20.05.2025 - Fahrleitungsmasten der Eisenbahnen können für Vögel mit grosser Spannweite zur tödlichen Falle werden. Besonders der Uhu ist betroffen – jeder Stromunfall kann seine Bestände gefährden. Doch es gibt Lösungen: Bahnbetreiber setzen zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) gezielte Massnahmen um, um gefährliche Masten zu entschärfen. Diese Sanierungsprojekte sind ein wichtiger Beitrag zum Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz, der den Schutz bedrohter Arten fördert und Lebensräume sicherer macht.

© David Jenny & Werner Fischer
Wenn die Nacht hereingebrochen ist, schlägt seine Stunde: hoch oben auf einem Ansitz thront der Uhu und späht in die Dunkelheit. Keine Beute entgeht seinen scharfen Sinnen, da er jedes Geräusch wahrnimmt und selbst dann noch Umrisse sieht, wenn andere Vogelarten nur noch Schwarz sehen.
Der Uhu ist ein Ansitzjäger und schätzt eine gute Rundumsicht. Daher sind die hoch aufragenden Gestelle von Strom- oder Fahrleitungen ganz nach seinem Geschmack. Die Sitzwarte mag für ihn attraktiv sein, doch sie ist vor allem gefährlich.
Ausgewachsen erreicht die weltweit grösste Eule (Bubo bubo) eine beachtliche Flügelspannweite von bis zu 1.8 Meter. Werden die langen Flügel ausgebreitet, wird dem Uhu seine imposante Erscheinung auf dem Leitungsmast schnell zum Verhängnis. Nicht selten kommt es zu einem Stromschlag. Für den Uhu endet dieser in der Regel tödlich (siehe Kasten: Stromtodarten).
Verschiedene Stromtodarten beim Uhu

Berührt der Uhu gleichzeitig zwei stromführende Elemente wie die elektrischen Oberleitungen, kommt es zu einem Stromfluss durch seinen Körper und ein Kurzschluss wird ausgelöst. Dies passiert häufig über die Flügel des Uhus beim An- oder Abflug der Masten.

