Reparieren: «Ein Hoch auf die Langlebigkeit!»

Mit ihren gegenwärtigen Konsum- und Produktionsmustern nutzt die Schweiz die natürlichen Ressourcen in einem Ausmass, das die Regenerationsfähigkeit der Erde übersteigt. Grund ist auch die kurze Lebensdauer von Konsumgütern.

Text: Patricia Michaud

Dragan Ivanovich
«La Bonne Combine» ist eine Reparaturwerkstatt in der Region Lausanne. Seit 40 Jahren werden dort alte Staubsauger, defekte Kaffeemaschinen, beschädigte Mobiltelefone oder ausgediente Fahrräder auf Vordermann gebracht. Neben dem Reparaturdienst bietet «La Bonne Combine» auch ein ausgewähltes Sortiment an neuen Haushaltsgeräten zum Verkauf an. Dabei steht deren Qualität im Mittelpunkt. Deshalb verkauft «La Bonne Combine» nur Geräte, die sich in ihrer Reparaturwerkstatt über die Jahre hinweg immer wieder als widerstandsfähig und reparierbar erwiesen haben.
© Ephraim Bieri/Ex-Press/BAFU

Ein elektronisches Haushaltsgerät läuft nicht mehr einwandfrei? Weg damit. Eine Lampe funktioniert nicht mehr? Weg damit. Das Wegwerfverhalten – also das Ersetzen eines Gegenstands bei der geringsten Fehlfunktion – haben viele Schweize­rinnen und Schweizer seit frühester Jugend verinnerlicht. «Das ist eine der Schattenseiten eines Landes mit hohem Lebensstandard: Weil man sich Neuanschaffungen leisten kann, verbraucht man enorme Mengen an Rohstoffen», erklärt Saskia Sanders von der Sektion Konsum und Produkte des BAFU. Hinzu kommt, dass zahlreiche Güter vom Hersteller «nicht für eine lange Gebrauchsdauer konzipiert werden», wie Laurianne Altwegg von der Konsumentenschutzorganisation Fédération romande des consommateurs (FRC) ergänzt.

Unser Rasenmäher

Felix Stähli von Circular Economy Switzerland, der schweizerischen «Bewegung für eine Kreislaufwirtschaft», betont ebenfalls, wie wichtig es sei, mit vereinten Kräften darauf hinzuarbeiten, die Lebensdauer von Gütern zu verlängern. Aber auch durch Teilen lasse sich das Konzept der Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Die Digitalisierung eröffne dabei ganz neue Möglichkeiten: «Seit einigen Jahren sind im Internet Unternehmen und Organisationen präsent, die den Grundsatz des Teilens leben.» Mobility etwa ist Schweizer Pionierin des Carsharings. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren sharoo (privates Carsharing) und PubliBike (Veloverleih). Das Teilen von Gebrauchsgegenständen liegt genauso im Trend: Sogenannte Sharing Communities wie Pumpipumpe ermutigen Nachbarn zur gemeinsamen Nutzung von Rasenmähern, Grills und sonstigen Geräten. Bei der Teilgenossenschaft La Manivelle können Mitglieder Werkzeuge, Musikinstrumente oder Haushaltsgeräte ausleihen. Doch auch Grossfirmen springen auf den Zug des Teilens auf, so etwa der Werkzeughersteller Hilti, der Geräte zur Miete anbietet.

Wer Konsumgüter weitergibt, trägt zur Verlängerung ihrer Lebensdauer bei. Im Web sind deshalb zahlreiche Organisationen aktiv, die sich zum Ziel gesetzt haben, nicht mehr benötigten Gegenständen neues Leben einzuhauchen. Über die Plattformen nimms.ch oder keepinuse.ch können Einzelpersonen nicht mehr benutzte Kleider, Möbel oder Computerzubehör gratis abgeben. Aber längst nicht alle dieser noch jungen Initiativen verlassen sich aufs Internet: In Neuenburg beispielsweise wurden überflüssig gewordene Zeitungsboxen zu Tauschbörsen für Bücher, Spielzeug, CDs und Ähnlichem umfunktioniert. Und in Lausanne dienen ausser Betrieb gesetzte Telefonkabinen als Tauschbibliotheken.

Lokal statt global

«Eine Verlängerung der Produktlebensdauer ist nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht interessant», betont Felix Stähli von Circular Economy Switzerland. «Werden statt Massenprodukten vermehrt langlebige Güter nachgefragt, verändert sich das Geschäftsmodell der Anbieter ebenfalls. Anstelle von Produktion und Verkauf stehen dann Dienstleistungen im Vordergrund.» Das ist durchaus zum Vorteil für die Schweizer Wirtschaft. Das globale Modell, bei dem Konsumgüterhersteller oft im Ausland ansässig sind, könnte dank diesen Veränderungen von einem lokalen Modell abgelöst werden, bei dem einheimische Anbieter Dienstleistungen erbringen. Stähli sieht darin eine grosse Chance für Schweizer KMU.

