Kein anderer Konsumbereich in der Schweiz beeinträchtigt die Umwelt so stark wie unsere Ernährung. Immer mehr Personalrestaurants versuchen, dem entgegenzutreten. Sie bieten bewusst Menüs an, die sich weniger negativ auf das Klima und die Biodiversität auswirken. Dabei spielt der Fleischkonsum eine zentrale Rolle.
Text: Kaspar Meuli

© SV Group
In der Spitzengastronomie ist Gemüse das neue Fleisch. Auf den Tellern von Daniel Humm, der als Schweizer in New York eines der weltbesten Restaurants führt, ist oft Pflanzenkost der Star. Und für Nenad Mlinarevic, den Schweizer Koch des Jahres 2016, der im Park Hotel Weggis (LU) am Herd steht, sind nicht etwa Hummer oder Kaviar wahrer Luxus, sondern hochwertige Produkte aus der Umgebung – darunter viel Gemüse von lokalen Bauern. Doch nicht nur Sterneköche interessieren sich neuerdings für das kulinarische Potenzial von Pflanzen. Auch immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten suchen Alternativen zu Fleisch und anderen tierischen Produkten. Dementsprechend bauen die Grossverteiler ihr Angebot an veganen Lebensmitteln aus. Bewusstes Essen – sei es mit Blick auf die eigene Gesundheit oder auf die Umweltauswirkungen – entwickelt sich zum gesellschaftlichen Trend.
Klimafreundliche Menüs in Kantinen
Dies gilt auch für die Verpflegung am Arbeitsplatz, denn immer mehr Personalrestaurants legen Wert auf umweltschonendes Essen. Nach Recherchen von umwelt bieten bereits weit über 200 Kantinen, Mitarbeiterrestaurants, Kinderkrippen und Mensen in der ganze n Schweiz ihren Gästen klimagerechte Menüs an (siehe Kasten). Treibende Kraft hinter dieser Strömung sind grosse Unternehmen der sogenannten Gemeinschaftsgastronomie wie die SV Group und die Compass Group oder Beratungsfirmen wie Eaternity und Beelong. «Gastrounternehmen können einen grossen Beitrag dazu leisten, den ökologischen Fussabdruck durch die Verpflegung ausser Haus zu verringern», sagt Claudia Challandes von der BAFU-Sektion Konsum und Produkte. In der Tat ist die Ernährung für rund 30 Prozent der durch unseren Konsum und die Produktion im In- und Ausland verursachten Umweltbelastung verantwortlich, wie eine 2011 publizierte Ökobilanz-Studie im Auftrag des BAFU zeigt. Weil ein wesentlicher Bestandteil der Nahrungsmittel auswärts konsumiert werde, stellten die Personalrestaurants einen «wichtigen Hebel» für die Schonung natürlicher Ressourcen dar, erklärt Claudia Challandes.
Mit dem Essen die Welt verändern
«Dreimal pro Woche klimafreundliches Essen wird die Welt verändern», propagiert denn auch das ETH-Spin-off-Unternehmen Eaternity und rechnet vor, dass eine solche Mahlzeit gleich viel Treibhausgasemissionen vermeidet, wie eine Autofahrt von 6,5 Kilometern verursacht. Würden alle Europäer und US-Amerikaner dreimal wöchentlich klimaschonend essen, hätte dies denselben Effekt, wie wenn 57 Millionen Autos von den Strassen verschwinden würden. Auch das von der Compass Group betriebene Personalrestaurant des BAFU bietet seit Anfang 2015 regelmässig ein von Eaternity berechnetes klimafreundliches Menü an – vielversprechende Gerichte wie zum Beispiel Spinat-Linsen-Lasagne mit Birne und Haselnuss. Nach anfänglicher Skepsis werden inzwischen nicht nur mehr Vegi-Gerichte bestellt, sondern es essen generell mehr Mitarbeitende im Personalrestaurant als vor Einführung der umweltgerechteren Menüs. Wichtig ist, dass die Gäste eine Wahl haben, wie die Erfahrung nicht nur beim BAFU zeigt.

