Die Sägereibesitzer: «Das Interesse an Holz hat markant zugenommen»

Die Sägereibesitzer Jean-François Rime und Katharina Lehmann sind überzeugt, dass Schweizer Holz in der Bauwirtschaft grosses Potenzial hat und seinen Platz finden wird – sofern die Rahmenbedingungen passen und in den Wäldern genügende Mengen geschlagen werden. Eine Herausforderung sind die hohen Kosten für Ernte, Transport und Verarbeitung.

Text: Nicolas Gattlen 

Poträt der Sägereibesitzer Jean-François Rime und Katharina Lehmann
Jean-François Rime und Katharina Lehmann sind davon überzeugt, dass auch kleine und mittelgrosse Schweizer Sägereien eine Zukunft haben.
© Kilian Kessler | Ex-Press | BAFU

Frau Lehmann, Herr Rime, Sie haben beide Ihr Berufsleben dem Holz verschrieben. Gibt es eine Holzart, die Sie besonders schätzen?
Katharina Lehmann: Mein Lieblingsholz ist die Fichte, weil sie sehr viel Potenzial für das Bauwesen bietet. Natürlich gibt es schönere oder emotionalere Holzarten, beispielsweise Eiche in der Schweiz oder Padouk oder Violeta in tropischen Gefilden. In unserem Betrieb verarbeiten wir aber solche Hölzer nicht.
Jean-François Rime: Auch ich habe eine Vorliebe für die Fichte. Ihr relativ weiches, jedoch zähes Holz lässt sich bestens verarbeiten, und es kann in vielen Bereichen eingesetzt werden. In unserem Betrieb verarbeiten wir ausschliesslich Fichten- und Tannenholz.

Warum kein Laubholz? Das Mittelland böte reichlich davon.
Rime: Die Verarbeitung von Laubholz erfordert eine ganz andere Technologie, andere Schneide- und Hobelmaschinen. Auch die Märkte und Produkte sind ganz andere. Unser Betrieb ist auf Nadelholz spezialisiert. Lehmann: Im Holzbau eröffnen sich durchaus Chancen für das Laubholz. Noch aber gibt es einige technische Schwierigkeiten zu meistern. Die Buche ist beispielsweise ein störrisches Holz mit eigenwilligem Quell- und Schwindverhalten. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Schweizer Laubholz im Holzbau seinen Platz finden wird, wenn auch eher in der Nische.

Die Mehrheit der Forstbetriebe schreibt rote Zahlen, und viele Holzverarbeiter haben ihren Betrieb in den letzten Jahren eingestellt. Woran krankt die Branche?
Rime: Das Problem sind die Holzpreise. Der internationale Wettbewerb hat sich massiv verschärft. Und mit unseren Rahmenbedingungen in der Schweiz sind wir ganz klar im Nachteil. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele: Unser Waldgesetz lässt grundsätzlich keine Kahlschläge zu und verlangt Naturverjüngung – es soll wachsen, was natürlicherweise wächst. In anderen europäischen Ländern hingegen sind grossflächige Kahlschläge und künstliche Waldverjüngung erlaubt, was besseres Holzwachstum und effizientere Ernten ermöglicht. Auch bei den Löhnen und den Transportkosten sind wir im Nachteil. Auf den Schweizer Strassen gelten strengere Tonnage-Beschränkungen als in den Nachbarländern, hinzu kommen Abgaben für die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Unsere Transportkosten fallen bis zu 50 Prozent höher aus als im benachbarten Ausland. Schliesslich ist es mit dem neuen Raumplanungsgesetz sehr schwierig geworden, geeignete Flächen für neue Holzverarbeitungsbetriebe zu finden.

