Wald und Boden: Mit Bäumen das Klima schützen

Wälder und Böden sind in der Lage, CO2 zu speichern. Das Speicherpotenzial ist in der Schweiz begrenzt – nutzen sollten wir es trotzdem.

Text: Peter Bader

Das haben wir alle in der Schule gelernt: Pflanzen nehmen durch Photosynthese CO2 aus der Luft auf, spalten das C vom O2 ab, geben den Sauerstoff wieder an die Umwelt ab und bauen den Kohlenstoff in der Biomasse ein – in den Blättern für Stunden bis Monate, in Nadeln, Zweigen und Ästen für Jahre, im Stamm für Jahrzehnte bis Jahrhunderte und im Boden während Jahrhunderten bis Jahrtausenden. Ökosysteme wie Wälder leisten durch die Photosynthese das, was wir Menschen technisch nur mit sehr hohem Aufwand nachahmen können. Pflanzenbasierte Ansätze sind denn auch eine bereits heute weltweit verfügbare «Technologie» zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. 

Doch wie gross ist hierzulande das Potenzial in Böden und Wäldern für die dauerhafte Speicherung von CO2? Der Schweizer Wald absorbiert jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen (Mio. t) CO2. Mit einer angepassten Waldbewirtschaftung und entsprechender Holznutzung liessen sich jährlich theoretisch zusätzlich rund 1 bis 2 Mio. t CO2 speichern. Denkbar ist dies allerdings nur, wenn möglichst viel des Zuwachses an Biomasse zuerst in langlebigen Holzprodukten und erst anschliessend energetisch für die Erzeugung von Strom oder Wärme genutzt wird. 

Waldgrenze 500 Meter höher

Für grossflächige Aufforstungen fehlen in der Schweiz die notwendigen Flächen. Auch die natürliche Wiederbewaldung (Vergandung) von aufgegebenen Flächen bietet wenig Potenzial, da sie im Konflikt steht mit anderen politischen Zielen, wie etwa der regionalen Wertschöpfung, dem Landschaftsbild oder der Biodiversität. Im Zuge des Klimawandels steigt die Waldgrenze im Gebirge möglicherweise um bis zu 500 Meter an, womit sich die Waldfläche entsprechend vergrössern würde. Trotzdem sagt Clémence Dirac, Sektionschefin Waldleistungen und Waldpflege beim BAFU: «Die Steigerung des Potenzials des Waldes als CO2-Senke ist in der Schweiz begrenzt. Wenn unter zukünftigen Klimabedingungen der Wald die momentane CO2-Senkenleistung von jährlich 2,5 Mio. t weiterhin erbringen könnte, wäre damit schon ein beträchtlicher Beitrag zur Minderung des Klimawandels geleistet.» 

Eine Steigerung der Senkenleistung lasse sich punktuell mit einer Erhöhung des Holzvorrats und der Waldgrenze durchaus erreichen. Aber dabei, so Clémence Dirac, gebe es natürliche Grenzen, die dazu führen, dass diese Empfehlung nur punktuell in bestimmten Wäldern sinnvoll ist. Der in Bäumen gebundene Kohlenstoff könne durch verschiedene Prozesse in der Atmosphäre wieder freigesetzt werden. Schnell und in grossen Mengen zum Beispiel durch Waldbrände oder langsam und in kleineren Mengen durch biologische Abbauprozesse. Letztere erfolgen nach dem Absterben von Bäumen, etwa durch Schädlinge, Trockenheit oder nach Stürmen. Mit fortschreitendem Klimawandel nähmen solche Prozesse möglicherweise zu. «Damit der Schweizer Wald seine Senkenleistung weiter erbringen kann, müssen Massnahmen zur Anpassung des Waldes an den Klimawandel umgesetzt werden – etwa mit der Förderung standortgerechter Baumarten», hält Clémence Dirac fest.

«Es fehlen schlicht die Daten»

Ähnliches gilt für die langfristige CO2-Bindung in Böden. Gestützt auf optimistische Schätzungen dürften sich innerhalb weniger Jahrzehnte theoretisch jährlich rund 2,7 Mio. t CO2 durch verbesserte Bodenbewirtschaftung und angepasste landwirtschaftliche Praktiken im Boden speichern lassen. Erste Abschätzungen der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope deuten allerdings darauf hin, dass die realisierbaren Potenziale wesentlich geringer sind. «Um das Speicherpotenzial wirklich zu benennen, fehlen für viele Bodentypen schlicht und einfach noch die nötigen Daten», erklärt Elena Havlicek von der Sektion Boden im BAFU. «Trotzdem müssen wir das vorhandene Potenzial konsequent nutzen. Denn angesichts des fortschreitenden Klimawandels dürfen wir nicht warten.» Das grösste Potenzial als CO2-Senke hätten mineralische Ackerböden. Um diesbezüglich etwas zu erreichen, brauche es neben der Sensibilisierung der Landwirtinnen und Landwirte für ökologische Anliegen auch entsprechende finanzielle Anreize. 

