Gewässerüberwachung: Den Schadstoffen im Rhein auf der Spur

Die Schweiz verfügt über ein dichtes Messnetz zur Überwachung ihrer Gewässer. Wie weit die technischen Möglichkeiten dieses Monitorings heute gehen, zeigt ein Besuch in der Rheinüberwachungsstation Weil (D) bei Basel. Dank der weltweit modernsten Hightech-Anlage dieser Art lassen sich selbst geringste Konzentrationen von Schadstoffen im Fluss bis zu den Verursachern zurückverfolgen.

Text: Beat Jordi

Karte Methadon
Die Karte des Rheineinzugsgebietes zeigt, wie sich die Quelle einer Methadon verschmutzung mithilfe von Wasserproben geografisch eingrenzen liess. Die Verschmutzungsquelle liegt oberhalb der rot gestrichelten Linie in Pfeilrichtung.

Jeden Morgen fährt ein Mitarbeiter des Amtes für Umwelt und Energie Basel-Stadt (AUE BS) über die Grenze nach Deutschland, um im benachbarten Weil am Rhein Wasserproben aus dem schweizweit grössten Fluss abzuholen. Der Standort der Rheinüberwachungsstation (RÜS) liegt unterhalb der Palmrainbrücke, die das deutsche Ufer mit dem französischen Huningue verbindet. «Damit können wir die Wasserqualität des Rheins bis zur Landesgrenze überprüfen und erfassen so auch allfällige Einleitungen der chemischen Industrie in Basel», erklärt Jan Mazacek, der Laborleiter des AUE BS.
In den Hightech-Analysegeräten des Umwelt­labors durchlaufen die während 24 Stunden kontinuierlich gesammelten Proben des Rheinwassers eine Art nachträgliche Zollkontrolle. «Praktisch alle Einträge, die unterhalb der grossen Seen durch Störfälle und Dauereinleitungen in die Zuflüsse oder direkt in den Rhein gelangen, können wir ausfindig machen und im Idealfall bis zu den jeweiligen Verursachern zurückverfolgen», sagt Jan Mazacek.

Eine Katastrophe als Auslöser

Auslöser für den Bau der 1993 eröffneten RÜS war der Grossbrand einer Lagerhalle mit über 1000 Tonnen Agrochemikalien, der sich am 1. November 1986 im Industriegebiet Schweizerhalle bei Basel ereignete. Mit dem Löschwasser wurden damals tonnenweise chemische Substanzen ungeklärt in den Rhein geschwemmt, was bis zum etwa 300 Kilometer entfernten Mainz (D) praktisch alles Leben im Fluss auslöschte.
In der Folge einigten sich die Rheinanliegerstaaten darauf, das System der Früherkennung auszubauen, um rasch auf einen plötzlichen Anstieg der Konzentration gefährlicher Stoffe reagieren zu können. Die Schweiz und das deutsche Bundesland Baden-Württemberg finanzieren die RÜS seither gemeinsam, wobei das AUE BS im Auftrag des BAFU und der Partnerbehörde Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in Karlsruhe (D) für den Betrieb und die Analytik zuständig ist.

Alarmierung der Wasserwerke

Das Untersuchungsprogramm im AUE-Labor umfasst einerseits 680 Parameter, die gezielt untersucht und von denen 380 täglich analysiert werden. Andererseits wird eine neue Technik eingesetzt, die es erlaubt, erhöhte Konzentrationen von unbekannten Chemikalien zu erkennen. «Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die organischen Verunreinigungen, da sie sich schon bei geringen Konzentrationen negativ auf Wasserorganismen auswirken können», erläutert Jan Mazacek. Die Auswertungen der Tages-Sammelproben liegen jeweils bereits nach wenigen Stunden vor. Sofern die Konzentrationen einzelner Pestizide oder Pharmawirkstoffe im Rheinwasser die Warnschwelle von 0,3 Mikrogramm pro Liter (µg/l) – also Millionstel Gramm – erreichen, löst die Überwachungsstation einen internationalen Alarm aus. Dabei geht es vor allem darum, die Trinkwasseraufbereitung der Stadt Basel und der flussabwärts gelegenen Wasserwerke am Rhein mit ihren rund 22 Millionen Konsumenten vor unerwünschten Fremdstoffen zu schützen. Bei einem langjährigen mittleren Abfluss des Rheins in Basel von 1051 Kubikmeter pro Sekunde (m3/sec) entspricht ein Schadstoffgehalt von 0,3 µg/l einer Tagesfracht von 27 Kilogramm (kg).

