Umweltdelikte in der Schweiz: Scharfe Gesetze, milde Strafen

Um die Umwelt besser zu schützen, wurden im Umweltrecht auch Strafbestimmungen erlassen. Die Auswertung der kantonalen Strafentscheide aus den Jahren 2013 bis 2016 durch das BAFU zeigt, dass Umweltdelikte in der Schweiz kein Nischenphänomen sind und dass das Strafmass in den allermeisten Fällen bei Weitem nicht ausgeschöpft wird.

Text: Lucienne Rey 

Fischsterben Abtwil
Die unsachgemässe Ableitung von Bauwasser verursachte ein lokales Fischsterben. Das Strafmass ist abhängig davon, ob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde.
© Kantonspolizei St. Gallen

Mitunter kam das Gericht nicht umhin, das Gebiet der Jurisprudenz zu verlassen und in jenes der Verhaltensforschung vorzudringen. Nur so war die Frage zu beantworten, ob ein Appenzeller Sennenhund und ein Labradormischling tatsächlich Wild gejagt hatten oder ob sie nicht, wie die Verteidigung argumentierte, vielmehr «höchstens spielerisch oder in Verfolgung eines Hirteninstinkts kurze Zeit einem Wildtier nachgesetzt» haben.

Bereits das erste eidgenössische Jagdgesetz von 1875 enthielt Strafbestimmungen für verschiedene Arten von Jagdfrevel. Es befand allerdings auch, die Kantone seien befugt, «angemessene Prämien zu verabfolgen» für die Erlegung «besonders schädlicher Thiere», darunter insbesondere «grosse Raubthiere», aber auch Wildschweine, Adler, Sperber und dergleichen. Das zeigt: Bestimmungen zum Schutz von Tieren, Pflanzen und anderen natürlichen Ressourcen wurden lange Zeit vornehmlich dann erlassen, wenn menschliche Interessen auf dem Spiel standen. Und die Strafen bemassen sich in erster Linie am Schaden, den die Gesellschaft erwartete.

Wachsende Umweltgesetzgebung

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die Umweltgesetzgebung und die mit ihr verbundenen strafrechtlichen Sanktionen stetig erweitert.

Das 1967 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) wie auch das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) von 1983 bezeugen die wachsende Sensibilität für ökologische Zusammenhänge. Ergänzend gelten weitere juristische Regelwerke wie das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG), das Bundesgesetz über den Wald (WaG) oder das CO2-Gesetz als Umwelt­erlasse. Dazu kommen Gesetze, die auf den ersten Blick wenig mit der Umwelt verbindet, die aber dieselben Rechtsgüter schützen wie das Umweltrecht.

Dazu zählt etwa das Chemikaliengesetz (ChemG): Dieses soll nach Artikel 1 zwar «das Leben und die Gesundheit des Menschen» schützen, es bewahrt damit aber auch die Umwelt vor toxischen Substanzen. Wenn es also darum geht, Umweltdelikte zu beurteilen, ist Expertenwissen gefragt – und zwar im Straf- wie auch im Umweltrecht. Allerdings verfügen die beteiligten Behörden selten über fundiertes Wissen in beiden Bereichen. Die Strafverfolger sind Strafrechtsspezialisten, und die Umweltbehörden kennen sich vornehmlich im Verwaltungsrecht aus, das sie zu vollziehen haben .Diese Aufgabenteilung ist vom Gesetzgeber so gewollt, sie erweist sich beim Vollzug aber als grosse Herausforderung, zumal die rechtliche Basis für den Datenaustausch zwischen den Umwelt- und den Strafverfolgungsbehörden eher dünn ist. Ausserdem wurden bisher nur wenige Daten über Strafentscheide im Umweltbereich erhoben.

Bussen unter 1000 Franken

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat für die vergangenen zehn Jahre zwar die in den Strafregistern festgehaltenen Verbrechen und Vergehen gegen das Gewässerschutz-, Jagd-, Umweltschutz-, Chemikalien- und Waldgesetz erhoben, nicht aber die Übertretungen (siehe Box). Um einen detaillierteren Einblick in die Umweltkriminalität und den Strafvollzug zu bekommen, wertet das BAFU die Strafentscheide der Kantone seit 2013 nach verschiedenen Kriterien aus. In dieser Auswertung sind nicht nur die Verurteilungen ersichtlich, sondern auch die Einstellungen und Nichtanhandnahmen, die Tatbestände und die ausgesprochenen Sanktionen. Die bisher zusammengestellte Liste umfasst ungefähr 1000 Einträge pro Jahr. Auffallend ist: Der Grossteil der Fälle wird mit Bussen unter 1000 Franken sanktioniert. Damit wird das Strafmass zumeist bei Weitem nicht ausgeschöpft, sieht doch etwa das USG Bussen von bis zu

