Torfersatz: Ein Rohstoff mit vielen Fragezeichen

Mit freiwilligen Branchenlösungen will der Bund den Verbrauch an importiertem Torf senken. Langfristiges Ziel ist der gänzliche Verzicht. Zwei Studien liefern Informationen über die Verbrauchsmengen und Anwendungsbereiche in der Schweiz und zeigen das hohe Potenzial von alternativen Substraten als Ersatz für Torf auf.

Text: Urs Fitze

Während Jahrhunderten wurde im Tal von Les-Ponts-de-Martel (NE) Torf als Brennstoff und Gartenerde abgebaut. Die Fläche des Hochmoors schrumpfte von 1500 auf 130 Hektaren. In der inzwischen geschützten Moorlandschaft sind die Spuren des Raubbaus noch heute sichtbar.
© Philipp Zinniker

Torf dient als wichtiger Hilfsstoff im Pflanzen- und Gemüsebau. Entsprechend verbreitet ist seine Anwendung in Hobbygärten, bei Gartenbauunternehmen, Baumschulen, Gärtnereien und Gemüsebauern. Der Torfabbau ist in der Schweiz zwar nicht ausdrücklich verboten, doch mit dem integralen Schutz der Flach- und Hochmoore seit 1987 faktisch nicht mehr möglich. Weil es für die Verwendung von Torf keinerlei gesetzliche Einschränkungen gibt, wird der Rohstoff vorwiegend aus Nordosteuropa importiert. Doch dort zeitigt der Abbau aus ökologischer Sicht nicht minder gravierende Folgen. Denn er führt zu einer Zerstörung von Lebensräumen, die über Jahrmillionen entstanden sind.

Zweistufige Reduktion des Torfverbrauchs

2010 forderte ein ständerätliches Postulat den Bundesrat auf, im Inland eine Reduktion des Torfverbrauchs oder ein allfälliges Verbot zu prüfen. Der 2012 vorgelegte Bericht sieht ein zweistufiges Vorgehen vor. In einer ersten Phase soll die betroffene Branche freiwillige Massnahmen für den Ausstieg erörtern und umsetzen. Falls diese nicht genügend greifen, droht nach einer Übergangsfrist von rund 20 Jahren ein mögliches Importverbot. Bevor die vom BAFU moderierten Branchengespräche ernsthaft beginnen konnten, wollte das Amt die Faktenlage besser kennen. Denn aus den Importstatistiken der Eidgenössischen Zollverwaltung ist die verwendete Torfmenge nicht ersichtlich. Zudem erlauben die Gewichtsangaben in Kilogramm keine Analyse der tatsächlichen Menge in Kubikmetern, weil der Torf – je nach Verwendungszweck – in diversen Pressungen mit jeweils unterschiedlichen Volumina geliefert wird. Erhebliche Wissenslücken bestanden auch bei der Einschätzung des ökologischen und sozialen Potenzials verschiedener Substrate, die Torf ersetzen könnten. Zur Klärung dieser Grundsatzfragen gab das BAFU deshalb eine Studie in Auftrag für die Datenerhebung und leistete Finanzierungshilfe für eine zweite Studie zur Ökobilanz.

524 000 Kubikmeter importierter Torf

Die nun vorliegende Datenerhebung «Torfimport und Torfverwendung in der Schweiz 2014» basiert auf einer Umfrage bei 115 tangierten Unternehmen, von denen jedes zweite den Fragebogen ausfüllte. Aufgrund der zum Teil nur summarischen Angaben seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, relativiert die Studie. «Die Grössenordnung ist dennoch plausibel, wie eine Gegenkontrolle anhand der Zollstatistik zeigt», sagt Anders Gautschi, Chef der BAFU-Sektion Konsum und Produkte. Demnach werden jährlich rund 524 000 Kubikmeter Torf eingeführt, in aller Regel in Form von Gartenerdemischungen, Setzlingen mit torfhaltiger Erde oder Substraten zur spezialisierten Verwendung. Mehr als die Hälfte davon gelangt an den Detailhandel, und weitere 20 Prozent übernehmen die Gemüse- und Obstproduzenten. Der Rest entfällt auf den Zierpflanzenbau, Baumschulen sowie den Landschaftsgartenbau. Damit liege nun ein «sehr guter Richtwert vor», meint Anders Gautschi. «Wir haben die Ergebnisse an einem Workshop im Februar 2016 der Branche präsentiert, und man war sich einig, dass damit eine Grundlage gelegt ist, auf der alle aufbauen können.»

Ersatz möglich

Doch lässt sich die Menge an importiertem Torf überhaupt ersetzen? Anders Gautschi ist zuversichtlich. «Wir haben bei der Gartenerde schon heute Detailhändler, die torffreie Produkte anbieten. Da hat sich schon einiges getan.» Schwieriger sei es vor allem bei importierten Pflanzen und bei Setzlingen. Diese stellen für die Anzucht und für die maschinelle Pflanzung mit Setzmaschinen hohe Anforderungen an Ersatzsubstrate. «Um sie auf ihre Eignung zu testen, braucht es entsprechende Feldversuche. Ein Forschungsprojekt im Zierpflanzenbau hat dieses Jahr gestartet.»

