Tagung SWIFCOB 2024, 9.2.2024

Rede von Katrin Schneeberger, Direktorin des BAFU, an der Tagung der SWIFCOB, am 9. Februar 2024 in Bern.

Es gilt das gesprochene Wort. Seul le texte prononcé fait foi.

Sehr geehrte Damen und Herren

Bedeutung der Biodiversität

Wir alle haben heute dank der biologischen Vielfalt gefrühstückt, leben dank frischer Luft und sauberem Wasser oder nutzen täglich Erfindungen, wie den Klettverschluss, welcher auf einer Beobachtung aus der Natur beruht.

Salopp gesagt: Ohne Biodiversität geht es nicht.

Zustand der Biodiversität

Die Situation der Biodiversität hat sich in den letzten zehn Jahren leider nur punktuell verbessert. Ein Beispiel ist der Weissstorch, der dank gezielten Massnahmen nicht mehr auf der Roten Liste ist. Bei den Fischen, den Reptilien, den Vögeln oder auch den Farnen hat sie sich der Zustand aber verschlechtert. Insgesamt ist ein Drittel der Arten bedroht. Zudem sind viele ökologisch wertvolle Lebensräume kleiner geworden und schlechter vernetzt.

Die Biodiversitätsverluste gehen wortwörtlich ans Lebendige. Sie schmälern die globale Wirtschaftsleistung um rund 10 %.

Antwort auf den Biodiversitätsverlust

La biodiversité n'est donc pas un luxe. Au contraire, elle nous concerne tous directement. Car si la biodiversité va mal, notre qualité de vie et nos moyens de subsistance sont menacés. Mais nous avons le pouvoir de préserver la nature en tant que capital.

Im Grunde ist die Sache einfach: Je grösser die Vielfalt der Arten in einem ökologischen System, desto robuster ist dieses. Landwirte kennen das schon länger: Monokulturen sind einem Schädling fast schutzlos ausgeliefert. Vielfalt hingegen stärkt die natürliche Abwehrkraft.

Das ist heute wichtiger denn je. Denken Sie an den Klimawandel, der unsere Natur öfter und heftiger als zuvor Trockenheits- und Hitzestress aussetzt. Eine grosse Artenvielfalt erhöht die Chance, dass die Natur sich an diese Extremereignisse anpassen kann.

Das internationale Rahmenwerk

Im Dezember 2022 war ich als Direktorin des BAFU zum ersten Mal an der Vertragsparteienkonferenz der Biodiversitätskonvention in Montréal. Ich war beeindruckt vom Engagement und der konstruktiven, länderübergreifenden und lösungsorientierten Diskussion.

Et la conférence a été une étape importante pour la protection et la conservation de la biodiversité : les États parties se sont mis d'accord sur un nouveau cadre mondial pour la biodiversité avec 23 objectifs concrets jusqu'en 2030 et une perspective à long terme jusqu'en 2050. Il s'agit d'objectifs globaux auxquels les États contribuent dans la mesure de leurs possibilités.

«30by30» oder «30% von Land- und Meeresfläche für die Biodiversität» ist das prominenteste dieser Ziele. Das Rahmenwerk ist aber – richtigerweise! – wesentlich breiter aufgestellt und geht von den genetischen Ressourcen über die Wiederherstellung degradierter Gebiete, die nachhaltige Nutzung sowie die Schaffung einer lebensfreundlichen Umgebung für uns Menschen bis hin zu den Investitionen.

Die Schweiz hat wesentlich zum Erfolg der Verhandlungen in Montréal beigetragen; sie hat sich insbesondere für griffige Ziele und Leitindikatoren eingesetzt.

Umsetzung des globalen Rahmenwerks

Der Bundesrat hatte im Juni 2023 die Wirkungsanalyse zur ersten Phase des Aktionsplans Biodiversität zur Kenntnis genommen. Gleichzeitig erteilte er dem UVEK den Auftrag, die Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz zu überprüfen. Dabei muss der neue globale Biodiversitätsrahmen miteinbezogen werden. Und er hat das UVEK auch beauftragt, die Liste der Flächen der Schweiz zu erstellen, welche den 30% zugerechnet werden können. Wir haben also die Umsetzung des globalen Rahmenwerks unmittelbar an die Hand genommen.

