17.02.2016 - Nach der Liberalisierung der Brandschutzvorschriften sind dem Bauen mit Holz in der Schweiz kaum mehr Grenzen gesetzt. Mit dem Aktionsplan Holz hat das BAFU massgeblich dazu beigetragen.

© Schweizer Jugendherbergen/Michel van Grondel, Ruedi Walti
Text: Peter Bader
Der Vorzeigebau steht am Ortseingang von Saas-Fee (VS). Pionierarbeit hat man hier gleich in mehrfacher Hinsicht geleistet: Das «Wellness Hostel 4000» ist weltweit die erste Jugendherberge mit Zugang zu einem Fitness- und Wellnessbereich. Das Übernachten in einem der 51 Zweier-, Familien- oder Sechsbettzimmer hat also nicht mehr allzu viel gemein mit der Jugendherberge-Romantik von vor 20 Jahren. Aus Umweltsicht ist das «Wellness Hostel 4000» insofern besonders interessant, als es das Bauen mit Holz auf eine neue Stufe hebt. Das moderne Gebäude gehört hierzulande zu den ersten mehrgeschossigen Beherbergungsbauten aus Holz. Unter diese Kategorie fallen Spitäler, Altersheime oder eben Hotels.
Dem Bauen mit Holz sind in der Schweiz inzwischen kaum mehr Grenzen gesetzt. Seit dem 1. Januar 2015 können Holzbauteile nämlich für alle Gebäudekategorien und Anwendungen eingesetzt werden. Demnach wären bei uns dereinst sogar Hochhäuser aus diesem Werkstoff machbar.
Neue Philosophie: «So sicher wie nötig»
Ermöglicht hat dies eine Lockerung der Brandschutzvorschriften, welche die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) alle 10 Jahre überarbeitet. Bereits die 2005 schweizweit eingeführten Vorschriften erlaubten die Realisierung grosser Wohn-, Büro- oder Schulbauten mit bis zu 6 Geschossen aus Holz oder in Mischbauweise. Solche sind heute schon vielerorts zu sehen. Zudem ist bei den Einfamilienhäusern mittlerweile etwa jeder fünfte Neubau aus Holz gefertigt. Bei den Mehrfamilienhäusern hat sich dieser Anteil seit den Regeländerungen von 2005 mehr als verdoppelt und beträgt derzeit rund 7 %. In den vergangenen 10 Jahren hätten sich die Massnahmen zur Qualitätssicherung beim Brandschutz bewährt, sagt Ernst Bischofberger, Direktor der Gebäudeversicherung Appenzell Ausserrhoden. Als VFK-Vorstandsmitglied und Präsident der Technischen Kommission leitete er den rund 80-köpfigen Projektausschuss zur letzten Revision der Brandschutzvorschriften. «Der Brandschutz wird im Holzbau seit Längerem sehr ernst genommen», hält er fest. Auch deshalb erfolgte nun ein weiterer, grosser Liberalisierungsschritt.
Eine Grundlage dafür war unter anderem das Forschungsprojekt «Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz» der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. «Ausgehend von dieser Studie haben wir einen Philosophiewechsel vollzogen», merkt Ernst Bischofberger an. «Bisher galt immer: ‹So sicher wie möglich›. Und nun lautet der Leitsatz: ‹So sicher wie nötig›.» Demnach lassen auch die neuen Brandschutzvorschriften keine Kompromisse zu, wenn es um den Schutz von Menschen geht. Bei den Sachwerten allerdings nimmt man künftig höhere Risiken in Kauf. «Wird jedes Einfamilienhaus mit grossem Aufwand vor Feuer geschützt, sind die Gesamtkosten viel höher als es mögliche Schäden sein könnten», führt Ernst Bischofberger aus. Es sei zwar denkbar, dass die gelockerten Bestimmungen in Einzelfällen zu leicht höheren Kosten bei Brandschäden führten, volkswirtschaftlich betrachtet gehe die Rechnung aber trotzdem auf.
