Zum Hauptinhalt springen

Veröffentlicht am 30. April 2024

Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern

In den Schweizer Fliessgewässern werden zahlreiche Mikroverunreinigungen nachgewiesen. In kleinen und mittelgrossen Fliessgewässern überschreiten vor allem Pestizide ihre ökotoxikologischen Grenzwerte, in grossen Fliessgewässern hingegen einzelne Arzneimittel. In den betroffenen Fliessgewässern werden empfindliche Tier- und Pflanzenarten einem zu hohen Risiko für Schädigungen durch diese Stoffe ausgesetzt. Sie befinden sich vor allem in den dicht besiedelten und landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen der Schweiz.

Mikroverunreinigungen sind Pestizide, Arzneimittel und weitere Chemikalien, die in sehr geringen Konzentrationen im Gewässer vorkommen. In der Schweiz sind über 30'000 Chemikalien in unzähligen Produkten im täglichen Gebrauch. Sie gelangen aus Abwasserreinigungsanlagen (ARA), Landwirtschaft, Siedlungsgebieten und Verkehr in die Gewässer. Mikroverunreinigungen sind für die Wasserlebewesen unterschiedlich giftig. So sind viele Stoffe, die in grossen Mengen über ARA in die Gewässer gelangen, aus ökotoxikologischer Sicht wenig problematisch. Ein Beispiel dafür sind künstliche Süssstoffe. Andere Mikroverunreinigungen, beispielsweise viele Pestizide und auch einige Arzneimittel, sind hingegen schon in sehr tiefen Konzentrationen giftig für empfindliche Wasserlebewesen.

3. Juli 2012

Mikroverunreinigungen aus kommunalem Abwasser

Verfahren zur weitergehenden Elimination auf Kläranlagen

PDF3.47 MB

7. September 2015

Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern aus diffusen Einträgen

Situationsanalyse

PDF1.99 MB

Mikroverunreinigungen im nationalen Messprogramm

In der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) werden aktuell in der Dauerbeobachtung (NAWA TREND) 38 Messstationen auf mindestens 72 Mikroverunreinigungen untersucht. Zudem werden mit zeitlich beschränkten Messprogrammen (NAWA SPEZ) spezifische Fragestellungen geklärt.

Das Messprogramm NAWA TREND wurde ab 2018 gemeinsam mit den Kantonen schrittweise aufgebaut. Weitere Informationen:

Konzentrationen von Mikroverunreinigungen variieren je nach Stoff und Gewässer

Die Messungen im Rahmen des NAWA-TREND-Programms zeigen, dass die Konzentrationen von Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern je nach Stoff und Gewässer stark variieren. Sie werden in einem weiten Konzentrationsbereich von Nanogramm pro Liter bis Mikrogramm pro Liter nachgewiesen. In den grossen Flüssen sind die Konzentrationen, insbesondere von Pestiziden und Arzneimitteln, meist aufgrund der hohen Verdünnung tiefer als in kleineren Fliessgewässern. Auch saisonale Schwankungen sind zu beobachten: Während einige Stoffe das ganze Jahr vorkommen, werden einige Stoffe nur während der Anwendungssaison nachgewiesen.

Viele Gewässer mit Mikroverunreinigungen verunreinigt

Die NAWA-TREND-Untersuchungen zeigen, dass viele Gewässer des Mittellandes und der Talebenen mit Mikroverunreinigungen verunreinigt sind. Bei 18 der 22 Mikroverunreinigungen (19 Pestizide und 3 Arzneimittel), die in der Gewässerschutzverordnung (GSchV) mit ökotoxikologisch basierten Grenzwerten geregelt sind, wurde 2022 eine Überschreitung nachgewiesen. Nur in sechs der 38 im Jahr 2022 untersuchten Gewässer wurden die ökotoxikologischen Grenzwerte eingehalten.

Kleine und mittelgrosse Fliessgewässer besonders durch die Belastung mit Pestiziden betroffen

Am stärksten ausgeprägt sind Verunreinigungen durch Pestizide in kleinen und mittelgrossen Fliessgewässern. In den meisten dieser Gewässer, die in NAWA TREND untersucht werden, überschreiten Pestizide ihre ökotoxikologischen Grenzwerte. In den betroffenen Fliessgewässern werden empfindliche Tier- und Pflanzenarten einem zu hohen Risiko für Schädigungen durch diese Stoffe ausgesetzt. Deutlich geringer ist die Pestizidbelastung in den grossen Flüssen.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der Landwirtschaft ist die Hauptursache für die beobachtete Pestizidbelastung in den kleinen Bächen. Fast die Hälfte aller Grenzwertüberschreitungen sind aktuell durch Pestizide verursacht, die ausschliesslich für den Einsatz als PSM zugelassen sind. Einigen dieser Stoffe wurde in der Zwischenzeit die Bewilligung entzogen oder die Anwendung eingeschränkt. Es ist daher zu erwarten, dass die Belastung durch diese Stoffe (bspw. Chlorpyrifos, Thiacloprid) in Zukunft abnimmt.

