«Meine Natur» mit Michel Roggo

Michel Roggo fotografiert seit fast vier Jahrzehnten in Flüssen und Seen auf allen Kontinenten der Erde. Dabei begegnet er unglaublicher Schönheit – und dramatischen Veränderungen.

Michel Roggo
Michel Roggo
ist 1951 geboren und wollte ursprünglich Kunst studieren. Er spielte in einer Band und zeichnete Cartoons, wurde dann aber zunächst Sekundarschullehrer. Später war er stellvertretender Leiter des Natur­historischen Museums Fribourg.

Zur Fotografie fand er erst mit dreissig Jahren über einen Kollegen. Nach ersten Versuchen mit Tierfotografie begann er, unter Wasser zu fotografieren. Mitte der 1980er-Jahre machte er die Unterwasserfotografie zu seinem Hauptberuf.

Heute ist Michel Roggo einer der besten Süsswasserfotografen weltweit, für seine Bilder hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seine Unterwasserwelten waren bereits in zahlreichen Ausstellungen und renommierten Magazinen zu sehen, zudem sind sie in mehreren Büchern zu bewundern. Sein neuster Bildband trägt den Titel «Aare – alles im Fluss».
© Michel Roggo

Mein erstes Unterwasser-projekt war, in Alaska Lachse zu fotografieren. Ich war mit dem Kanu unterwegs, da kam Tauchen schon wegen der grossen Sauerstoffflaschen nicht infrage. Also habe ich die Bilder vom Ufer aus gemacht, die Ausrüstung dafür habe ich selbst zusammengebastelt. Dazu gehören ein Fotoapparat in einem wasserdichten Gehäuse und meist ein externer Monitor, auf dem ich den Bildausschnitt sehen kann. Ausserdem ein Kabel, um die Aufnahmen auszulösen. Die Kamera positioniere ich entweder auf dem Grund des Gewässers oder führe sie an einer Stange. Mit diesem System komme ich fast überall hin und kann auch an gefährlichen Orten mit starker Strömung oder mit Krokodilen im Wasser fotografieren. Oder an sensiblen Orten, wo ich sonst Köcherfliegenlarven oder Wasserpflanzen zerstören würde. Bis heute entstehen die meisten meiner Bilder so oder ähnlich, obwohl ich unterdessen auch tauche.

Ich liebe schwierige Bedingungen! Dann ändere und pröble ich so lange, bis es so klappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Um in Kamtschatka, im äussersten Osten Russlands, Bären im Wasser fotografieren zu können, stellte ich die Kamera so ein, dass sie alle paar Sekunden automatisch ein Foto machte, und liess sie an einer Fischerleine im Fluss treiben.

Als Fotograf will ich in erster Linie gute Bilder machen. Solche, die überraschen und die Menschen in der Bilderflut innehalten lassen. Seit Jahrzehnten fotografiere ich ohne Blitz, das finde ich einfach schöner. Besonders gut gefällt mir die Magie, wenn das Sonnenlicht ins Wasser dringt wie durch die Fenster einer Kathedrale.

Draussen in der Natur bin ich unglaublich gerne. Schon in meiner Kindheit bin ich viel mit dem Vater und dem Bruder zum Fliegenfischen gegangen. Da muss man die Vorgänge im Wasser genau beobachten: Wie sich die Larven der Eintagsfliegen entwickeln, wie sich die Forellen verhalten. Ich war schon damals neugierig, was da unten im Wasser passiert, und bin es bis heute geblieben.

Ich fotografiere nur im Süsswasser. Es gibt eher wenige Unterwasserbilder von Flüssen und Seen, darum gibt es immer noch etwas zu entdecken. Das Meer reizt mich nicht. Jeder weiss, wie ein Korallenriff aussieht. Und als ich einmal im Roten Meer schnorcheln war, habe ich mich gefühlt wie im Supermarkt: zu viel los, zu viele Farben. Da ist mir eine scheue Forelle in einem Bergbach lieber.

Lange war ich vor allem im Ausland unterwegs. Ich dachte, in der Schweiz kann ich auch später noch fotografieren. Aber dann, als ich in den 1990er-Jahren damit beginnen wollte, war es zu spät: Da gab es kaum noch Fische und Wasserinsekten. Das war ein Schock! In meiner Kindheit flogen noch ganze Wolken von Insekten übers Wasser und unter Wasser war alles voller Fische. Nun aber waren viele Bäche und Flüsse tote, verschlammte Rinnsale.

Auch bei meinem Freshwater-Project, für das ich von 2010 bis 2017 vierzig Gewässer rund um die Erde fotografiert habe, wurde mir klar, wie unvorstellbar schnell sich alles verändert: Zahlreiche Seen, Gletscher und Eisberge sind in dieser Zeit dramatisch geschrumpft oder verschwunden.

Unterdessen ist es mir ganz wichtig, das zu dokumentieren, was es noch gibt. Vor Corona habe ich damit begonnen, die unglaubliche Vielfalt im Amazonas zu fotografieren. Da wimmelt es nur so von Leben. Diese Schönheit möchte ich festhalten. Damit wir begreifen, was das für ein unglaublicher Reichtum ist – den wir unbedingt erhalten sollten!

Während der Corona-Zeit habe ich dann im Auftrag des Renaturierungsfonds des Kantons Bern Gewässer fotografiert, die wieder zum Leben erweckt worden sind. Besonders eindrücklich fand ich die Biberaue in Ferenbalm. Dort hatte man acht Jahre vorher auf einem banalen ehemaligen Maisfeld ein paar Tümpel ausgehoben. Die Idee war, Amphibien zu fördern. Und tatsächlich: Ich fand dort Wasserflöhe, Ruderfusskrebse, Eintags­fliegenlarven – und ganz viele laichende Erdkröten! Es ist schon erstaunlich, wie manchmal einfache Massnahmen grosse Veränderungen bewirken.

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Letzte Änderung 03.04.2024

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