Chemikalien: Das Wichtigste in Kürze

Mehr als 26 000 chemische Stoffe werden in Europa in Mengen über einer Tonne pro Jahr in Verkehr gebracht. Sowohl die produzierten Mengen als auch die Anzahl der verwendeten Chemikalien nehmen weltweit zu. Mögliche unerwünschte Wirkungen auf die Umwelt müssen damit laufend beurteilt und nötigenfalls reguliert werden. Die Gesellschaft erwartet, dass von Produkten des täglichen Bedarfs keine Risiken durch schädliche Stoffe ausgehen. Internationale Initiativen für mehr Chemikaliensicherheit spielen auch für die Schweiz eine wichtige Rolle.


1. Produktion, Transport, Lagerung, Verbrauch und Entsorgung von chemischen Stoffen (Ursachen) 

Täglich kommt der Mensch in Kontakt mit chemischen Stoffen – ob in Malerfarben, Putzmitteln, Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, Möbeln oder Smartphones. Chemische Produkte und Technologien ermöglichen Innovationen in allen Lebensbereichen. Bis heute wurden weltweit mehr als 100‘000 chemische Stoffe und Stoffgemische für die Herstellung und Verwendung gelistet. Schätzungsweise 40'000 bis 60'000 davon sind auf dem Markt.

Die Produktion von chemischen Stoffen hat sich in den letzten 100 Jahren vervielfacht, von weltweit 1 Mio. t im Jahr 1930 auf heute mehr als 400 Mio. t jährlich. Die chemische und pharmazeutische Industrie der Schweiz hat ihre Exporte im Jahr 2017 auf rund CHF 99 Milliarden pro Jahr gesteigert und damit seit 1995 mehr als verdreifacht. Sie ist damit die wichtigste Exportbranche der Schweiz. Und die Schweiz zählt in diesem Bereich zu den fünf grössten Exportnationen der Welt.

Die Produktion von Chemikalien wird in den nächsten Jahrzehnten weltweit weiter zunehmen und Produktionsstandorte verlagern sich aus Industrieländern in Schwellenländer. Heute werden in Schwellenländern teilweise tiefere Standards bei der Chemikaliensicherheit angewendet.


2. Grosse Anzahl und Vielfalt von Chemikalien, hoher Verbrauch, Eintrag in die Umwelt (Belastungen) 

Gut 26'000 chemische Stoffe werden in Europa jährlich in Mengen über einer Tonne pro Jahr wirtschaftlich genutzt. Ungefähr 4600 Stoffe wurden im Jahre 2010 in den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Jahresmengen von mehr als 1000 t hergestellt oder importiert.

Chemikalien können über ihren gesamten Lebenszyklus Risiken bergen – bei der Herstellung und Verwendung, beim Transport, der Lagerung oder auch der Entsorgung. Stoffe gelangen auf zahlreichen Wegen in die Umwelt, wo sie die Gesundheit von Menschen sowie die Ökosysteme und die Biodiversität gefährden können:

  • Chemische Stoffe können via Abwasser aus industriellen Prozessen oder Privathaushalten in Gewässer gelangen.
  • Pflanzenschutzmittel oder Dünger können aus Böden ausgeschwemmt werden oder in das Grundwasser versickern.
  • Metalle, Biozide und andere organische Stoffe werden aus Baumaterialien oder aus Gebrauchsgegenständen, die im Freien verwendet werden, ausgewaschen.
  • Lösungsmittel und andere flüchtige Stoffe gelangen aus Anlagen oder Reinigungsprozessen in die Atmosphäre.
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3. Verbreitung von Chemikalien in der Umwelt (Zustand) 

Chemische Schadstoffe finden sich in allen Umweltkompartimenten (Boden, Wasser, Luft) und auch in Lebewesen.