Im Auftrag der UREK-S haben wir anfangs 2023 bereits eine erste Auslegeordnung gemacht und werden nun im Auftrag des Bundesrates die Liste konsolidieren. Der Bundesrat ist gewillt, seinen Beitrag der Schweiz zu den internationalen Zielen zu leisten; so auch zum 30%-Ziel. Das bedeutet nicht, dass wir 30% der Gebiete unter eine Käseglocke stellen. Nein, wir wollen z.B. Flächen, die eine hohe Biodiversität ausweisen, noch besser in Wert setzen und am richtigen Ort weiterentwickeln – in Abstimmung mit der Nutzung und den Nutzerinnen und Nutzern, wie dies auch das internationale Ziel vorsieht. Ebenfalls wollen wir diese Flächen miteinander vernetzen.

Konkret heisst das: Wo nötig soll die ökologische Qualität bestehender Gebiete verbessert werden – wir haben zum Beispiel nach wie vor viele drainierte Moorgebiete, was nicht nur diesen Lebensraum beeinträchtigt, sondern auch viel CO2 freisetzt. Bestehende Gebiete sollen vernetzt werden, bspw. auf der Basis von freiwilligen Vereinbarungen. Dies kennen wir aus der Waldpolitik mit den Waldreservaten oder aus der Landwirtschaft mit Mehrleistungen bei Biodiversitätsflächen hoher Qualität.

Wichtig ist mir, dass wir den Beitrag der Schweiz an den globalen Biodiversitätsrahmen nicht auf eine Zahl reduzieren. Unsere nationale Zielsetzung ist breiter: Wir wollen die Biodiversität erhalten und fördern. Dafür braucht es die notwendige Qualität und Funktionalität, es braucht Massnahmen in verschiedenen Bereichen.

Das nationale Rahmenwerk: Die Strategie Biodiversität Schweiz

Die Strategie Biodiversität Schweiz von 2012 hält die Ziele des Bundes zur Erhaltung und zur Förderung der Biodiversität in der Schweiz fest. Das Oberziel lautet: «Die Biodiversität ist reichhaltig und gegenüber Veränderungen reaktionsfähig. Die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen sind langfristig erhalten». Die Strategie beschreibt zudem 10 Ziele.

Wir haben diese Ziele kürzlich im Lichte der Beschlüsse von Montréal durch die Wissenschaft prüfen lassen:

Les objectifs de la Stratégie Biodiversité Suisse sont toujours valables.

Sie umfassen die drei Ebenen der Biodiversität – Gene, Arten, Lebensräume. Sie setzen Schwerpunkte; etwa bei der Biodiversität in Siedlungen oder den Leistungen der Natur für die Menschen. Kurz: Das Rahmenwerk für die Biodiversität in der Schweiz hat Bestand.

Der Wermutstropfen: Leider werden die Ziele unserer Strategie Biodiversität heute und auch in absehbarer Zeit nur in Teilbereichen erreicht. Der Druck auf die Biodiversität bleibt gross, etwa vom Wohnen, der Mobilität und Ernährung.

Der Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz

Manche Massnahmen sind im Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz verankert. Diesen verabschiedete der Bundesrat 2017. Er teilte die Umsetzung in zwei Phasen.

Die erste Phase des Aktionsplans Biodiversität von 2017-2024 haben wir einer Wirkungsanalyse (2022) unterzogen. Sie zeigt, dass dank dem Aktionsplan Bund, Kantone, Gemeinden und Dritte viele griffige Massnahmen zugunsten der Natur eingeleitet oder umgesetzt haben. Die Waldbiodiversität hat sich in den vergangenen Jahren für vielen Artengruppen positiv entwickelt. Entlang der Bahnlinien und der Autobahnen wird viel für die Verbesserung der biologischen Vielfalt getan – dies nur zwei Beispiele.  

