PFAS im Grundwasser: Den «Forever Chemicals» auf der Spur
An fast der Hälfte der NAQUA-Messstellen haben Bund und Kantone PFAS im Grundwasser festgestellt – chemische Substanzen, die extrem langlebig sind und unsere Gesundheit beeinträchtigen können. Mauro Veronesi, Leiter der Abteilung Gewässerschutz und Wasserversorgung des Kantons Tessin, erläutert, wie die kantonalen Fachstellen die Ursachen der Verschmutzung ermitteln.
Sie weisen Fett, Schmutz und Wasser ab, sind hitzeresistent und darum äusserst praktisch: PFAS, kurz für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, finden sich beispielsweise in Outdoorkleidung, Beschichtungen von Pfannen oder Feuerlöschschäumen. Aber sie verbreiten sich auch in der Umwelt und sind dort kaum abbaubar – man nennt PFAS deshalb auch «Forever Chemicals» oder «ewige Chemikalien». Einige der über 10 000 Stoffe sind erwiesenermassen schädlich für den Menschen – manche können beispielsweise Krebs verursachen. Einzelne PFAS sind mittlerweile in der Schweiz verboten.
Eine Pilotstudie der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA (siehe Box) hat gezeigt, dass PFAS an knapp der Hälfte der Messstellen im Grundwasser zu finden sind. Die kantonalen Fachstellen sind nun dabei, die jeweiligen Quellen der «Forever Chemicals» vor Ort zu eruieren, um adäquate Massnahmen zum Schutz des Grundwassers und damit des Trinkwassers ergreifen zu können. Wie man den PFAS auf die Spur kommt, weiss Mauro Veronesi, Leiter der Abteilung für Gewässerschutz und Wasserversorgung des Kantons Tessin.
Mauro Veronesi, wie finden Sie heraus, woher die PFAS im Grundwasser stammen?
Indem wir das Einzugsgebiet eines belasteten Grundwasservorkommens sehr genau untersuchen. Einen typischen Fall entdeckten wir im Jahr 2020. In Chiasso fand man in einem Grundwasserbrunnen, der zur Trinkwassergewinnung genutzt wird, Perfluoroctansulfonsäure – kurz PFOS, ein Stoff, der zu den PFAS zählt und in der Schweiz bereits seit 2011 streng reguliert ist. Die Schwierigkeit ist, dass PFOS aus verschiedenen Quellen stammen kann: aus Löschschaum, Industriebetrieben, Deponien, Altlasten oder Abwasser.
Also ein und derselbe Stoff, aber mehrere mögliche Quellen.
Genau. Wir sind also erst auf die Feuerwehren zugegangen und haben gefragt, wo sie in der Vergangenheit Übungen mit Löschschaum durchgeführt haben. Denn bis 2014 war PFOS im Löschschaum noch erlaubt. Dann haben wir erhoben, welche Industrien in der Nähe produzieren: In Chiasso gibt es einen Galvanik-Betrieb, aber in früherer Zeit waren dort auch viele Unternehmen der Textilindustrie, die PFAS verwendet haben könnten. Nur sind viele dieser Betriebe heute geschlossen. Wir mussten also eine historische Recherche durchführen, um rekonstruieren zu können, wer wo wann mit PFAS gearbeitet hat.
Und war es nun Löschschaum oder ein industrieller Standort?
Mit absoluter Sicherheit können wir das noch nicht sagen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Übungen der Feuerwehr mit Löschschaum die Verunreinigung verursacht haben. Denn es gab ganz in der Nähe dieser Trinkwasserfassung mehrere Orte, an denen die Feuerwehr früher geübt hat. Der Löschschaum versickerte danach wohl ins Grundwasser.
Welche Massnahmen traf man in Chiasso, um das Grund- und Trinkwasser zu schützen?
Im Vordergrund steht grundsätzlich, den Eintrag von PFAS ins Grundwasser zu minimieren. Dies bedeutet, PFAS-belastete Standorte zu identifizieren und soweit möglich zu sanieren. Im Trinkwasser gilt es zudem, den aktuellen Höchstwert von 0,3 Mikrogramm PFOS pro Liter einzuhalten, der in der Trinkwasserverordnung festgelegt ist. Auch wenn dieser knapp nicht überschritten war, hat die örtliche Wasserversorgung vorsorglich einen Aktivkohlefilter in ihre Anlage zur Aufbereitung von Trinkwasser eingebaut, um PFAS rauszufiltern. Jetzt sind die PFOS-Werte im behandelten Trinkwasser deutlich tiefer. Die Kosten für die Installation der Aufbereitungsanlage lagen bei 1,7 Millionen Franken.
Lassen sich alle PFAS aus dem Wasser filtern?
Verschiedene PFAS, wie etwa PFOS, lassen sich mit Aktivkohle aus dem Wasser entfernen. Bei anderen ist dies nur schwer bis nahezu unmöglich. Je kleiner und mobiler die PFAS sind, desto schwieriger und aufwendiger ist es, das Wasser aufzubereiten.
Gibt es neben Löschschäumen, Deponien und industriellen Einleitungen weitere PFAS-Quellen, die für das Grundwasser wichtig sind?
Es existieren weitere signifikante Einträge von PFAS ins Grundwasser: So kam es nach dem Bau des Ceneri-Basistunnels am Nordportal und in der Nähe der zugehörigen Aushub-Deponie zu einer grossflächigen Grundwasserbelastung mit Perfluorbutansäure (PFBA), die auch zu den PFAS gehört. Nach längeren Recherchen fanden wir heraus, dass dieser Stoff im Spritzbeton enthalten war, der im Tunnel verwendet wurde. Um den Eintrag ins Grundwasser zu stoppen, haben die SBB Sofortmassnahmen zum Schutz des Grund- und Trinkwassers ergriffen und leiten das verunreinigte Depotsickerwasser in die Abwasserkanalisation. Dann haben wir das Bundesamt für Strassen und grosse Bauunternehmen in der Region informiert. Wir luden sie dazu ein, künftig auf PFAS-haltigen Beton zu verzichten. Wir als Kanton sind ein grosser Auftraggeber und damit in der Position, die Privaten entsprechend zu sensibilisieren.
Und damit kriegen wir das PFAS-Problem in den Griff?
Das kann ich noch nicht sagen. Aktuell kennen wir nur etwa die 30 häufigsten PFAS einigermassen gut. Aber wir gewinnen stetig mehr Wissen – etwa zur Schädlichkeit dieser Stoffe für Mensch und Natur. Je mehr wir über sie herausfinden, desto grösser könnte auch der Handlungsbedarf werden. Wir stehen am Anfang, und das Thema wird uns noch lange beschäftigen.