Nur bei wenigen, ausgewählten Schadstoffen erlauben die ständigen Messnetze (Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität NAWA, Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA, Nationales Beobachtungsnetz für Luftfremdstoffe NABEL und Nationale Bodenbeobachtung NABO), sich ein Bild über die Belastung von Fliessgewässern, Grundwasser, Luft und Boden zu machen. Diese Messreihen zeigen den zeitlichen Verlauf von Umweltbelastungen auf.
Punktuelle Messungen erlauben momentane Aussagen zur Umweltbelastung mit bestimmten Stoffen. In zeitlichen Abständen wiederholte Messkampagnen erlauben Aussagen über Trends.

  • Nach dem Verbot von Nonylphenolethoxylaten in Waschmitteln (1995) oder dem Verbot des bromierten Flammschutzmittels Pentabromdiphenylether (2005) zeigte sich beispielsweise eine Trendwende beim Konzentrationsanstieg dieser Stoffe im Sediment. Bei den Dioxinen zeigen Messungen in Kuhmilch ebenfalls einen Rückgang.
  • Messungen von polychlorierten Biphenylen (PCB) in Fischen aus Schweizer Fliessgewässern ergaben Hinweise auf anhaltende punktuelle Einträge von PCB in die Flüsse Saane und Birs.

Dank des guten Ausbaustandards der Abwasserreinigungsanlagen sind die Nährstoffeinträge (Stickstoff und Phosphor) und Einträge von gelösten organischen Substanzen und Schwermetallen in die Schweizer Gewässer stark zurückgegangen.

Doch eine Vielzahl von Chemikalien werden bei heutigem Stand der Technik nur teilweise oder gar nicht zurückgehalten. Diese sogenannten Mikroverunreinigungen stammen aus unzähligen Produkten des täglichen Gebrauchs (Medikamente, Reinigungsmittel, Körperpflegeprodukte, etc.) sowie aus Pflanzen- und Materialschutzmitteln. Betroffen von Mikroverunreinigungen sind vor allem kleine und mittlere Fliessgewässer in dicht besiedelten Regionen und in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten.

In der Antarktis reduziert sich die Ozonschicht während der Monate September und Oktober um 50% (Bildung eines Ozonlochs). Über unseren Breitengraden hat die Ozonkonzentration seit 1980 um rund 5% abgenommen. Doch heute hat sich der Zustand der Ozonschicht stabilisiert. Wenn die Anstrengungen weltweit wie bisher fortgesetzt werden, dürfte die Ozonschicht gegen 2060 das Niveau erreichen, das sie vor 1980 hatte. Das Ozonloch wird voraussichtlich erst zwischen 2060 und 2075 verschwinden.


4. Auswirkungen von chemischen Stoffen in der Umwelt (Auswirkungen)  

Chemische Stoffe haben unterschiedliche ökotoxikologische Eigenschaften. Das Risiko eines Stoffes für die Umwelt lässt sich aufgrund des Gefährlichkeitsprofils (ökotoxische Wirkungen auf verschiedene Organismen), der Belastung der Umwelt (Exposition) und des Verhaltens in der Umwelt (Verteilung zwischen und Aufenthaltszeit in Umweltkompartimenten) abschätzen. Bestimmte chemische Stoffe können auch bei niedrigen Konzentrationen in der Umwelt und in der Nahrung bei lang anhaltender Einwirkung zu chronischen Schadwirkungen führen. Dazu zählen beispielsweise Krebs erzeugende oder das Erbgut schädigende Wirkungen, Beeinträchtigungen des Immunsystems oder des zentralen Nervensystems, Störungen der Fortpflanzung, nachteilige Wirkungen auf endokrine (hormonale) Steuerungsmechanismen der Individualentwicklung.

Solche Wirkungen können bei vielen höher entwickelten Lebewesen unterschiedlicher taxonomischer Stufen auftreten. Ein Beispiel ist die Verweiblichung männlicher Fische unterhalb von Kläranlagen durch natürliche Östrogene (Östradiol) und Xenoöstrogene (Bsp. Ethinylöstradiol aus der Antibaby-Pille, Nonylphenol aus Industriechemikalien).