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Das Menü wird nach dem Lustprinzip gewählt
Vorreiterin beim Umweltschutz in der Mittagspause ist die SV Group, welche hierzulande rund 300 Personalrestaurants betreibt. Bereits 120 von ihnen machen beim Klimaschutzprogramm «ONE TWO WE» mit. Ziel ist, jedes Jahr 6000 Tonnen Kohlendioxid (CO2) einzusparen. Ende 2017 sollen gegen 80 Prozent der bekochten Gäste bei der SV Group die Möglichkeit haben, klimaschonend zu essen und «köstliche vegetarische Alternativen» zu wählen. Zwar ist Fleischessen unbestritten auch eine Gaumenfreude, so das Credo des grössten Kantinenbetreibers im Inland, doch wer beim Essen aufs Klima achten will, sollte seinen Fleischkonsum einschränken. Denn für die Produktion von 1 Kilogramm (kg) Rindfleisch entweichen bis zu 17 kg CO2 in die Atmosphäre. Dieselbe Menge saisonales Gemüse hingegen setzt weit weniger als 1 kg des Treibhausgases frei, wie die SV Group ihren Kunden vermittelt. Und auch eiweisshaltige Alternativen zum Fleisch – wie Tofu, Seitan oder Quinoa – belasten das Klima nicht so stark wie die Viehzucht. Doch eigentlich sind solche Rechenbeispiele den meisten Menschen egal, wenn sie an der Restauranttheke eines der angebotenen Menüs wählen. «Uns ist klar geworden, dass dieser Entscheid ausschliesslich nach dem Lustprinzip gefällt wird», erklärt Peter Lutz, Marketingchef der SV Group. Wenn klimaschonende Menüs Erfolg haben sollen, brauche es deshalb nicht Infotäfelchen zum eingesparten CO2, sondern besonders attraktiv zubereitete Gerichte. «Im Vordergrund muss immer der Genuss stehen», betont Peter Lutz.
Mehr Gemüse – weniger Fleisch und Pasta
Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigen die Zahlen der SV Group zum Lebensmittelverbrauch in den von ihr geführten Betrieben. Im Personalrestaurant der Firma Givaudan in Dübendorf landet heute ein Viertel mehr Gemüse auf den Tellern als vor 4 Jahren. Dementsprechend zurückgegangen ist der Konsum von Fleisch und Pasta. Auch Gästebefragungen der SV Group ergeben ein aufschlussreiches Bild: Am wichtigsten sind den Kunden Aspekte wie «frische Angebote», «leichte, gesunde Ernährung» und «Abwechslung». Dann aber folgt – noch vor dem Preis – die Umwelt. Drei Viertel der Befragten sind bereit, für ein besonders umweltfreundliches Menü bis zu 1 Franken mehr auszugeben. Zum Vergleich: Ein besseres Ambiente ist nur 40 Prozent der Gäste denselben Aufpreis wert. Andreas Hauser von der BAFU-Sektion Ökonomie verfolgt die Entwicklung mit Genugtuung: «Die Personalrestaurants sind erfreuliche Beispiele von Unternehmen, welche die Ressourceneffizienz in die Tat umsetzen.»
Gefragt sind kreative Vegi-Köche
In der Gemeinschaftsgastronomie ist man sich einig, dass die Köchinnen und Köche der eigentliche Schlüssel zum Erfolg von umweltschonendem Essen in Firmenrestaurants, Schulmensen und Spitalcafeterias sind: Sie brauchen Beratung und Informationen beim Einkauf und konkrete Menüvorschläge. Insbesondere aber müssen sie lernen, wie man lustvoll Gemüse kocht. Dazu sind sie auf Weiterbildungsangebote angewiesen. Die von Studierenden der Ecole hôtelière de Lausanne gegründete Beratungsfirma Beelong zum Beispiel bietet zusammen mit dem Kanton Waadt Kurse in nachhaltigem Einkaufen für Küchenchefs an. Eaternity hat sein Beratungsteam mit einem ehemaligen Küchenchef von Hiltl verstärkt, einem Zürcher Pionier unter den Schweizer Vegi-Restaurants, und auch die SV Group schickt ihre Köche zu Vegi-Spezialisten in die Weiterbildung. «Der Zeitgeist hat gedreht», sagt Marketingchef Peter Lutz. «Früher war ein Held, wer Fleisch toll zubereiten konnte. Heute erhalten unsere Küchenchefs Komplimente für ihr raffiniert mariniertes Gemüse.»
Kriterien für umweltgerechte Menüs
Personalrestaurants, die sich umweltfreundlicher Menüs rühmen wollen, müssen klar definierte Kriterien erfüllen. Den «Eaternity Award» als Symbol für ihre klimaschonenden Mahlzeiten dürfen Restaurants auf Speisekarten und am Tresen nur verwenden, wenn ihre Menüs 50 Prozent weniger CO2 verursachen als ein Durchschnittsgericht. Im «ONE TWO WE»-Programm muss die Hälfte der angebotenen Menüs fleischlos sein, und auch die besonders beliebten Tagesgerichte müssen regelmässig ohne Fleisch auskommen. Zudem verlangt die SV Group messbare Anstrengungen in allen umweltrelevanten Bereichen: angefangen bei saisonal ausgerichteten Angeboten und Lieferanten, die möglichst aus der Region stammen sollen, über nachhaltig hergestellte Label-Produkte bis zum ressourcenschonenden Umgang mit Energie und Abfällen. So liess sich unter anderem der Anteil an Foodwaste massiv senken – innert acht Jahren ging er um die Hälfte auf heute noch knapp 40 Gramm pro Mahlzeit zurück. Beelong erlaubt den Profis in der Küche ihre Menüs schon beim Einkauf aus Umweltsicht zu optimieren. Eine Datenbank mit über 30 000 Lebensmitteln garantiert die Einfachheit der Anwendung.
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Letzte Änderung 15.02.2017