Im Rahmen der Anfang 2015 eingeführten Brandschutzvorschriften gelten nun beispielsweise grössere Flächen für Brandabschnitte - die im Brandfall ein Übergreifen des Feuers auf andere Gebäudeabschnitte verhindern sollen - oder längere Fluchtwege. Zusätzlich müssen kleine Gebäude mit zwei Geschossen und einer Grundfläche von maximal 600 Quadratmetern bezüglich ihres Brandverhaltens nur noch minimale Feuerwiderstandsanforderungen erfüllen. Ähnlich liberale Vorgaben gelten für Einfamilienhäuser.
Aktionsplan Holz fördert Forschung
Vor allem für das Bauen mit Holz sind diese Änderungen eine wichtige Erleichterung. Entscheidend dazu beigetragen hat ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt der schweizerischen Wald- und Holzwirtschaft zur Sicherung einer hohen Brandsicherheit von Holzbauten und Bauteilen aus Holz. Dieses wird von Lignum - der Dachorganisation der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft - geleitet und unter anderem vom Aktionsplan Holz des BAFU massgeblich unterstützt. Weil Holz einer der wichtigsten natürlichen Rohstoffe der Schweiz ist, engagiert sich der Bund seit 2008 mit der Ressourcenpolitik Holz für eine nachhaltige Bereitstellung und effiziente Verwertung von Holz aus Schweizer Wäldern. Mit dem Aktionsplan Holz setzt das BAFU diese Politik um. Bisher hat das Amt über 100 Projekte unterstützt. Dabei läuft die zweite Phase des Aktionsplans noch bis Ende 2016.
Eine wichtige Erkenntnis aus dem Forschungsprojekt sei, «dass nicht die Brennbarkeit eines Baustoffes das massgebende Kriterium ist», erklärt Bernhard Furrer, Leiter Technik bei Lignum. Den grösseren Einfluss auf das Brandverhalten habe die brandschutztechnisch korrekte Ausführung einer Konstruktion. Deshalb stellen die neuen Vorschriften brandschutztechnisch robuste Holzbauteile mit einem Schutz durch nicht brennbare Bekleidungen - wie vorzugsweise Gips - den nicht brennbaren Baustoffen gleich. So lässt sich beispielsweise ein Treppenhaus aus Holz realisieren, wenn es entsprechend bekleidet wird. Zusätzlich gibt es auch keine Einschränkungen mehr bei der Gebäudenutzung: Künftig lassen sich Wohn-, Büro- und Schulhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Beherbergungsbetriebe oder Verkaufsgeschäfte bis zu einer Gesamthöhe von 30 Metern in Holzbauweise erstellen.
Mehr Schweizer Holz einsetzen
Beim BAFU stossen die neuen Vorschriften auf ein positives Echo: «Wir sind überzeugt, dass der Aktionsplan Holz beim Brandschutz-Forschungsprojekt seine Mittel bestens investiert hat», sagt Werner Riegger, Co-Programmleiter des Aktionsplans Holz. Die neuen Brandschutzvorschriften würden einen weiteren Boom ökologisch sinnvoller Holzbauten auslösen.
Der Anfang ist mit der Jugendherberge in Saas-Fee gemacht. Obwohl sie mit dem «Watt d'Or» des Bundesamts für Energie für ihre nachhaltige Bau- und Betriebsweise ausgezeichnet wurde, haftet ihr ein Makel an, besteht sie doch zu grossen Teilen aus ausländischem Holz. Werner Riegger überrascht dies wenig. Die Produktions- und Versorgungsketten beim Holzbau seien sehr vielfältig und die Entscheidungen der Bauherren durch verschiedene Interessen beeinflusst worden, erläutert er. «Deshalb ist es oft schwierig zu erreichen, dass vorwiegend Schweizer Holz verwendet wird.» Hätte man im Fall der Jugendherberge von Saas-Fee ein halbes Jahr mehr Planungszeit einberechnet, ergänzt Werner Riegger, wäre das Gebäude heute wohl aus Schweizer Holz gefertigt. So oder so: «Im Rahmen des Aktionsplans Holz setzt das BAFU alles daran, dass künftig mehr einheimisches Holz verwendet wird.»
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Diese Ausgabe als Download (PDF, 4 MB, 17.02.2016)1/2016 Wildtiere unter uns
Letzte Änderung 17.02.2016