Ein gemeinschaftlicher Beitrag an den Schutz der Bevölkerung vor Lawinen

30.11.2018 - Die Schweiz als Alpenland ist seit Jahrhunderten mit Lawinen konfrontiert. Die UNESCO hat den Umgang der Schweiz und Österreichs mit dieser Naturgefahr in die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. Doch welche Rolle hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Lawinenschutz? Welchen Beitrag leistet es an dieses Kulturerbe, den Umgang mit Lawinen und somit an die Sicherheit der Bevölkerung? Und wie wirkt sich die Klimaerwärmung aus? Antworten von Paul Steffen, Vizedirektor des BAFU.

Paul Steffen, Vizedirektor BAFU
Paul Steffen, Stv. Direktor BAFU

Was bedeutet die Aufnahme des Umgangs mit der Lawinengefahr in der Schweiz in die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO?

Das ist zuerst einmal eine Anerkennung für eine gemeinschaftlich erbrachte Leistung und für gelebte Kultur. Wie wir in der Schweiz mit der Lawinengefahr umgehen, ist in den Augen der UNESCO weltweit herausragend und kulturell bedeutungsvoll. Sie würdigt damit nicht nur technische Aspekte wie Bauten, Anlagen, Schutzwald, Planungen usw. Sondern auch den Umstand, dass der Umgang mit Lawinen zu einem wichtigen Teil der Schweizer Kultur geworden ist und zu unserer Identität gehört. Mit der Eintragung in die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes verbindet die UNESCO auch die Aufforderung an die Gesellschaft, zu diesem Kulturerbe Sorge zu tragen.

Was bedeutet dies für das BAFU?

Aus der Sicht des BAFU ist dies eine Anerkennung für die langjährigen Anstrengungen der Gemeinden, Kantone und der Eidgenossenschaft, sich gegen die Lawinen zu schützen. Denn schon vor hunderten von Jahren entstand die Einsicht, dass der Einzelne nur wenig im Kampf dagegen ausrichten kann. Gefordert waren damals - und sind es heute noch - Gemeinschaften, eigentlich die ganze Gesellschaft. Dabei hatte der Bund schon früh eine starke aktive Rolle gespielt. 1875 wurde in der Person von Johann Coaz, Forstingenieur und Gebirgstopograf, ein Pionier der Lawinenabwehr in den Bundesdienst berufen: Coaz wurde der erste eidgenössische Oberforstinspektor und war damit auch der oberste eidgenössische Lawinenschützer. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Überprüfung von geplanten und ausgeführten Aufforstungen und Verbauungsarbeiten.

Welche Aufgaben hat das BAFU im Lawinenschutz?

Beim Schutz vor Lawinen hat die Schweiz eine lange Tradition. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Lawinenprävention ununterbrochen auf- und ausgebaut. So wurden zum Beispiel rund 500 km Lawinenstützverbauungen errichtet. Gemäss Waldgesetz liegen die Hauptaufgaben beim Lawinenschutz bei den Kantonen. Der Bund ist aber verpflichtet, sie dabei zu fördern. So unterstützt das BAFU die Kantone mit Subventionen und stellt für sie Grundlagen wie zum Beispiel Karten oder Wegleitungen bereit.

Es werden nicht nur die Kosten von Lawinenverbauungen abgegolten, sondern im Sinne des Integralen Risikomanagements mögliche und sinnvolle Massnahmen. Dazu gehören beispielsweise die Arbeit der Lawinenwarndienste. Hier unterstützt das BAFU neben den lokalen Sicherheitsdiensten auch die Lawinenwarnungen des WSL-Instituts für Schnee und Lawinenforschung SLF mit einem jährlichen Betrag von 2,6 Millionen Franken. Weiter engagiert sich das BAFU für die Erhaltung des Schutzwaldes, die Erstellung von Gefahrenkarten usw. Auch leistet der Bund Finanzhilfen an die Forschung und Entwicklung.

Damit eine Kultur beziehungsweise Tradition lebendig bleibt, muss sie weiterentwickelt werden und sich an neue Situationen anpassen. Ein Stichwort dazu ist die Klimaerwärmung. Welchen Einfluss hat sie auf den Umgang mit der Lawinengefahr?

Die Klimaerwärmung verändert tatsächlich den Umgang mit der Lawinengefahr: Wir rechnen nicht mit einer Abnahme der Lawinengefahr, sondern eher mit einer Zunahme -  dort, wo es noch Schnee hat. Die Schneedecke dürfte im Vergleich zu heute an Stabilität einbüssen. Und so können sich leichter Lawinen bilden. Wir dürfen deshalb beim Lawinenschutz nicht nachlässig werden, sondern müssen weiterhin in die Sicherheit vor Lawinen investieren. Eine neue Herausforderung wird auch das kombinierte Auftreten von Lawinen, Murgängen und Rutschungen sein. Denn wenn die Schneefallgrenze steigt, dann kommt es häufiger vor, dass oben viel Schnee fällt und es unten gleichzeitig viel regnet. Das haben wir zum Beispiel im Januar 2018 erlebt. Dadurch wird die Arbeit der lokalen Einsatzkräfte anspruchsvoller.

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Letzte Änderung 30.11.2018

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