Dieser Einschätzung pflichten zweifellos auch die Gründer von iKlinik bei. Das Unternehmen ist auf die Reparatur von iPhones spezialisiert und umfasst bereits mehrere Dutzend Niederlassungen in der ganzen Schweiz. Der traditionsreiche Schweizer Haushaltsgerätehersteller V-Zug wiederum wirbt damit, dass Ersatzteile für seine Waschmaschinen, Kühlschränke und Steamer «über den gesamten Produktlebenszyklus» verfügbar seien. «Reparierbarkeit», erklärt Konsumentenschützerin Laurianne Altwegg, «kann so zum Verkaufsargument werden.» In Frankreich folgen viele Unternehmen diesem Trend, seit das Informieren der Verbraucher über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen Pflicht ist.

Der politische Druck wächst

Auch in der Schweiz wächst der politische Druck auf die Hersteller von Konsumgütern. In einem Postulat von 2018 wurde gefordert, die Hersteller von Elektronik- und Haushaltsgeräten zu verpflichten, Ersatzteile je nach Produktkategorie während fünf oder zehn Jahren verfügbar zu machen. Und bereits 2017 wurde ebenfalls in einem Postulat verlangt, Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, beispielsweise durch einen tieferen Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen, zu prüfen.

Zudem entstehen überall im Land neue Initiativen, die Bürgerinnen und Bürger mit Reparaturprofis zusammenbringen. Dazu zählen beispielsweise die Repair Cafés und die Onlineplattform reparaturfuehrer.ch (siehe Box unten). Dabei werden Besitzer und Besitzerinnen von schadhaften Gegenständen ermutigt, beim Reparieren selbst Hand anzulegen. Auf der Website ifixit.com findet sich eine Vielzahl von Tutorials, die vormachen, wie Schuhe, Autos, Sportartikel, Smartphones und viele weitere Gegenstände selbst geflickt werden können. «Aus ökologischer Sicht ist eine Reparatur fast immer sinnvoll», sagt die BAFU-Konsum­spezialistin Saskia Sanders.

Wer einen Neukauf plant, sollte zuerst ein paar Punkte klären, die für einen nachhaltigen Konsum entscheidend sind. «Die erste Frage lautet natürlich: Muss ich das wirklich kaufen?», erklärt Saskia Sanders. «Falls ja, sollte man sich als Nächstes fragen, ob es unbedingt fabrikneu sein muss.» Tatsächlich gibt es immer mehr Unternehmen, die Geräte wiederaufbereiten. Dazu gehören beispielsweise die Firma Recommerce, die sich auf Smartphones spezialisiert hat, oder der Möbelhersteller Girsberger. Als Teil eines sogenannten Remanufacturing wartet das Unternehmen Stühle und frischt sie auf – bis hin zur Bestuhlung ganzer Säle. In einigen Fällen könne aus ökologischer Sicht allerdings auch ein Neukauf die beste Lösung sein, etwa beim Ersatz eines Haushaltsgeräts, das viel Energie verbraucht und oft im Einsatz ist. So oder so sei es aber bei einem Neukauf wichtig, auf die Reparierbarkeit und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu achten.

Sollen Produkte möglichst lange leben, sind nicht nur die Konsumentinnen und Konsumenten gefragt. Für eine längere Lebensdauer ihrer Produkte stehen selbstverständlich auch die Hersteller in der Pflicht (Produzentenverantwortung). «Dies beginnt bereits beim Design, das möglichst zeitlos sein sollte», stellt Saskia Sanders fest. Ein Musterschüler in dieser Hinsicht ist der Schweizer Möbelhersteller USM. Sein Büromobiliar ist zeitlos – und es ist modular konzipiert und lässt sich deshalb den sich wandelnden Bedürfnissen anpassen. Dieses Kriterium spielt für den nachhaltigen Konsum eine zentrale Rolle.

Der Staat als Vorbild

Eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft kommt schliesslich auch dem Staat zu. «Bei der öffentlichen Beschaffung von Produkten sollte er der Kreislaufwirtschaft so weit als möglich Rechnung tragen», fordert Felix Stähli von Circular Economy Switzerland. Aufgabe des Staats sei es auch, die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft besser bekannt zu machen. «Am besten würde das Thema bereits ab den ersten Schuljahren in die Lehrpläne integriert.» Damit den Produkten wieder die Wertschätzung entgegen­gebracht wird, die sie auch verdienen. Und damit ein Bewusstsein geschaffen wird auf die Frage, woher Produkte kommen und wohin sie gehen.

Kaffee, Hammer und Nägel

Die Kultur des Reparierens wieder aufleben lassen, so lautet das Ziel der Repair Cafés (repair-cafe.ch). An diesen schweizweit regelmässig stattfindenden Veranstaltungen können Interessierte defekte Gegenstände unter fachkundiger Anleitung von Profis auch selbst flicken. Bereits werden in der Schweiz an mehr als 120 Orten solche Repair Cafés angeboten. Pro Monat werden dank der ehrenamtlichen Reparaturbewegung über 800 Gegenstände instandgesetzt – von Velos über Handys bis hin zu Computern und Kleidern. Auf reparaturfuehrer.ch bieten 4500 Betriebe in der ganzen Schweiz ihre Dienste an. Die Plattform wurde von mehreren Kantonen mit dem Ziel lanciert, Privatpersonen und Reparaturbetriebe in den Regionen zusammenzubringen.

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Letzte Änderung 04.12.2019

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