Ein hohes Risiko besteht insbesondere durch Insektizide, die bereits in sehr tiefen Konzentrationen im Bereich von Pikogramm pro Liter eine schädigende Wirkung auf Wasserlebewesen haben. Ein Pikogramm entspricht einem Billionstel Gramm.

Arzneimittel überschreiten Grenzwerte in vielen mittelgrossen und grossen Gewässern

Die drei in der GSchV geregelten Arzneimittel (Azithromycin, Clarithromycin, Diclofenac) überschreiten die Grenzwerte mehrheitlich in mittelgrossen und grossen Fliessgewässern. Dabei verursacht das Schmerzmittel Diclofenac weitaus am meisten Überschreitungen des ökotoxikologischen Grenzwerts.

Arzneimittel gelangen grundsätzlich mit dem gereinigten Abwasser in die Gewässer. Auch Abwässer aus Industrie und Gewerbe werden entweder direkt über eigene ARA oder indirekt über kommunale ARA in die Gewässer geleitet. Zurzeit entfernen die meisten ARA zwar verschiedenste Arten von Verunreinigungen aus dem Abwasser, Mikroverunreinigungen werden jedoch nicht oder nur teilweise zurückgehalten. Aktuell werden zahlreiche ARA durch eine zusätzliche Stufe zur Reinigung von Mikroverunreinigungen aufgerüstet. Dies wird in den kommenden Jahren eine Verbesserung der Gewässerqualität mit sich bringen.

Siedlungswasser und Abwasserreinigung

Mikroverunreinigungen permanent über dem Grenzwert

Die Untersuchungen zeigen, dass die Wasserqualität in den Fliessgewässern die gesetzlichen Mindestanforderungen vielerorts und zum Teil anhaltend nicht erfüllt. Viele Fliessgewässer sind praktisch permanent durch Mikroverunreinigungen über den Grenzwerten belastet und somit verunreinigt. Während Überschreitungen durch Arzneimittel in vielen Fällen über das ganze Jahr hinweg andauern, treten Überschreitungen durch Pestizide vor allem während der Applikationsperiode von Pflanzenschutzmitteln auf.

Haupterkenntnisse der bisher durchgeführten Spezialuntersuchungen (NAWA SPEZ)

NAWA SPEZ 2012: Bei der Spezialuntersuchung NAWA SPEZ 2012 lag der Fokus auf der möglichst vollständigen Erfassung der Belastung von mittelgrossen Gewässern durch Pestizide (Pflanzenschutzmittel (PSM) und Biozide). Die Ergebnisse wiesen klar auf die hohe Relevanz von PSM für die stoffliche Belastung von Fliessgewässern hin.

NAWA SPEZ 2015: In dieser Spezialuntersuchung lagen die kleinen Fliessgewässer im Fokus. In den fünf untersuchten Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung wurden hohe Konzentrationsspitzen von PSM gefunden, die schädigenden Auswirkungen auf Wasserlebewesen haben.

NAWA SPEZ 2017: In NAWA SPEZ 2017 lag der Fokus wie im 2015 auf der PSM-Belastung von kleinen Fliessgewässern in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten. Dabei war erstmals für zwei Standorte ein Vergleich über zwei aufeinanderfolgende Jahre möglich. Die Studie hat ebenfalls gezeigt, dass einzelne Pestizide nicht nur über längere Zeit in zu hohen Konzentrationen vorkommen, sondern auch oft verschiedene Pestizide gleichzeitig zu hohe Risiken für die Gewässerlebewesen verursachen, und dies bis in den Herbst hinein.

NAWA SPEZ 2023: Die Spezialkampagne erfasste möglichst umfassend die Belastung von mittelgrossen Fliessgewässern mit Pestiziden aus Siedlung und Landwirtschaft. Dabei lag der Fokus auf Insektiziden, die für Wasserorganismen hochgiftig sind. Dafür wurden in fünf Fliessgewässern unterhalb von Kläranlagen Messungen durchgeführt. Zudem wurden auch die Kläranlagenabläufe beprobt. Dies liefert Hinweise darauf, welcher Anteil der Insektizide aus der Landwirtschaft respektive aus der Siedlung stammt. Die Daten werden zurzeit ausgewertet.

Weiterführende Informationen