Der organische Kohlenstoffgehalt des Bodens («Humus») gilt als Indikator für Bodenqualität und eine nachhaltige Bewirtschaftung. Eine Veränderung dieses Gehalts ist das Resultat aus Eintrag (z. B. über Mist und Ernterückstände) und Abgabe (z. B. durch Zersetzung) von Kohlenstoff. Eine Anreicherung im Oberboden erfolgt etwa durch organische Düngung, den Verbleib von Ernterückständen, den Zwischenfruchtanbau, verbesserte Fruchtfolgen, den Anbau mehrjähriger Futterpflanzen, eine minimale Bodenbearbeitung oder die Umwandlung von Acker- in Grünland.

Das CO2 für Jahrhunderte speichern

Holz hat bei einer klugen «Kaskadennutzung» mehr alsein Leben: Unbelastetes Altholz (aus Gebäuden oder von Paletten usw.) kann für die Herstellung von Span- und Faserplatten verwendet werden, Papierfasern lassen sich rezyklieren, und in einem letzten Schritt wird aus Holz Energie gewonnen. Mehrere Nutzungsstufen oder Kaskaden steigern so die Wertschöpfung, reduzieren den Ressourcenverbrauch und binden CO2 während längerer Zeit.

In den Schweizer Wäldern wachsen jährlich rund 10 Millionen Kubikmeter Holz nach. Um die Schutzfunktion bestimmter Wälder oder ihre Bedeutung für die Biodiversität zu fördern, können in der Schweiz jährlich ca. 8 Millionen Kubikmeter nachhaltig entnommen werden. Aus wirtschaftlichen Gründen  werden aktuell rund 5 Millionen jährlich geerntet, was dem fünffachen Volumen des St.-Jakob-Parks in Basel entspricht. Verwendet man es für Möbel, Fassadenverkleidungen oder den Bau von ganzen Häusern, lässt sich damit CO2 speichern – für rund 50 Jahre bei Möbeln, für 100 bis 200 Jahre bei Häusern. Einen anderen NET-Ansatz bildet die energetische Verwendung des Holzes oder anderer Biomasse mit anschliessender Abscheidung des CO2 und dessen geologischer Lagerung. «Bauen mit Holz ist eine gute und effiziente Möglichkeit, CO2 dauerhaft zu speichern», sagt deshalb Christian Aebischer von der Sektion Holzwirtschaft und Waldwirtschaft beim BAFU. Hinzu kommt der sogenannte Substitutionseffekt: Holzprodukte lassen sich in der Regel mit einem geringeren Energieaufwand produzieren als alternative Produkte aus Beton, Aluminium oder Stahl. Und mit der Verbrennung von Holz können fossile Energieträger reduziert werden – zum Beispiel durch Holz-Fernwärmezentralen. All dies reduziert den CO2-Ausstoss. 

Aktuell wird in der Schweiz nur ein Teil des hierzulande geernteten Holzes auch direkt im Inland weiterverarbeitet und für langlebige Holzprodukte etwa in Gebäuden verwendet. Nicht zuletzt dank dem Aktionsplan Holz des Bundes ist Bauen mit Holz aber auf dem Vormarsch: So konnte der Einsatz von einheimischem Holz zwischen 2012 und 2018 bei Mehrfamilienhäusern um 10 Prozent gesteigert werden; bei Möbeln waren es 13,7 und bei öffentlichen Gebäuden gar 72,7 Prozent. 

Das hängt auch mit der Revision der Brandschutzverordnungen von 2015 zusammen: Seither ist bei uns der Holzbau in allen Gebäudekategorien und Nutzungen möglich, also auch beim Bau von Hotels oder Hochhäusern. In Zug entsteht das erste Schweizer Holzhochhaus von 80 Meter Höhe. Und auch die inländische Verarbeitungskette wird heute gestärkt, was Voraussetzung für das vermehrte Bauen mit hiesigem Holz ist. So erstellt unter anderem die Schilliger Holz AG bis 2023 ein Produktionswerk für Holzfaser-Dämmplatten im Kanton Luzern. «Für die Speicherung des CO2 in Holzprodukten macht es zwar keinen grossen Unterschied, ob das Holz für die Produkte aus dem Inland stammt oder aus dem angrenzenden Ausland», sagt Christian Aebischer. «Um das Potenzial der Waldbewirtschaftung und Holznutzung für die Kohlenstoffspeicherung optimal auszuschöpfen und auch die Nachhaltigkeit zu stärken, muss die Nachfrage nach Schweizer Holz weiter gesteigert werden.»

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Letzte Änderung 01.06.2022

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