Gute Eignung einheimischer Ersatzsubstrate

Die zweite Studie wurde im Auftrag des Unternehmerverbands Gärtner Schweiz (JardinSuisse) und des Verbands Schwei-zer Gemüseproduzenten (VSGP) als Träger der Stiftung Gartenbau verfasst, finanziert durch die Stiftung Gartenbau mit Unterstützung des BAFU. Sie untersuchte, inwiefern sich die verschiedenen Ersatzstoffe für die Torfsubstitution eignen. Neben Schwarz- und Weisstorf erstellten die Fachleute für zehn weitere Substratkomponenten eine Ökobilanz. Dazu zählen Rindenkompost, Grüngutkompost, Reisspelzen, Holzfasern, feine Holzhäcksel, Kokosfasern, sodann das bei der Kokosproduktion entstehende Nebenprodukt Cocopeat und das beim Abbau von Braunkohle anfallende Xylit sowie Landerde – ein Abfallprodukt der Zuckerrübenverarbeitung – und TEFA, ein neues Substrat aus Maisfasern. Zudem bewertete man sieben Substratmischungen. Kriterien waren die pflanzenbaulichen Eigenschaften, die Verfügbarkeit und die Preisabhängigkeit sowie soziale Aspekte. Wie die Ökobilanz zeigt, schneidet Torf hinsichtlich seiner Umweltwirkung sehr schlecht ab. Der Grüngutkompost aus Mietenkompostierung hat wegen der Lachgas- und Methanemissionen ein ähnlich hohes Treibhauspotenzial. «Grüngutkompost ist bei geeigneter Beimischung ein sehr guter Dünger, als Torfersatz aber nur bedingt geeignet», erklärt Ruth Freiermuth Knuchel von der BAFU-Sektion Konsum und Produkte. Auch bei Kokosprodukten würde man sich wegen der hohen Umweltbelastung bei der Aufbereitung neue Nachteile einhandeln – durch eine starke Abhängigkeit von Energiepreisen sowie sozialen Risiken in den Anbauländern. Deutlich besser schneiden Rindenkompost, TEFA-Maisfasern, Holzfasern, Holzhäcksel und Landerde ab. Direkt als Torfersatz infrage kommen Holzfasern, TEFA und unter bestimmten Umständen auch Rindenkompost. Landerde und Holzhäcksel eignen sich als mögliche Bestandteile von Substratmischungen. Die Studie analysierte torfhaltige, torfreduzierte und torffreie Substratmischungen für Zierpflanzen, den Gemüsebau und für Baumschulen. Das Fazit ist eindeutig: In allen Fällen verbessert sich die Ökobilanz mit der Abnahme des Torfanteils. Und es gibt eine weitere gute Nachricht: «Das Potenzial, Torf durch erneuerbare, einheimische Substrate zu ersetzen, ist vorhanden», stellt Ruth Freiermuth Knuchel fest. «Beim einen oder anderen Produkt – namentlich aus dem Holzbereich – könnte es jedoch Konkurrenzsituationen mit der Energiewirtschaft geben, weil beispielsweise Holzschnitzel auch zur Wärmeproduktion genutzt werden.»

Eine wirtschaftliche Herausforderung

Die ermutigenden Ergebnisse sagen allerdings noch nichts über die Wirtschaftlichkeit der torffreien Substrate aus. «Torf ist sehr billig», sagt Anders Gautschi. «Doch der mit seinem Abbau verbundene Schaden durch die Zerstörung artenreicher Moore und die Freisetzung von CO2 werden dabei nicht in Rechnung gestellt.» Deshalb sei die Torfverwendung aus ökonomischer Sicht immer noch attraktiv. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit, den Torfverbrauch in der Schweiz zu reduzieren, erkennt er jedoch in allen Bereichen. «Je nach Branche bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, auf Torfersatzprodukte umzustellen. Deshalb führen wir die Gespräche zur Torfreduktion mit den diversen Akteuren getrennt nach Anwendungsbereichen. Für einen gemeinsamen Fahrplan sind die Anforderungen zu unterschiedlich.» Anders Gautschi macht auch viel guten Willen und Engagement aus, um die Torfabhängigkeit zu reduzieren – allerdings nicht zum Preis von wirtschaftlichen Nachteilen. Im Detailhandel setzen die Grossverteiler bei Eigenmarken ganz auf torffreie Gartenerden. Dies zeigt, dass Firmen, die sich der Nachhaltigkeit verpflichten, mit torffreien Produkten am Markt bestehen können. Geht es um die Torfreduktion, nimmt die Schweiz in Europa eine führende Position ein. Sollte die Problematik des Torfabbaus dereinst auch in den umliegenden Ländern zum Thema werden und dadurch die Nachfrage nach geeigneten Ersatzprodukten ankurbeln, wären die inländischen Anbieter mit ihren innovativen torffreien Substratmischungen jedenfalls optimal positioniert.

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Letzte Änderung 31.05.2017

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