Erschliessung tiefer Untergrund: Wie der Bundesrat zu Fracking steht

Der Bundesrat lehnt ein Fracking-Verbot oder -Moratorium ab. Aber er äussert seinen klaren Willen zur Beschränkung dieser Technologie auf die Erschliessung tiefer Geothermie, wie der Postulatsbericht «Fracking in der Schweiz» klar aufzeigt.

Text: Urs Fitze

Die Schweiz ist kein Land des modernen Bergbaus. Im Verlaufe der letzten 100 Jahre fanden nur gerade rund 40 Tiefbohrungen zur Erkundung des tiefen Untergrundes statt. Eine kommerzielle Nutzung beschränkte sich auf das Entlebuch (LU), wo von 1985 bis 1994 Erdgas gefördert wurde. Fracking – oder im Fachjargon die hydraulische Frakturierung (siehe Box) – war im Jahr 2000 bei einem Erdgasvorkommen in Weiach (ZH) ein Thema. Es führte jedoch zu keinen kommerziell förderbaren Resultaten. Eine 2010 im Genferseegebiet erfolgte Bohrung zeigte Erdgas an, ein Bewilligungsverfahren für weitere Tests ist hängig. Die grösste Gefahr dieser Erschliessungsmethode liegt bei Gewässerverunreinigungen – etwa durch chemische Additive – sowie bei der Auslösung von Erdbeben. Die neusten Techniken kommen jedoch ohne langlebige umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe aus und verringern das Erdbebenrisiko erheblich. Auch wenn bei der Förderung von Gasressourcen grosse Mengen des klimaschädlichen Methangases entweichen könnten, dürfte dieses Risiko «mit dem Einsatz geeigneter moderner Bohrverfahren» an Bedeutung verlieren, heisst es im «Grundlagenbericht» der vom Bundesrat einberufenen interdepartementalen Arbeitsgruppe «Fracking in der Schweiz».

Infografik zum Thema Fracking - Gesteinsschichten
Grafik eines hydraulisch frakturierten bzw. stimulierten Tiefengeothermie-Reservoirs mit einer Produktionsbohrung, über die die Erdwärme gefördert wird, und einer Injektionsbohrung zur Rückführung des Wassers. Erste grobe Schätzungen gehen von einem Energie-Reservoir von 6000 Terawattstunden (TWh) aus.
© BAFU

Erdgas nicht erwünscht

Trotz grossen Wissenslücken dürfte es in der Schweiz beträchtliche Vorkommen an «unkonventionellen Gasressourcen» in grossen Tiefen von 2 bis 5 Kilometern geben: Gas, das sich nur mittels Fracking erschliessen lässt. Die Schätzungen reichen von 114 bis 3400 Milliarden Kubikmeter, denen ein jährlicher Verbrauch von rund 3,2 Milliarden Kubikmetern gegenübersteht. Der Bundesrat hält klar fest, dass Fracking zur Erschliessung von Erdgas oder Erdöl hierzulande aus umwelt- und klimapolitischen Gründen unerwünscht ist. Andererseits soll der Einsatz dieser Technik grundsätzlich möglich sein, wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Ein Widerspruch? «Nein, bei der Beantwortung des Postulats von Nationalrätin Aline Trede ging es primär um die Frage, ob man Fracking in der Schweiz einsetzen kann», erklärt Ronald Kozel, Leiter der Sektion Hydrogeologische Grundlagen in der Abteilung Hydrologie beim BAFU, der auch die interdepartementale Arbeitsgruppe leitete. «Dies hat der Bundesrat bejaht. An seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Förderung von fossilen Energieträgern ändert es aber nichts.»

Geothermie erwünscht

Anders sieht es bei der geothermischen Nutzung in grossen Tiefen aus. Das theoretische Potenzial ist immens. In 4 bis 7 Kilometern Tiefe zeigen erste grobe Schätzungen ein Reservoir von 6000 Terawattstunden (TWh) Energie. 660 TWh liessen sich zur Stromerzeugung nutzen, der Rest entfiele auf Wärme. Der jährliche Endenergieverbrauch in der Schweiz liegt derzeit bei 233 TWh, wovon rund 60 TWh Elektrizität sind. Doch die Tiefengeothermieförderung – insbesondere die petrothermale Geothermie – steht im Gegensatz zum Fracking von Erdgas und Erdöl ganz am Anfang der technischen Entwicklung. «Weltweit gibt es noch nahezu keine wirtschaftlich erfolgreiche Förderung», sagt Ronald Kozel. «Die technischen Herausforderungen sind gewaltig, werden aber insbesondere in der Schweiz zurzeit intensiv erforscht. Verschiedene Pilotprojekte sollten etwa in einem Jahrzehnt zeigen, ob eine Nutzung des riesigen petrothermalen Potenzials wirtschaftlich machbar ist.» Aufgrund eines Szenarios beziffert die Energiestrategie 2050 den möglichen Beitrag der Tiefengeothermie für Kraftwerke zur Stromerzeugung auf rund 4,4 TWh, wobei verschiedene Experten diese Zahl als eher ambitioniert einschätzen.