Braucht es denn neue Sägereien? In den vergangenen 40 Jahren ist die Anzahl der Betriebe von rund 1500 auf 250 gesunken. Und vieles deutet auf eine weitere Bereinigung hin.
Rime: Ich bin überzeugt, dass Schweizer Sägereien eine Zukunft haben, auch die kleinen und mittelgrossen Betriebe. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Automatisierung vorantreiben und die Lohnkosten senken. Wir hatten in unserem Sägewerk vor 40 Jahren 150 Mitarbeitende, heute haben wir noch 37 und produzieren dennoch mehr.
Lehmann: Ich teile Ihren Optimismus. Das Material Holz gewinnt an Aufmerksamkeit, es liegt im Trend. Und der Holzbau in der Schweiz wie auch im Ausland nimmt Fahrt auf. Allerdings glaube ich nicht, dass es mit Investitionen in die Produktivität getan ist. Man muss auch in die Innovation der weiterverarbeitenden Wertschöpfungskette investieren.

Holzverarbeitung auf dem Förderband
Katharina Lehmann: «Der Werk- und Baustoff Holz hat viel mehr zu bieten als nur die Möglichkeit zur Verarbeitung zu einem Brett.»
© Emanuel Ammon | Ex-Press | BAFU

Sie, Frau Lehmann, haben diversifiziert. Ihr Unternehmen verwertet Holz komplett: vom Sägewerk über den Holzbau und die Pelletproduktion bis hin zum betriebseigenen Biomassekraftwerk.
Lehmann: Das war aus der Not geboren. Nur ein Sägewerk zu betreiben, ist wirtschaftlich sehr schwierig. Zudem sahen wir, dass die in  der Sägerei anfallenden Restholzmengen – rund 40 Prozent des Rohholzes – aufgrund der hohen Schweizer Transportkosten keine Abnehmer mehr fanden. Die Investition in die Energie- und Pelletproduktion war also eher «Hilfe zur Selbsthilfe» und somit eine strategische Investition. Dies ganz im Gegensatz zu unserer Holz- und Silobautätigkeit. Hier möchten wir zeigen, dass der Werkund Baustoff Holz viel mehr zu bieten hat als nur die Verarbeitung zu einem Brett.

Die Blumer-Lehmann AG hat sich mit asymmetrischen Holzformen, den «free forms», national und international einen Namen gemacht. Hat sie damit ein Stück weit das Interesse am Werk- und Baustoff Holz befeuert?
Lehmann: Wir gehen mit unseren Innovationen aktiv auf Architekten und Bauherren zu – und rennen damit meist offene Türen ein. Das Interesse an Holz hat in den letzten Jahren markant zugenommen. Man schätzt die Ressource Holz wegen ihrer Nachhaltigkeit und Natürlichkeit und besinnt sich auch wieder auf das traditionelle Handwerkskönnen. In Kombination mit modernen Fertigungsprozessen wie IT-unterstützter Planung und Vorfertigung erschliessen sich ganz neue Möglichkeiten.

Herr Rime, Ihr Unternehmen produziert hauptsächlich Lamellenholz, das in anderen Betrieben zu Leimholz, also Brettschichtholz, verarbeitet wird. Wollten Sie die Produktepalette nicht erweitern?
Rime: Wir haben früher auch Leimholz, Türen und Regalsysteme produziert, doch dies ist aus Preisgründen nicht mehr möglich. Ausserdem wollen wir nicht mit unseren Kunden, den Herstellern von Brettschichtholz, konkurrieren. Mit unserer neuen Hobellinie, in die wir 3,5 Millionen Franken investierten, haben wir unser Angebot nun um verschiedene Latten sowie Hobelware für Fassaden erweitert.

