«Meine Natur» mit Rebecca Clopath

Naturköchin Rebecca Clopath will genau wissen, woher die Zutaten für ihre Gerichte stammen. Sie wählt ausschliesslich Lebensmittel aus der Alpenregion und kreiert damit ungewöhnliche Erlebnis-Menus.

Rebecca Clopath
Rebecca Clopath ist 1988 geboren. Mit 16 Jahren verliess sie den elterlichen Hof in Lohn (GR), um eine Lehre als Köchin zu machen, und arbeitete danach in ihrem Beruf. 2015 kehrte sie zurück und machte sich als Naturköchin selbstständig. Um auf ihrem Biohof den Garten, die Felder und den Stall professionell selbst bewirtschaften zu können, absolvierte sie zusätzlich die Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis. Heute bietet Rebecca Clopath zusammen mit ihrem mittlerweile achtköpfigen Team Esswahrnehmungen an. Die mehrstündigen Erlebnis-Menus sollen nicht nur die Bäuche der Gäste füllen – sondern auch deren Geist beflügeln.
© Claudia Link

Nicht nur ein voller Bauch, sondern auch ein voller Kopf

«Ich bin sehr naturnah aufgewachsen auf unserem Hof in Lohn, einem kleinen Bergdorf mit fünfzig Einwohnerinnen und Einwohnern in Graubünden. Wir hatten keinen Fernseher. Das Leben von uns Kindern hat sich draussen an den Bächen, auf den Wiesen und am Waldrand abgespielt. Wir haben alles in die Finger genommen, daran gerochen, es probiert. Das ist tief in mir drin.

Später, als Köchin, hat mich die Anonymität von Lebensmitteln gestört – obwohl ich an Orten gekocht habe, an denen schon früh bewusst lokale Produkte aus der Schweiz verwendet wurden. Es gab da ein Schlüsselerlebnis: In der Küche stand eine grüne Kiste mit riesigen, fast vierzig Zentimeter langen Rüebli, ohne Kraut. Der Küchenchef hat sie kurz angeschaut und fand, dass sie gut sind. Ohne den Geschmack zu testen. Die haben aber geschmeckt wie Wasser mit ein paar Tropfen Rüeblisaft drin. Das war der Moment, in dem ich mich fragte: Willst du das wirklich?

Mir geht es nicht darum, jedes Rüebli selbst aus dem Boden zu ziehen. Aber es ist mir wichtig, zu wissen, woher das Gemüse kommt: Wer hat es wie und warum angepflanzt? Wer sind diese Menschen und wie schauen sie zum Boden?

Heute lebe und arbeite ich wieder auf dem Hof, auf dem ich als Kind und Jugendliche zu Hause war. Denn hier funktioniert, was ich wichtig finde und realisieren möchte. Ich führe mein eigenes Eventlokal und daneben den Hof. Während der Vegetationszeit arbeitet das gesamte Team viel draussen. Unter anderem pflegen wir den Gemüsegarten, ernten Kartoffeln, sammeln Wildpflanzen oder Beeren.

Natürlich produzieren wir längst nicht alles selbst. Doch alle Produkte, die wir verwenden, stammen aus dem alpinen Raum. Das schränkt einerseits ein, da tolle Zutaten wie beispielsweise Zimt oder Nelken wegfallen. Aber es ist auch eine hoch spannende Entdeckungsreise, auf der wir viele neue Sachen entdecken.Unseren Gästen bieten wir sogenannte Esswahrnehmungen an. Die Mehrgangmenus sollen vor allem schmecken – besonders dann, wenn wir Ungewohntes oder Ursprüngliches auftischen, wie Brownies, die mit Blut gebunden sind. Darüber hinaus möchte ich mit den Esswahrnehmungen Interesse, Wertschätzung und Freude wecken für das, was um uns herum ist. Mir ist wichtig zu zeigen, wie alles mit allem verbunden ist, und auch zum Nachdenken anzuregen. Ich sage immer: Unsere Gäste sollen nicht nur mit einem vollen Bauch, sondern auch mit einem vollen Kopf nach Hause gehen.

Wir laden regelmässig Kunstschaffende ein, für Ausstellungen oder andere Formate. Auch das inspiriert mich für neue kreative Gerichte. So sind unsere Esswahrnehmungen auch eine Art Kunstprojekt: eine Mischung aus Kunst, Kulinarik und Kultur. Wir haben uns zum Beispiel mit dem slowenischen Philosophen und Kulturkritiker Slavoj Žižek beschäftigt, mit verschiedenen Erfindungen aus dem Alpenraum – vom Sparschäler bis zur Relativitätstheorie – oder mit dem ältesten Kochbuch der Schweiz. Wenn man durch die 500 Jahre alten Rezepte blättert, wird einem bewusst: Das würde heute niemand mehr essen. Manche Speisen, wie Schwanenbraten oder Biberschwanz, früher Festtagsgerichte, wären heute sogar illegal.

Wir servieren auch Fleisch. Das sorgt regelmässig für Diskussionen mit unseren Gästen. Nicht nur, weil ich jeweils den Namen des Tieres angebe, von dem es stammt. Ich finde einfach, dass es auch hier wichtig ist, das grosse Ganze zu sehen: Fleisch essen ist bei uns oben, wo nicht so viel wächst und die Leute arm waren, eine Tradition. Und Traditionen sind für mich wertvoll. Alpwiesen, so wie wir sie kennen, gibt es ja auch nur, weil Vieh darauf weidet. Ausserdem produzieren die Tiere Dünger. Und wenn ich wählen kann, verteile ich anstatt Kunstdünger lieber Kuhmist auf Wiesen und Äckern.»

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Letzte Änderung 04.09.2019

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