Internationale Waldpolitik der Schweiz
Die internationale Waldpolitik der Schweiz bewegt sich zwischen der Wahrung der eigenen Interessen und der Wahrnehmung ihrer internationalen Verantwortung. Dabei sucht sie effektive und realistische Lösungen für die bestehenden und sich abzeichnenden Probleme und Herausforderungen.
Die internationale Waldpolitik der Schweiz umfasst einerseits die multilaterale Ebene der waldrelevanten Konventionen und Prozesse auf globaler Ebene. Die wird unter Federführung des BAFU und in enger Zusammenarbeit mit der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit DEZA, dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV formuliert und umgesetzt. Andererseits bestehen auf europäischer Ebene diverse Prozesse, die für die Wald- und Holzpolitik der Schweiz wesentlich sind.
Ziele der Schweiz
Die Schweiz setzt sich für klare internationale Regeln und Rahmenbedingungen für die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern ein. In diesem Zusammenhang will die Schweiz ihre Erfahrungen mit der nachhaltigen Waldbewirtschaftung anderen Ländern zur Verfügung stellen und den Erfahrungsaustausch sicherstellen, vor allem bei Themen wie den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder.
Die internationale Waldpolitik der Schweiz orientiert sich an den Zielen der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung und des United Nations Strategic Plan for Forests 2017–2030:
- Gute Rahmenbedingungen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder schaffen: Dies bedingt, dass das Ökosystem Wald in all seinen ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen umfassend betrachtet wird. Als Voraussetzung dazu trägt die Schweiz zur Schaffung von adäquaten und stabilen finanziellen Rahmenbedingungen bei. Ziel ist, dass alle an den diversen Waldleistungen interessierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen an die Finanzierung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes beitragen.
- Herstellung eines institutionellen und rechtlichen Gleichgewichts: Für den Wald existieren noch keine rechtlich verbindlichen internationalen Regeln. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass diese Lücke geschlossen wird. Sie befürwortet ebenfalls, dass global und regional Waldinstitutionen als zentrale Foren der multilateralen Waldpolitik geschaffen werden.
- Sicherstellung von Kohärenz auf internationaler und nationaler Ebene: Kohärenz muss sichergestellt werden sowohl innerhalb des Waldregimes als auch zu anderen Politikbereichen wie Klima, Handel oder Biodiversität.
- Förderung konkreter Engagements und Verpflichtungen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung: Diese erfolgen auf multilateraler und bilateraler Ebene.
- Austausch von Erfahrungen: Die Schweiz verfügt über spezifische Erfahrungen in der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, die sie pro-aktiv in den internationalen Diskurs einbringt. Dazu gehört das dezentralisierte, föderale Zusammenwirken der lokalen, subnationalen und nationalen Ebenen oder der Umgang mit verschiedenen Eigentumsformen, aber auch die Erfahrung bei der Erhaltung der Waldfläche oder der naturnahen Bewirtschaftung von Wäldern. Andererseits ist die Schweiz auf den Austausch in neuen Themenbereichen angewiesen, beispielsweise bei den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und dessen diverse Leistungen.
Globale Entwaldung und die Schweiz
Analyse der Rolle der Schweiz in Bezug auf globale Entwaldung und Waldschädigung und Abschätzung der durch den Import und Konsum ausgewählter Güter verursachten Entwaldung.
Im Auftrag des BAFU hat die Berner Fachhochschule BFH eine Hintergrundstudie über die Rolle der Schweiz bei der Entwaldung und Waldschädigung tropischer und subtropischer Wälder durch den Import und Konsum ausgewählter land- und forstwirtschaftlicher Rohstoffe und Produkte erstellt. Die Ergebnisse wurden als zentrale Grundlage für den Bericht «Volkswirtschaftliche Beurteilung möglicher Optionen der Schweiz im Umgang mit der EUDR» verwendet.
