern. Dabei helfen isolierte Abgasleitungen und der Einbau von zwei Katalysatoren direkt beim Ausgang des Motors und am Fahrzeugunterboden. «Weit eleganter und günstiger wäre es aber, einen neuartigen Katalysator zu entwickeln, der die Emissionen bereits in den ersten Momenten weitgehend eliminiert und bei hohen Temperaturen genauso effizient arbeitet wie ein handelsüblicher Katalysator», sagt Giovanni D’Urbano. Dazu hat das BAFU gemeinsam mit Schweizer Forschungsstellen und der Wirtschaft im August 2015 ein Projekt lanciert, das von der Umwelttechnologieförderung des BAFU mit einem namhaften Betrag unterstützt wird. Das auf zwei Jahre befristete Forschungsvor- haben zur Entwicklung eines neuartigen Katalysators steht unter der Leitung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf (ZH). Zudem sind verschiedene weitere Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft daran beteiligt, nämlich die Hug Engineering AG in Elsau (ZH) und die EngiCer SA in Balerna (TI) sowie das unter anderem auf Materialtechnologie spezialisierte Institut MEMTi der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI) in Manno (TI).   

Kat soll Kaltstartphase vermeiden

«Unser Ziel ist es, einen neuartigen Kat zu entwickeln, den die Wirtschaft marktreif in die Produktion übernehmen kann», sagt Forschungsleiter Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler von der Empa-Abteilung Antriebssysteme. Deshalb haben wir die beiden Firmen Hug Engineering AG und EngiCer SA, welche selber Kats und Abgasfilter sowie keramische Katalysatorträger herstellen, von Anfang an in die Forschung einbezogen. Angestrebt wird ein Produkt, das bei allen realen Fahrbedingungen eine Reduktion der Kaltstartemissionen um 75 Prozent gewährleistet. Der Kat muss auch bei mehreren Fahrtunterbrüchen und bei tiefen Temperaturen einwandfrei arbeiten. «Unser Konzept eignet sich sehr gut für Hybridfahrzeuge, die wegen des Elektroantriebs öfters den Verbrennungsmotor ausschalten und daher viel häufiger Kaltstarts
haben», betont Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler

Polyederstrukturen statt Wabenkanäle

Technisch gesehen lag die Herausforderung darin, einen Kat zu entwickeln, der die Kaltstartphase in Sekundenschnelle überbrückt. Dazu sind handelsübliche Katalysatoren aufgrund ihrer Struktur mit geraden Wabenkanälen nicht in der Lage. Weil die laminare Strömung in diesen Kanälen sehr ruhig ist, gibt es keine Verwirbelung der Abgase und dadurch eine schlechte Erwärmung. Zudem müssen solche Katalysatoren genügend grosse Abmessungen haben, damit der Zugang der Schadstoffmoleküle zu den katalytischen Wänden gewährleistet ist. Die Empa-Forscher machten in vorangegangenen Projekten gute Erfahrungen mit Schäumen als Katalysatorsubstraten, da solche Strukturen eine hohe Turbulenz der
Abgase erzeugen. Dadurch lässt sich die gleiche Menge an Schadstoffen mit deutlich kleineren Katalysatoren neutralisieren, welche zudem nur die Hälfte an teuren Edelmetallen benötigen. Allerdings weisen diese Substrate einen höheren Durchströmungswiderstand auf, was wiederum den Treibstoffverbrauch erhöht.  

Modellstück eines der weltweit ersten Abgaskatalysatoren mit optimierten polyedrischen Strukturen aus dem 3-D-Drucker. Für die Fertigung im Labor der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) in Lugano wird der Werkstoff mit UV-Strahlung zur Schmelze gebracht, wobei das orangefarbene Glas die Strahlung filtert. Das Werkstück wird in Schichten von 50 bis 200 millionstel Metern aufgebaut.

Kat aus dem 3-D-Drucker  

Auf der Suche nach einem geeigneteren Kat-Substrat setzten die Forscher moderne Strömungs- und Reaktionssimulationen ein, um Strukturen mit bester Reaktivität und niedrigstem Strömungswiderstand zu finden. Die Grundlagen dafür wurden im Rahmen eines vom SNF (Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) unterstützten Projektes erarbeitet. Dabei sind die Forscher auf kleinmaschige, offenporige, polyedrische Strukturen gestossen, die Schäumen ähneln, aber deutlich regelmässiger verlaufen. Zur Fertigung von Kats mit optimierten polyedrischen Strukturen haben die Fachleute an der spezialisierten SUPSI in Lugano ein Verfahren mit 3-D-Druckern entwickelt. Die Kat-Matrix wird im 3-D-Drucker erstellt und mit Siliziumkarbid (SiC), Zirkoniumoxid (ZrO2) und Aluminiumoxid (Al2O3) beschichtet. Einziger Nachteil sei im Moment noch das teure 3-D-Verfahren, bedauert Forschungsleiter Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler. «Doch in Zukunft werden 3-D-Drucker sicherlich preisgünstiger angeboten.»    

Vorheizen mit Mikrowellen

Auch für das Problem der unzureichenden Betriebstemperatur liess sich eine technische Lösung finden. Damit das Kat-Substrat rasch die notwendigen 280 Grad erreicht, wird es mit Mikrowellen vorgeheizt, was relativ wenig Energie erfordert. Ein am Kat angebrachter Mikrowellengenerator startet schon beim Öffnen der Autotür, sodass der Kat die nötige Betriebstemperatur beim Start des Motors bereits erreicht hat und die unerwünschten Schadstoffe neutralisiert, womit das Kaltstartproblem gelöst ist. Dafür mussten die Forschenden eine neue Beschichtungskomponente entwickeln, die bessere Eigenschaften zur Absorption von Mikrowellen aufweist. Als geeignetes Material identifizierten sie die Mischung aus SiC, ZrO2 und Al2O3. Die Vorzüge des entwickelten Kats sind bestechend, denn seine neue Struktur halbiert auch den Anteil der Edelmetalle Platin, Palladium und Rhodium für die Beschichtung. Zudem ist es den Fachleuten gelungen, den Kat auf die Hälfte der bisherigen Grösse zu reduzieren, was die Herstellungskosten ebenfalls senkt, weil sich im knapp bemessenen Fahrzeugunterboden neue Platzierungsmöglichkeiten eröffnen.  

 Ziel ist die Serienproduktion  

«Dank dieses Forschungsvorhabens ist die Technologie nun so weit fortgeschritten, dass eine Serienproduktion infrage kommt», stellt Giovanni D’Urbano fest. «Um den erreichten Stand der Technik in der Praxis zu etablieren, sind in einem nächsten Schritt Gespräche mit interessierten Automobilherstellern vorgesehen. » Sofern sich bestätigt, dass der neue Katalysator die Kaltstartemissionen auch im Realbetrieb nahezu eliminieren kann, wäre gemäss Giovanni D’Urbano auf
europäischer Ebene eine weitere Reduktion der Abgasgrenzwerte möglich.

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Letzte Änderung 08.06.2017

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