Die Programmvereinbarung «Schutzbauten gemäss WaG» als Instrument der Naturgefahrenprävention
Bernard Loup, Fachexperte, Sektion Rutschungen, Lawinen und Schutzwald, Abteilung Gefahrenprävention, BAFU
Naturgefahren wie Hochwasser, Murgänge, Lawinen, Steinschlag, Rutschungen oder Schlammlawinen sind Teil unserer Umwelt. Abhängig von den Umständen können solche Prozesse Menschenleben fordern, Schäden an Sachgütern und Infrastrukturen verursachen oder das Funktionieren des Gemeinwesens beeinträchtigen. Schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen leben hierzulande in überschwemmungsgefährdeten Gebieten. Diese Gebiete beherbergen ausserdem Sachgüter im Wert von über 840 Milliarden Franken sowie rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze.
Ein dynamisches System
Das System, in dem wir leben, verändert sich laufend. Die gesellschaftliche Entwicklung und das Bevölkerungswachstum gehen einher mit einer Zunahme des Schadenspotenzials (Personen und Sachgüter) und einer Verringerung des verfügbaren Raums (tendenzielle Zunahme der Exposition gegenüber gefährlichen Prozessen). Aufgrund des Klimawandels ist damit zu rechnen, dass die Gefahren durch natürliche Prozesse und die Häufigkeit von Extremereignissen zunehmen. Diese allgemeine Tendenz dürfte indessen regional und je nach Ort, Jahreszeit, Höhenlage und Prozess sehr unterschiedlich ausfallen. Die Gemeinwesen stehen damit vor der Herausforderung, ein Sicherheitsniveau zu gewährleisten, das von der Gesellschaft als adäquat beurteilt wird, beziehungsweise an Orten mit einem Schutzdefizit ein solches Sicherheitsniveau zu erreichen.
Präventionsstrategie
Als Antwort darauf haben Bund und Kantone in enger Zusammenarbeit eine Strategie auf der Grundlage des integralen Risikomanagements entwickelt. Diese sieht vor, dass der Schutz vor Naturgefahren durch eine optimale Kombination koordinierter Massnahmen gewährleistet wird, und umfasst einen Zyklus von Etappen, die auf die Bereitstellung von Grundlagendaten zu Gefahren und Risiken, auf die Vorsorge und auf die Prävention ausgerichtet sind.
Ein wichtiges Ziel des Waldgesetzes (WaG) ist der Schutz von Personen und erheblichen Sachwerten vor Lawinen, Rutschungen, Erosion und Steinschlag. Zur Umsetzung der oben genannten Strategie sieht das WaG unter anderem den Abschluss von Programmvereinbarungen für die Beschaffung von Grundlagendaten, die Erstellung von Schutzbauten, den Betrieb von Messsystemen und den Aufbau von Frühwarndiensten vor. Bei den Prozessen im Zusammenhang mit Fliessgewässern kommen dieselbe Strategie des integralen Risikomanagements sowie vergleichbare, im Wasserbaugesetz (WBG) verankerte Instrumente zum Einsatz.
Umsetzung: eine Aufgabe der kantonalen und lokalen Körperschaften
Prävention beginnt stets mit der Identifizierung der Gefährdungen und Risiken. Zu diesem Zweck erarbeiten die Kantone verschiedene Gefahrengrundlagen, namentlich Gefahrenkarten. Diese vorrangige Aufgabe wird vom Bund mit einem hohen Beitragssatz von 50 Prozent unterstützt. Für dieses Ziel sind in der Programmperiode 2016-2019 Bundesbeiträge von insgesamt 16 Millionen Franken eingeplant.
Wird die Exposition gegenüber Naturgefahren den Schutzzielen gegenübergestellt, so kann ein Schutzdefizit zum Vorschein kommen. Angesichts eines solchen Defizits erarbeitet eine Gemeinde, eine Infrastrukturbetreiberin oder eine andere Anspruchsgruppe ein Massnahmenkonzept. Ein solches Konzept umfasst eine breite Palette möglicher Massnahmen, zu denen auch Schutzbauten und Warnsysteme gehören. Eine Gemeinde kann beispielsweise Lawinenverbauungen oberhalb eines Wohnquartiers errichten, eine Bahnbetreiberin lässt Steinschlagnetze anbringen und ein automatisches kombiniertes Mess- und Warnsystem einrichten, während ein Tiefbauamt eine tiefgründige Rutschung mithilfe eines Entwässerungsstollens saniert. All diese Massnahmen werden im Rahmen des Grundangebots vom Bund mit einem Beitragssatz von 35 Prozent unterstützt. In der Programmperiode 2016-2019 stehen für dieses Ziel Bundesmittel im Umfang von 63 Millionen Franken zur Verfügung.
Projekte mit besonderem Aufwand oder solche, die in Bezug auf die Auswirkungen oder Bewilligungsverfahren speziell sind, können vom Bund ausserhalb der Programmvereinbarung unterstützt werden. Der Beitragssatz für solche Einzelprojekte liegt zwischen 35 und 45 Prozent. Im Zeitraum 2016-2019 stehen dafür beim Bund 82 Millionen Franken zur Verfügung.
Rückschlüsse
Die erste NFA-Periode 2008-2011 hatte in gewissem Sinne Versuchscharakter, denn sie läutete eine grundsätzliche Neuausrichtung der Subventionierungsregelung ein. Die in dieser ersten Periode gesammelten Erfahrungen und die gemeinsam mit den Kantonen gezogene Bilanz erlaubten es, das Programm zu optimieren. In der zweiten Programmperiode war denn auch eine deutliche Steigerung der Leistungsqualität zu verzeichnen, und auch die quantitativen Ziele wurden vermehrt erreicht.
Allgemein wird anerkannt, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen sowie die gute Zusammenarbeit, die sich entwickelt hat, dank den Mechanismen der Programmvereinbarung «Schutzbauten gemäss WaG» einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Gefährdung in der Schweiz leisten.