20 000 Franken vor. «Umweltdelikte werden oft mild bestraft», bestätigt Barbara Nägeli von der BAFU-Abteilung Recht. Auch im eingangs erwähnten Gerichtsfall mit den jagdfreudigen Hunden blieb das Strafmass von 250 Franken unter der Maximalgrenze von 600 Franken, die das damals noch gültige eidgenössische Jagdgesetz vorsah. Immerhin setzte der Bundesgerichtsentscheid von 1974 einen definitorischen Standard: Als «jagen lassen» gilt seither «jede Verfolgung von Jagdwild durch irgendeinen Hund», unabhängig von seiner Rasse. Denn es solle «das Wild in seiner Ruhe gegen streunende Hunde schlechthin geschützt werden, unbekümmert darum, ob der Hundehalter sein Tier aufs Wildern abgerichtet hat oder nicht».

Gewusst?

Nicht jeder, der gegen Umweltvorschriften verstösst, tut dies mit krimineller Absicht. Oft steckt Unwissen dahinter. Ein paar knifflige Fälle aus dem Alltag.

Die Entsorgung von Gartenmaterialien ist zuweilen juristisch knifflig. Zwar dürfen gemäss Luftreinhalte-Verordnung (LRV) Grünabfälle verbrannt werden, wenn sie so trocken sind, dass dabei wenig Rauch entsteht – allerdings sind hier auch noch kantonale und kommunale Vorschriften zu beachten.

Grundsätzlich wird empfohlen, Grünabfälle nicht zu verbrennen, sondern zu kompostieren oder als Strukturmaterial zu verwenden. Die mit einem Witterungsschutz behandelten Zaunpfähle oder andere chemisch behandelte Hölzer gelten als Abfälle und dürfen nicht durch Verbrennung im Freien oder im Cheminée entsorgt werden. Durch die Behandlung könnten Stoffe ins Holz gelangt sein, die bei einer Verbrennung zu problematischen Schadstoffemissionen führen.

Wer bei der Gartenpflege gelegentlich zum zugelassenen Unkrautvertilgungsmittel greift, sollte sich ebenfalls vorsehen. Dieses darf zwar auf dem Rasen oder im Blumenbeet angewendet werden – nicht aber auf Dächern und Terrassen, Lagerplätzen sowie auf und an Strassen, Wegen und Plätzen (Anhang 2.5 der ChemikalienRisikoreduktions-Verordnung, ChemRRV).

Es ist also verboten, auf einem mit Platten ausgelegten Sitzplatz den Bewuchs zwischen den Fugen mittels Herbizid zu beseitigen, denn es besteht die Gefahr, dass das Mittel beim nächsten Regenguss in die Kanalisation gespült wird und in ein natürliches Fliessgewässer gelangt.

Auch bei der Beseitigung von Siedlungsabfällen gilt es, dem Wasser Sorge zu tragen: Artikel 10 der Gewässerschutzverordnung (GSchV) verbietet es, feste und flüssige Abfälle mit dem Abwasser zu entsorgen. Altöl gehört also keinesfalls in die Kanalisation.

Und für die Entsorgung von Batterien auferlegt Anhang 2.15 der ChemRRV den Verbrauchern eine Rückgabepflicht und den Herstellern und Händlern eine Rücknahmepflicht; die Entsorgung im Müllsack ist also nicht statthaft. Anhang 2 der Freisetzungsverordnung (FrSV) listet invasive gebietsfremde Tiere und Pflanzen auf, mit denen grundsätzlich nicht in der Umwelt umgegangen werden darf – darunter beispielsweise die hoch allergene Ambrosiapflanze oder die aus Nordamerika stammende Rotwangen-Schmuckschildkröte. In der Liste nicht zu finden ist hingegen der Goldfisch.

Daraus darf aber nicht geschlossen werden, es sei gestattet, einen solchen im nächsten Waldteich in die Freiheit zu entlassen. Vielmehr zählt ihn Anhang 2 der Verordnung zum Bundesgesetz über die Fischerei (BGF) zu denjenigen Fischen, deren «Einsatzbereich» sich auf Fischzuchtanlagen und kleine künstliche stehende Gewässer ohne Zu- oder Abfluss zu beschränken habe. Goldfische, aber auch Kois dürfen demnach nicht in Teiche und Seen freigesetzt werden, die mit natürlichen Wasserläufen verbunden sind. 

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Letzte Änderung 10.04.2018

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