Die Studie ist in zwei Teile gegliedert:
1. Wissenschaftliche Einschätzung des Beitrags der Schweiz zur globalen Entwaldung und Waldschädigung
Globale Entwaldung
Die Entwaldung hat erhebliche Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften und indigene Völker. Zwischen 1990 und 2020 wurden weltweit 178 Millionen Hektar Wald in andere Landnutzungsformen umgewandelt, was durchschnittlich 6 Millionen Hektar pro Jahr bzw. der 1½-fachen Fläche der Schweiz entspricht. Eine Meta-Analyse von 250 Studien zeigt, dass die Entwaldung in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend durch industrielle Landwirtschaft und veränderte Konsumgewohnheiten getrieben wurde. Holzplantagen spielen ebenfalls eine Rolle.Kommerzielle Landwirtschaft ist der wichtigste Treiber der Entwaldung, gefolgt von Subsistenzlandwirtschaft und Holznutzung. 80-90% der Entwaldung in den Tropen werden durch landwirtschaftliche Aktivitäten verursacht, wobei ein relevanter Teil auf den Anbau von Agrargütern für den internationalen Handel entfällt.Indirekte Ursachen der Entwaldung sind wirtschaftlicher Natur, einschliesslich Konsumgewohnheiten, Armut und fehlenden alternativen Einkommensquellen. Demographische, politische, technologische, natürliche und kulturelle Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle.
Auswirkung der Schweizer Importe von EUDR-Gütern auf die Entwaldung
Die Schweizer Importe von sieben EUDR*-Gütern (Soja, Rinder, Palmöl, Kakao, Kaffee, Naturkautschuk, Holz) und deren Erzeugnisse führen jährlich zu einem geschätzten Verlust von rund 4.300 Hektar tropischer Wälder. Das ist eine Fläche grösser als jene des Bielersees. Drei Viertel dieser Entwaldung sind auf den Schweizer Inland-Konsum zurückzuführen, während ein Viertel wieder exportiert wird.Die grössten Einflüsse auf die von der Schweiz verursachte Entwaldung haben die Importe von Soja, Rindfleisch, Kaffee, Kakao und Palmöl, die jeweils etwa 700-900 Hektar pro Jahr betreffen. Holz und Naturkautschuk tragen jeweils etwa 200 Hektar pro Jahr zur Entwaldung bei.Die Bilanzierung der Importe von EUDR-Gütern bildet nur einen Teil der Auswirkungen der Schweizer Wirtschaft auf die Entwaldung in den Tropen ab. Daneben tragen weitere Faktoren wie der Handel mit anderen Gütern und die Rolle des Finanzsektors ebenfalls zur Entwaldung bei.
European Union Deforestation Regulation (EUDR)
Die EU hat die European Union Deforestation Regulation (EUDR) eingeführt, um den Import von Produkten und Rohstoffen, die mit Entwaldung verbunden sind, zu verhindern. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Lieferketten der aufgelisteten Rohstoffe und Produkte entwaldungsfrei sind. Für entwaldungs- und waldschädigungsfreie Lieferketten gemäss der EUDR müssen Agrarrohstoffe und Holzprodukte den lokalen Gesetzen entsprechen und dürfen nicht mit Entwaldung nach dem 31. Dezember 2020 in Verbindung stehen. Schweizer EU-Markteilnehmer müssen ein Sorgfaltspflichtsystem anwenden, um die Entwaldungsfreiheit sicherzustellen.
2. Analyse der Schweizer Rolle in der Eindämmung der globalen Entwaldung und Waldschädigung
Massnahmen des Bundes zur Reduktion der globalen Entwaldung
Die Schweiz engagiert sich seit den 1970er Jahren aktiv in internationalen Programmen zum Erhalt der Wälder, insbesondere in den Tropen. Drei Bundesämter spielen dabei eine zentrale Rolle: Das Bundesamt für Umwelt (BAFU), die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Die Schweiz ist Mitunterzeichnerin in allen bestehenden globalen Übereinkommen und multilateralen Prozessen der Vereinten Nationen, die zur Verringerung der Entwaldung und Waldschädigung beitragen, sowie an einer Anzahl von rechtlich nicht bindenden Vereinbarungen.Seit dem 1. Januar 2022 ist die Schweizer Holzhandelsverordnung (HHV) in Kraft, die den Handel mit illegal geschlagenem Holz verbietet und hohe internationale Standards setzt. Die Studie beinhaltet Beispiele für Lösungsansätze aus Sicht der AutorInnen für die Weiterführung und Stärkung von Massnahmen des Bundes zur Reduktion der Globalen Entwaldung.
