Das Aufkommen neuer Technologien wie 5G wirft Fragen bezüglich der Auswirkungen der Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) auf. Als internationale Behörde für öffentliche Gesundheit ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dafür zuständig, die internationale wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu verfolgen, die verfügbare Evidenz zu bewerten und auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Daten Empfehlungen zu formulieren.
Aufträge der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Die WHO hat 2019 ein Projekt gestartet, um die gesundheitlichen Auswirkungen von HF-EMF zu beurteilen. Dazu gab sie zehn systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) zur wissenschaftlichen Literatur in Auftrag. Diese Reviews umfassen sowohl experimentelle Studien (Tier- und Zellstudien) als auch epidemiologische Studien am Menschen.
Für jede Art von Studie wurden die Daten systematisch, sorgfältig und zusammenfassend ausgewertet, wobei der Schwerpunkt auf spezifischen Auswirkungen wie Krebs, unspezifischen Symptomen, oxidativem Stress sowie Effekten auf Fortpflanzung und kognitive Funktionen lag.
Die Reviews haben die Zuverlässigkeit der wissenschaftlichen Evidenz – d. h. das Vertrauen in die Aussagekraft der Ergebnisse einer Studie – für die verschiedenen Auswirkungen nach dem GRADE-Ansatz bewertet. Dieser Ansatz ordnet die Zuverlässigkeit der Evidenz in vier Klassen ein: hoch, moderat, niedrig oder sehr niedrig. Je höher die Zuverlässigkeit der Evidenz ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Auswirkung oder das Ausbleiben einer Auswirkung tatsächlich zutrifft. Zur Darstellung der Ergebnisse und zur Verbesserung der Lesbarkeit wurden die Kategorien «niedrig» und «sehr niedrig» zu einer einzigen Kategorie «niedrig» zusammengefasst
Die wichtigsten Ergebnisse nach Forschungsbereich
Die Reviews weisen darauf hin, dass hinsichtlich krebserzeugendem Potenzial für den Menschen keine Auswirkungen vorliegen, wobei die Zuverlässigkeit der Evidenz moderat ist. Dies ist der Fall bei bestimmten Arten von Hirntumoren, Leukämie, Lymphomen, Schilddrüsenkrebs und Mundhöhlenkrebs. Bei anderen Tumorarten war es nicht möglich, eine endgültige Schlussfolgerung zu ziehen (niedrige Zuverlässigkeit der Evidenz). Aus der Review, in der Tierstudien berücksichtigt wurden, geht jedoch hervor, dass Gliome und Herzschwannome als Auswirkungen auftreten, und zwar mit hoher bzw. moderater Zuverlässigkeit der Evidenz.
In Bezug auf die reproduktive Gesundheit sind die Ergebnisse der experimentellen Studien an Tieren und mit menschlichem Sperma im Allgemeinen nicht aussagekräftig (niedrige Zuverlässigkeit der Evidenz). Für gewisse Auswirkungen – insbesondere die Verringerung der Schwangerschaftsrate sowie das Gewicht und die Länge des Fötus – wurde in Tierstudien eine moderate Zuverlässigkeit der Evidenz festgestellt. Bei anderen Auswirkungen, wie z. B. der Anzahl Nachkommen oder dem Gehirngewicht, kamen die Reviews zum Schluss, dass keine Effekte auftraten, wobei die Zuverlässigkeit der Evidenz moderat bzw. hoch beurteilt wurde.
Gemäss den Studienergebnissen zeigen sich keine unspezifischen Symptome wie Tinnitus und Migräne, allerdings fällt die Zuverlässigkeit der Evidenz niedrig aus. Auch Kopfschmerzen, Schlafstörungen und die Wahrnehmung der Strahlung und von elektrosensiblen Personen berichtete Symptome werden nicht als Auswirkungen festgestellt; hierbei ist die Zuverlässigkeit der Evidenz hingegen moderat.
Bei den anderen untersuchten Auswirkungen, insbesondere oxidativem Stress und Effekten auf die kognitiven Funktionen, wurde die Zuverlässigkeit der Evidenz als niedrig eingestuft.
Fazit des BAFU und des BAG
Grundsätzlich sind die von der WHO in Auftrag gegebenen systematischen Reviews der wissenschaftlichen Literatur ein wichtiges Instrument zur Bewertung der Zuverlässigkeit der Evidenz. Sie folgen einer strengen und standardisierten Methodik, die einen Überblick über die potenziellen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder ermöglicht. Insgesamt wird die Zuverlässigkeit der Evidenz der untersuchten Auswirkungen als moderat oder niedrig bewertet. In Tierstudien wurde eine hohe Zuverlässigkeit der Evidenz für Kanzerogenität beobachtet. Diese Ergebnisse sind jedoch nicht ausreichend fundiert, um daraus eine direkte Auswirkung auf die menschliche Gesundheit abzuleiten.
Die Ergebnisse der Reviews werden im Bericht der WHO, der Ende 2025 veröffentlicht werden soll, ausführlich dargestellt und bewertet. Dieser Bericht wird dazu beitragen die Resultate der Reviews besser einzuordnen.
Angesichts dieser ersten Ergebnisse bleibt das vom Bund angewandte Schutzkonzept weiterhin massgebend. Letzteres stützt sich auf das Umweltschutzgesetz und ist in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung geregelt. Dabei spielt insbesondere die Anwendung des Vorsorgeprinzips eine zentrale Rolle.
Anhänge
Letzte Änderung 19.08.2025