Suche nach den Belastungsquellen

Die Betreiber der RÜS begnügen sich aber nicht damit, die flussabwärts gelegenen Wasserversorger und Warnzentralen zu alarmieren, sondern gehen auch den Ursachen solcher Schadstoffwellen nach. Treten in der Überwachungsstation auffällige Konzentrationen bestimmter Stoffe auf, die über das Mass der bekannten Hintergrundbelastung ­hinausgehen, wird flussaufwärts nach der mög­lichen Ursache gesucht. Dabei helfen regelmässig erhobene Proben aus dem Hochrhein und aus wichtigen Zuflüssen, die Quelle von Verunreinigungen geografisch einzugrenzen. Wichtige Hinweise liefern zudem nachträgliche Analysen von Abwasserproben aus Kläranlagen, Rückstellproben von Industrieabwasser sowie das Fachwissen der kantonalen Gewässerschutzbehörden. So stellte das AUE BS im Jahr 2013 zum Beispiel relativ hohe Werte einer zunächst unbekannten organischen Verbindung fest, die man dank der stark erweiterten Analysemöglichkeiten schliesslich als Methadon identifizieren konnte. Wie Fracht­berechnungen aufgrund der in Weil ermittelten Konzentrationen zeigten, waren im Einzugsgebiet rund 80 kg dieser Substanz in den Fluss gelangt. Anhand der untersuchten Wasserproben liess sich die Belastungsquelle bis an die Aare zwischen Brugg und Solothurn zurückverfolgen, wo auch der Verursacher ermittelt wurde.

Präventiver Gewässerschutz

Der Hersteller hatte das Methadon in grösseren Mengen ungewollt ins Abwasser – und damit in die Kläranlage – eingeleitet, wo die Substanz nur unzureichend abgebaut wurde. Inzwischen verbrennt das betroffene Unternehmen seine stark belasteten Abwässer, um künftige Verunreinigungen der Fliessgewässer zu vermeiden. «Die laufend perfektionierte Überwachung des Rheins schärft das Umweltbewusstsein der potenziellen Verursacher von Gewässerbelastungen», stellt Anke Hofacker von der BAFU-Sektion Wasserqualität fest. «Es motiviert sie, ihre Prozesse noch sorgfältiger zu betreiben und Einträge wassergefährdender Stoffe in die Gewässer möglichst zu verhindern. Damit leistet die RÜS im überwachten Einzugsgebiet einen bedeutenden Beitrag zum präventiven Gewässerschutz.» Als wichtiger Erfolgsfaktor erweist sich dabei die partnerschaftliche Kooperation der Behörden mit der Industrie. Denn in den meisten Fällen sind die ermittelten Schadstoffeinleitungen den verursachenden Betrieben gar nicht bewusst.

Der Rhein ist ein Sammelbecken

Der Rhein bei Basel entwässert ein Gebiet von fast 36 500 Quadratkilometern, das zu gut drei Vierteln auf die Schweiz entfällt. Hier leben denn auch 70 Prozent der gesamten Bevölkerung des Landes. «Aufgrund dieser Bedeutung eignet sich der Fluss optimal, um den Eintrag langlebiger Chemikalien in unsere Gewässer sowie die Wirksamkeit der Gewässerschutzmassnahmen zu überprüfen», erklärt Anke Hofacker. So zeigen etwa die Messungen in der RÜS, dass der Rhein pro Jahr über 150 Tonnen organische Spurenstoffe verfrachtet. Künftig will die Schweiz Wasserlebewesen und Trinkwasserressourcen besser vor diesen Mikroverunreinigungen schützen. So sieht das revidierte Gewässerschutzgesetz den Ausbau von ausgewählten Kläranlagen mit einer weiteren Reinigungsstufe vor, um die Gewässerbelastung mit solchen Spurenstoffen zu reduzieren. «Damit wird die Schweiz nicht zuletzt ihrer Verantwortung als Quellgebiet und Oberlieger wichtiger europäischer Flüsse – wie Rhein, Rhone, Po oder Inn – gerecht», sagt Anke Hofacker.

Überwachungsstation
Das Gebäude der Rheinüberwachungsstation (ROS) in Weil (links). Das hochauflösende Massenspektrometer (HPLC-HRMS), mit dem die Tages-Sammelproben analysiert werden.
© Beat Jordi

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 25.08.2017

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/themen/wasser/dossiers/magazin--umwelt--1-2017---wasserqualitaet/den-schadstoffen-im-rhein-auf-der-spur.html