Weitaus häufiger werden Erdschlüsse ausgelöst. Touchiert der Uhu mit den Flügeln ein stromführendes Element, während er auf dem Mast sitzt, dann entsteht über den geerdeten Strommast ein Erdschluss. Auch mitgeführtes Nistmaterial oder ein Kotstrahl können einen tödlichen Stromschlag auslösen.
Der Uhu ist ein trauriges Beispiel für die Stromschlagproblematik in der Schweiz. Neben Unfällen im Strassen- und Schienenverkehr sind es eben gerade die Stromleitungen, die ihm immer wieder zum Verhängnis werden. Etwa jeder dritte tot aufgefundene Uhu ist einem Stromschlag zum Opfer gefallen. Die Dunkelziffer dürfte noch höher ausfallen, da einige der toten Vögel nicht aufgefunden werden. Das führt zu höheren Verlusten, als es natürlicherweise der Fall wäre, und macht sich bemerkbar: Gerade im Schweizer Alpenraum stagnieren die Bestände seit Jahren – trotz erfreulichen Bruterfolgen und zugeflogener Verstärkung aus Nachbarländern.
Die Fahrleitungsmasten sind bei vielen Vogelarten beliebt, sei es als Jagd-, Rast- oder sogar als Nistplatz. Doch nur wer klein genug ist, lebt sorglos. Für grössere Arten wie Eulen, Greifvögel oder Störche wird es schnell gefährlich. Mit spürbaren Folgen für die Arterhaltung, da die betroffenen Arten häufig national prioritär sind und nur geringe Bestände und wenig Nachwuchs haben. Die Schweiz ist durch ihre einzigartige Landschaft ein international wichtiges Refugium für viele dieser selten gewordene Vogelarten und trägt dafür eine Mitverantwortung. Um den Beständen die Chance einzuräumen, auf natürlichem und langfristigem Wege anzusteigen, muss die Stromschlagproblematik angegangen werden.
Rhätischen Bahn (RhB): Eine Erfolgsgeschichte für den Artenschutz
Prekär war die Lage für den Uhu unter anderem im Kanton Graubünden. In enger Zusammenarbeit mit der Schweizer Vogelwarte werden ausgehend von den Uhu-Brutplätzen die Fahrleitungsmasten der rhätischen Bahn (RhB) seit 2018 Stück für Stück vogelsicher saniert und die stromführenden Teile der Fahrleitungsmasten isoliert.
Ein finanziell vertretbarer Schritt für die RhB, ein grosser Schritt für den Artenschutz, denn die Massnahmen zeigen Wirkung: Seit 2022 werden im Engadin keine durch Stromschlag verunglückten Uhus mehr gefunden. Ein Ergebnis, das Hoffnung macht. Wünschenswert wäre, dass dieses Projekt in der Schweiz Schule macht und weitere Kantone nachziehen.
Auch im übrigen Stromnetz ist man zur Tat geschritten: im Engadin haben regionale Betreiber die Mehrzahl der Mittelspannungsmasten in den vergangenen 10-15 Jahren entweder saniert oder die Leitungen in den Boden verlegt.
Ein Pilotprojekt aus dem AP SBS (Phase I)
Mit dem Pilotprojekt A8.1 «Vogelschutz an Fahrleitungen» des Aktionsplans zur Umsetzung der Schweizer Biodiversitätsstrategie konnte die Stromschlagproblematik landesweit in Angriff genommen werden. Konkret stehen zum Beispiel auch die Masten der SBB-Fahrleitungen im Fokus. Schritt für Schritt sollen nun auch diese saniert werden.
Doch dafür muss zunächst einmal bekannt sein, wo die Gefahr lauert und am dringendsten gehandelt werden muss. Daher hat es sich nun die die Abteilung Fahrstrom bei der SBB zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe einer landesweiten Bestandsaufnahme ein Gefahreninventar ihrer Masten zu erstellen. Dabei stützt sich die SBB auf drei Kategorien von Anlagen, die mit einer risikobasierten Abschätzung als prioritär für die Sanierung identifiziert wurden. Es handelt sich dabei um Mastköpfe mit vertikalen, nach oben gerichteten Stützisolatoren, Mastkopfbereiche mit kritischen Bauweisen sowie Joche mit gestützter Tragseilbauweise. Ein besonders hohes Risiko besteht im obersten Bereich der Fahrleitungsanlage bzw. Übertragungsleitung, da Vögel hier bevorzugt absitzen. Die gestützte Bauweise von Leitungen (d.h. Leitungen unter Spannung, welche mit einem Isolator am Tragwerk nach oben abgestützt sind) weist ein grösseres Risiko für Vögel auf als Bauweisen, bei welchen der Isolator am Tragwerk nach unten gehängt ist. Diese kritischen Bereiche der Fahrleitungen sind in der Vogelschutzrichtlinie des BAV umfassend beschrieben.
Vogelschutzrichtlinie
Zusammen mit BAV, BAFU, SBB, RhB und Schweizerischer Vogelwarte konnte die Vogelschutzrichtlinie für Fahrleitungsanlagen der Bahnen 2019 aktualisiert werden. Für neue Fahrleitungsanlagen – sei es im Zuge einer umfangreichen Sanierung oder eines Neubaus – sind nun ausschliesslich vogelsichere Konstruktionen mit den notwendigen Minimalabständen zulässig. Bei weniger umfangreichen Unterhalts- und Instandhaltungsarbeiten werden die kritischen Anlagen mit Abdeckungen und Isolationsmassnahmen nachgerüstet.
Mit dem Gefahreninventar als Kompass für die Planung geht es in die praktische Umsetzung. In mehreren Phasen sollen die für Vögel gefährlich eingestuften Anlagen und Masten nach und nach saniert werden. Durch die Einsatzbereitschaft der SBB steht das Gefahreninventar kurz vor der Fertigstellung und parallel dazu konnten 2023 und 2024 Vogelschutzmassnahmen an einigen Fahrleitungsmasten realisiert werden.
Vogelschutzmassnahmen der SBB am Bahnhof Sion
Der Stromtod hat Auswirkungen auf das Betriebsnetz: Der Schutz der Vögel vor Stromschlag geht Hand in Hand mit weniger Betriebsstörungen sowie Beschädigungen an Fahrleitungsanlagen. Eine vorsorgliche Sanierung der stromschlaggefährdeten Masten sorgt so nicht nur für eine höhere Sicherheit bei den Vögeln, sondern gleichzeitig auch für eine störungsfreiere Stromversorgung für die Bahnen.
Trotz lösungsorientierten Engagements und der bisherigen Erfolge gibt es schweizweit noch immer viele Fahrleitungen und Strommasten, die das Leben von Uhus und deren Artgenossen bedrohen. Werden die Bemühungen zum Vogelschutz an Fahr- und Stromleitungen weitergeführt, lässt sich dadurch nicht nur ein Artenschutzproblem landesweit reduzieren, sondern auch eine höhere Sicherheit für die Stromversorgung bewirken.
Letzte Änderung 21.05.2025