Als Folge der Schädigung der Ozonschicht hat die durchschnittliche UVB-Strahlung in unseren Breitengraden zwischen 1980 und 1999 um rund 6% zugenommen und bis zu 50% während Überflügen von kleineren Ozonlöchern aus der Arktis. Die Belastungssituation verharrt seither auf diesem Niveau. Diese intensive Strahlung kann der menschlichen Gesundheit schaden (Sonnenbrand, Hautkrebs, Augenleiden).

Meist ist es schwierig, den Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Schadstoffen und von Schäden oder Veränderungen in der Umwelt wissenschaftlich zu belegen.

Wenig ist auch bekannt über die die Kombinationswirkung von Chemikalien auf Organismen und Ökosysteme.

Ebenso sind die Auswirkungen des Klimawandels auf das Umweltverhalten von Chemikalien (z. B. Remobilisierung von in arktischen Eismassen und Gletschern eingelagerten persistenten Stoffen) noch weitgehend unbekannt.


5. Registrierung, Bewertung, Zulassung, Beschränkung (Massnahmen)  

Beim sicheren Umgang mit Chemikalien gilt das Vorsorgeprinzip. Die 2017 verabschiedete Chemikalienstrategie des Bundes beschreibt 29 Massnahmen, um die Sicherheit beim Umgang mit Chemikalien zu gewährleisten. Darüber hinaus sieht die Strategie auch vor, die Grundsätze einer grünen Chemie über den ganzen Lebenszyklus anzuwenden und den Stand des Wissens weiterzuentwickeln. Die Chemikalienstrategie wird derzeit aktualisiert.

Der Bund hat gesetzliche Vorschriften über den Marktzugang und die Verwendung von Chemikalien erlassen. Biozide und Pflanzenschutzmittel dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Bundesbehörden eine Zulassung erteilen.

Die seit dem 1. Januar 2022 geltenden neuen Zuständigkeiten für die Zulassung von Pflanzenschutzmittel (PSM) stärken die Unabhängigkeit der Risikobeurteilung. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist für die Beurteilung der Risiken von PSM für die Umwelt zuständig. Es werden strengere Zulassungskriterien für nicht professionelle Anwendungen von PSM erarbeitet.

Zudem gelten seit dem 1. Januar 2021 strengere Vorschriften für die Ausfuhr von bestimmten in der Schweiz nicht zugelassenen Wirkstoffen von PSM: Für fünf besonders problematische Wirkstoffe von PSM gilt ein Exportverbot und gut 100 Wirkstoffe wurde einer Ausfuhrbewilligungspflicht mit Zustimmungserfordernis des Einfuhrlandes unterstellt.

Die im Februar 2022 vom Bundesrat beschlossene Änderung der ChemRRV sieht ein Verbot von oxo-abbaubaren Kunststoffen vor, da diese in der Umwelt nicht mineralisiert werden und das Recycling von Kunststoffen beeinträchtigen können.
Seit 2020 sind in neuen Wärmepumpen sowie Kälte- und Klimaanlagen nur noch Kältemittel erlaubt, deren Treibhausgaspotenzial eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Alte Brandschutzanlagen, die ozonschichtabbauende Löschmittel (z. B. Halone) enthalten, müssen bis Mitte 2024 ausser Betrieb genommen werden.

Die Verwendung des extrem klimaschädlichen Gases Schwefelhexafluorid (SF6) ist in der Schweiz grundsätzlich verboten. Es gelten jedoch Ausnahmen bei speziellen Anwendungen, für die kein Ersatz verfügbar ist. Um den Verbrauch von SF6 möglichst niedrig zu halten, haben mehrere Firmen, die dieses Gas verwenden, auf Anregung des Bundes eine Branchenvereinbarung abgeschlossen, die Reduktionsziele vorsieht.