Damit Holzfassaden nicht ergrauen, werden die Hölzer mit chemischen Schutzmitteln oder Beschichtungen behandelt. Allerdings gelangen dadurch Biozide ins System, die die Umwelt belasten und eine Nachnutzung des Holzes beispielsweise als Parkett einschränken. Ist das ein Thema in Ihrem Betrieb?
Rime: Ohne Holzschutzmittel geht es leider nicht. In den letzten Jahren sind jedoch neue, umweltschonendere Produkte auf den Markt gekommen. Wir orientieren uns am neusten Stand der Technik.
Lehmann: Heute werden verschiedene Alternativen erprobt, beispielsweise Hitzebehandlungen und ähnliche biochemische oder technische Modifikationen, wie sie etwa die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich erforscht. Ich bin sicher, dass wir unseren Kunden bald visuell überzeugende wie auch umweltverträgliche Lösungen anbieten können und damit einen Beitrag leisten zu einer Mehrfachnutzung des Holzes.

Herr Rime, Ihre Sägerei verarbeitet ausschliesslich Schweizer Holz: aus ideologischen Gründen?
Rime: Nein, mit Ideologie lassen sich keine Arbeitsplätze schaffen. Wir rechnen und stellen fest, dass sich für uns der Import von Rundhölzern nicht lohnt. Die Transportkosten sind zu hoch.

Bei Halbfertigprodukten wie etwa Leimholz scheint sich der Import zu lohnen. Rund die Hälfte davon wird heute aus dem Ausland bezogen. Fehlt es in der Schweiz an geeignetem Holz? Oder am Knowhow für die Verarbeitung?
Rime: In den Schweizer Wäldern wäre genug Holz vorhanden, und die Ausbildung von Fachleuten ist in der Schweiz hervorragend. Viele Länder beneiden uns darum. Das Problem ist, wie bereits erwähnt, der Preis. Den Holzbauunternehmern und Baumärkten ist es egal, woher das Holz stammt. Sie achten einzig auf den Preis. Mit den Grossbetrieben und Lohnstrukturen im Ausland können wir gerade im Bereich der stark verarbeiteten Halbfertig- und Fertigprodukte nicht so gut mithalten.
Lehmann: Die Schweizer Holzverarbeiter werden das brachliegende Potenzial nutzen, sofern die Rahmenbedingungen stimmen und der Rohstoff auch geerntet wird. Ohne den Wald zu übernutzen, könnten jährlich 7 bis 8 Millionen Kubikmeter Holz geerntet werden, derzeit werden aber nur rund 5 Millionen Kubikmeter geschlagen – und dies bei einem Zuwachs von mehr als 10 Millionen Kubikmetern im Jahr.

In vielen Fällen lohnt sich die Ernte für die Waldbesitzer nicht. Drücken die Sägereien die Preise zu stark?
Rime: Wir sind wirtschaftliche Unternehmen und können doch nicht die Waldbesitzer subventionieren. In der Pflicht steht vielmehr die Politik. Sie muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen besser werden. Für die gesamte Wald- und Holzwirtschaft. Das ist im Übrigen auch von gesellschaftlichem Interesse. Wird ein Wald nicht mehr genutzt, kann er bald auch andere Funktionen wie Schutz oder Erholung nicht mehr erfüllen.

Die Holzunternehmer

Jean-François Rime (67) ist Inhaber des Sägewerks Despond in Bulle (FR), einer der grössten Sägereien der Schweiz. Von 2008 bis 2015 präsidierte er den Verband Holzindustrie Schweiz, und seit 2012 ist er Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Rime vertritt seit 15 Jahren die Freiburger SVP im Nationalrat. Zwei Mal stellte ihn seine Partei für einen Sitz im Bundesrat zur Wahl.

Katharina Lehmann (45) führt als Inhaberin und Verwaltungsratspräsidentin unter dem Dach der Lehmann Gruppe drei Gesellschaften, die aus der Sägerei ihrer Familie hervorgingen. Mit ihren innovativen Holzbauwerken (u. a. Bergstation Chäserrugg, Tamedia-Gebäude in Zürich) zeigt die Blumer-Lehmann AG, wie vielseitig der Werk- und Baustoff Holz ist.

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Letzte Änderung 16.05.2018

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