Grosser Wissensbedarf

Gross sind auch die Wissenslücken bezüglich des hiesigen Untergrundes. «Tiefbohrungen sind sehr teuer, weshalb sie nur bei einem konkreten Bedarf erfolgen», sagt Ronald Kozel. «Andererseits bieten sie die einzige Möglichkeit, direkt an Informationen aus dem Untergrund zu kommen – ob nun gefrackt werden muss oder nicht.» Indirekte Verfahren mit geophysikalischen Methoden liessen keine detaillierten Schlüsse über die Förderbarkeit und die Grösse der Vorkommen zu. Abhilfe sei mit einem kontinuierlichen Wissensaufbau möglich. Dies gelte speziell für mit öffentlichen Mitteln finanzierte Bohrungen. Deren Ergebnisse sollen zentral zugänglich sein. Beim Bund laufen gegenwärtig verschiedene Programme zur Erkundung des Untergrundes. Prioritär bleibt die Umsetzung dieser laufenden Aktivitäten, insbesondere auch die Erarbeitung von Geodatenmodellen.

Bund will Kantone unterstützen

Der geologische Untergrund ist im Inland ein Allgemeingut, dessen Bewirtschaftung unter Hoheit der Kantone steht. Die Regelungen zum Einsatz von Fracking sind häufig nur marginal. Einige Kantone haben Gesetze erlassen, und andere kennen Verbote oder Moratorien zum Fracking beziehungsweise zur Erschliessung von unkonventionellen Kohlenwasserstoffen. Der Bund hat sich bisher zurückgehalten, unterstützt die Kantone auf deren Wunsch jedoch bei Bewilligungsverfahren, Aufsicht und Vollzug. «Angesichts der unterschiedlichen Vollzugspraxis plädiert der Bundesrat für ein harmonisiertes Vorgehen zur Beurteilung der technischen Sicherheit mit sehr hohen Anforderungen», erläutert Ronald Kozel. Der Bundesrat hat das BAFU sowie das Bundesamt für Energie (BFE) mit verschiedenen Abklärungen beauftragt. Dazu gehört, zu eruieren, ob bei der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder bei anderen Vollzugsbestimmungen ein Anpassungsbedarf besteht. Prüfen will man auch die Machbarkeit eines zentralen Katasters für Tiefbohrungen und Fracking. Zudem werden die Grundsätze für einen sicheren und umweltverträglichen Einsatz der hydraulischen Frakturierung im Rahmen einer bereits in Erarbeitung befindlichen Vollzugspraxis für Tiefbohrungen präzisiert.

Fracking-Crashkurs

Mit «Fracking» lassen sich «unkonventionelle Kohlenwasserstoff-Ressourcen» – das heisst im Gestein eingeschlossenes Gas, Öl und Kohleflözgas – in grossen Tiefen erschliessen. Dies gilt auch für Erdwärme in tiefen Gesteinen ohne natürliche Wasserführung, die «petrothermale Energie». Dabei wird Fracking-Flüssigkeit mittels eines Bohrlochs in gering durchlässiges Gestein gepresst und dieses unter hohem Druck aufgebrochen. Die Flüssigkeit besteht zu 99 % aus Wasser und Quarzsand sowie etwa 1 % aus chemischen Additiven; bei der petrothermalen Erdwärme werden, wenn überhaupt, markant weniger Additive verwendet. In den letzten Jahren sind die Verfahren deutlich umweltschonender geworden. In der Produktionsphase wird ein Rückfluss generiert, aus dem an der Oberfläche Öl oder Gas abgeschieden wird. Bei der Erdwärme wird die stark erhitzte Flüssigkeit – beziehungsweise der Wasserdampf – zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt und danach abgekühlt über eine zweite Bohrung wieder in dieselbe Gesteinsformation zurückgeführt.

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Letzte Änderung 16.05.2018

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