Alle anderen Chemikalien, die unter die Chemikaliengesetzgebung fallen, müssen von den Herstellern und Importeuren in Eigenverantwortung hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit und die Umwelt beurteilt werden.

  • Bringt ein Stoff ein nicht akzeptierbares Risiko mit sich, verbietet oder beschränkt der Bund das Inverkehrbringen oder die Verwendung dieses Stoffes

Zudem hat die Schweiz ein Register über die Freisetzung und den Transfer von Schadstoffen erstellt (Swiss PRTR: Swiss Pollutant Release und Transfer Register). Das Register schafft der Öffentlichkeit Zugang zu Informationen über die Freisetzung von Schadstoffen sowie über den Transfer von Abfällen und Schadstoffen in Abwasser.

Um die weltweiten schädlichen Auswirkungen von Chemikalien zu reduzieren, ist ihr Umgang in mehreren internationalen Konventionen geregelt:

  • Das Stockholmer Übereinkommen (2001) über persistente organische Schadstoffe (POP-Konvention) enthält Regelungen für mittlerweile 28 Substanzen, die sich in Organismen anreichern können (z.B. PCB).
  • Das Rotterdamer Übereinkommen (2004) über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung (PIC-Konvention) regelt die Ein- und Ausfuhr von 50 gefährlichen chemischen Erzeugnissen und Kategorien von Chemikalien (hauptsächlich Pestizide).
  • Das Basler Übereinkommen (1989) über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung enthält Vorschriften für die Ein- und Ausfuhr von gefährlichen Abfällen beziehungsweise von Abfällen, die gefährliche Chemikalien enthalten.
  • Das Montrealer Protokoll (1987) enthält einen Zeitplan für die Verringerung ozonschichtabbauender Stoffe und legt Fristen für den Produktions- und Verbrauchsstopp fest.
  • Das Minamata Quecksilber-Übereinkommen wurde Anfang 2013 in Genf verabschiedet und ist seit dem 16. August 2017 in Kraft. Es hat zum Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor anthropogenen Emissionen und Freisetzung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen schützen. Damit wird eine Lücke im bestehenden Chemikalien- und Abfallregime geschlossen werden. In der Schweiz gelten seit dem 1. Juli 2018 zusätzlich strenge Beschränkungen für die Ausfuhr von Quecksilber.

Auf internationaler Ebene engagiert sich der Bund für die Weiterentwicklung von Chemikalienabkommen der UNO und der UNECE sowie von technisch-wissenschaftlichen Grundlagen der OECD, um Chemikalien hinsichtlich gefährlicher Eigenschaften und Risiken zu prüfen und zu beurteilen.

Gross ist aber nach wie vor der Bedarf bei der Prüfung und der Beurteilung von Chemikalien, die auf den Markt sind und für die es Hinweise gibt, dass sie schädliche Wirkungen auf Menschen und Umwelt haben können.

Auf Ebene der UNO wurde 2006 eine globale Strategie für den weltweit sicheren Umgang mit Chemikalien (SAICM, Strategic Approach to International Chemicals Management) entwickelt. An diesem Prozess waren neben Behörden der Länder und internationalen Organisationen auch die Industrie und Nichtregierungsorganisationen beteiligt. Für die Zeit nach 2020 erarbeitet die Staatengemeinschaft mit interessierten Stakeholdern ein neues Mandat und geeignete Instrumente für mehr Nachhaltigkeit im globalen Chemikalienmanagement (SAICM post 2020).

Im Zulassungsverfahren für Biozide arbeitet der Bund eng mit den Behörden der EU zusammen. Zudem nimmt die Schweiz welt- und europaweit harmonisierte Standards in die eigene Chemikalienregulierung auf. Dadurch werden einheitliche Standards zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt gefördert und Handelshemmnisse vermieden.

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Letzte Änderung 19.12.2022

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