Download «Globale Entwaldung + die Schweiz»
Dieser Bericht wurde von der Berner Fachhochschule BFH im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) verfasst. Auftragnehmende und Autoren: Jürgen Blaser, Evelyn Coleman Brantschen, Mélanie Feurer, Oliver Gardi, Jan Grenz, Jelena Markovic
Bern, 8. Mai 2024
Download als PDF, die Studie steht ausschliesslich auf Deutsch zur Verfügung.
Programm Reduction of Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD+)
Das Programm Reduction of Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD+) wurde im Rahmen der UNO-Klimakonvention entwickelt und schafft weltweit Anreize, Kohlendioxidemissionen aus der Entwaldung in Entwicklungsländern zu reduzieren.
Die Grundidee von REDD+ ist es, Wälder mittels spezifischer Klima- und Entwicklungsfinanzierung aus öffentlichen und privaten Quellen sowie aus dem Kohlenstoffmarkt zu erhalten und nachhaltig zu bewirtschaften. REDD+ umfasst Unterstützung bei der Waldüberwachung, der Berichterstattung, der Umsetzung von Massnahmen und der Erreichung von Resultaten in Tonnen CO2. Integrierte Schutzmassnahmen für die Biodiversität und die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen stellen sicher, dass REDD+ weder den Wäldern noch deren Bewohnerinnen und Bewohner schaden. Gemäss der Klimarahmenkonvention, bis jetzt existieren in 63 Entwicklungsländern REDD+-Programme.
Entwaldung als eine Hauptquelle globaler Emissionen
Die globalen Netto-Treibhausgas-Emissionen aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft und anderer Landnutzung beliefen sich von 2017 bis 2019 auf 1190 +/–4,4 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht 21 % der gesamten durch Menschen verursachten Nettoemissionen. Die Entwaldung ist verantwortlich für Bruttoemissionen von 4,3 bis 5,5 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Die Reduzierung von Entwaldung und Waldzerstörung hat ein Minderungspotenzial von 0,4 bis 5,8 Gt CO2 pro Jahr (IPCC 2019).
Globales Klimaziel und REDD+
An der COP 21 im Dezember 2015 in Paris wurde die Wichtigkeit des Waldes und von REDD+ in den Vereinbarungen und im Klimaregime verankert, das 2020 in Kraft trat. Waldbewirtschaftung und Landnutzung wurden über den Artikel 5 in das Grundprinzip netto null bis 2050 des Übereinkommens eingeschlossen. Dieser Artikel geht spezifisch auf die Massnahmen in den Wäldern und REDD+ ein.
Die Schweiz unterstützt globales Handeln in Wäldern zur Reduktion der Entwaldung
Die Schweiz legt besonderes Gewicht auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung oder eine umfassende Wald-Gouvernanz (z. B. klare Nutzungs- und Eigentumsrechte). Sie setzt sich in den Bereichen Aussenpolitik und Entwicklungshilfe (spezifisch auch im Rahmen von REDD+) aktiv für Lösungen gegen Waldschädigung ein. Die internationale Waldstrategie der Schweizer Regierung basiert auf der Waldpolitik der Schweiz und dem Strategischen Plan der Vereinten Nationen für Wälder 2017–2030 (United Nations Forum on Forests » UN Strategic Plan for Forests).
Die DEZA beteiligt sich am BioCarbon Fund der Weltbank und unterstützt UN-REDD finanziell seit 2021. Über UN-REDD+ werden auch spezifische Programme unterstützt, wie die Verankerung von Wäldern und Biodiversität in naturbasierten Lösungen, soziale und gemeinschaftliche Forstwirtschaft sowie weiteren Fachgebieten.