Der Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz II

La deuxième phase de la mise en œuvre du Plan d'action Biodiversité Suisse (2025-2030) est maintenant à l'ordre du jour. Les décisions internationales prises à Montréal en 2022 y seront également intégrées.

Wir haben die 23 Ziele des globalen Rahmenwerks auf ihre Bedeutung für die Schweiz und die zweite Phase des Aktionsplans analysiert und kommen zu folgendem Ergebnis:

  • dreizehn Ziele erachten wir als relevant und sehen die Umsetzung zumindest teilweise über den Aktionsplan Biodiversität. Zu diesen Zielen gehören etwa die Wiederherstellung degradierter Flächen , die Artenförderung , die Biodiversität in der Siedlung  oder die Rolle und Regulation der öffentlichen Hand. Ich sage bewusst «teilweise», denn der Aktionsplan kann auch in der zweiten Phase nicht alles richten. Andere Instrumente sind und bleiben wichtig, so etwa die Verstärkung des Vollzugs, die Strategien des Bundes in den Bereichen Gesundheit, Tourismus oder Nachhaltige Entwicklung oder die standortangepasste Landwirtschaft.
  • sechs Ziele erachten wir als relevant, sehen die Umsetzung aber nicht über den Aktionsplan Biodiversität. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Thematik der Nutzung der genetischen Ressourcen und deren finanzielle Entschädigung.
  • vier Ziele erachten wir als weniger relevant für die Schweiz. Hier geht es etwa um die nachhaltige Jagd und Fischerei. In diesen Bereichen sind wir im globalen Vergleich in der Schweiz gut unterwegs.

Zu dieser internationalen Optik hinzu kommen die Erkenntnisse und Beschlüsse aus der Wirkungsanalyse der ersten Phase des Aktionsplans Biodiversität. Und nicht zuletzt: Die Abstimmung mit den aktuellen politischen Projekten.

Eines dieser politischen Projekte des Bundesrates war der indirekte Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative. Das Parlament ist, wie Sie wissen, nicht auf dieses Vorhaben eingetreten. Damit wird die Bevölkerung über die Initiative abstimmen. Der Bundesrat teilt zwar grundsätzlich die Anliegen der Initiative. Aber sie gehen seiner Ansicht nach zu weit. Bei Annahme der Initiative würde der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen übermässig eingegrenzt.

Zudem würde die Umsetzung der Initiative zu erheblichen Zielkonflikten mit der Energie- der Landwirtschafts- oder der Tourismuspolitik führen.

Und schliesslich machen Bund und Kantone schon viel für die Biodiversität. Ich habe Ihnen dies vorher bereits dargelegt.

Même si le Parlement a décidé de ne pas soumettre de contre-projet indirect à l'initiative sur la biodiversité, il a exprimé ces dernières années, par le biais de diverses interventions parlementaires, son souhait de voir l'administration fédérale prendre davantage de mesures en faveur de la biodiversité. Le DETEC examinera donc la marche à suivre dans les semaines à venir et décidera de la suite des travaux en conséquence.

Fazit und Schluss

Wie können wir insgesamt die Anstrengungen zugunsten der biologischen Vielfalt verstärken? Zentral ist, dass verschiedene Politikbereiche die Förderung und den Erhalt der Biodiversität stärker in ihre Entscheidungen und Instrumente aufnehmen. Entscheidend ist, wie die Politikbereiche ihre Vorgaben umsetzen und den Vollzug gestalten. Und wie die Politikbereiche mit Respekt für die Biodiversität und ihren Wert für Wirtschaft und Gesellschaft weiterentwickelt werden.

Sie sehen: Der Bundesrat nimmt sich der Biodiversität generell und der Umsetzung des «Global Biodiversity Frameworks» pro-aktiv an. Aber wie gesagt: Sowohl der Aktionsplan Biodiversität als auch der Bundesrat kann’s nicht alleine richten. Dazu braucht es alle – Bund, Kantone und Gemeinden, die Wirtschaft, Expertinnen und Experten in Forschung und Praxis sowie natürlich die Politikerinnen und Politiker.

In diesem Sinn bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr Interesse und Engagement für unsere Biodiversität.

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Letzte Änderung 09.02.2024

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