Rote Listen
Viele Tier-, Pflanzen-, Flechten- und Pilzarten kommen in der Schweiz nur noch in kleinen Beständen von wenigen Individuen vor, weil ihre Lebensräume zerstört, stark verändert, mit Schadstoffen belastet, voneinander getrennt oder gestört werden. Kleine Artenbestände haben ein erhöhtes Risiko auszusterben.
Rote Listen mit ihren abgestuften Gefährdungskategorien zeigen als wissenschaftliche Fachgutachten, inwiefern bisherige Anstrengungen zur Erhaltung der Artenvielfalt Erfolg hatten und für welche Arten besondere Schutz- und Fördermassnahmen notwendig sind.
Bis heute wurde ein fünftel der rund 56 000 bekannten Arten für die Roten Listen bewertet. Davon sind 35 % gefährdet oder ausgestorben (siehe Grafik "Arten"). Dieser Anteil liegt deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Jede fünf und vierzigste in der Schweiz ehemals heimische Art ist hierzulande bereits ausgestorben.
Von den 167 in der Schweiz vorkommenden Lebensraumtypen stehen 48 % (79 mehr oder weniger natürliche Lebensräume) auf der Roten Liste der natürlichen Lebensräume. Die aquatischen und die Moorlebensräume sowie die Agrarlebensräume sind am stärksten gefährdet (siehe Grafik "Natürliche Lebensräume").
Der hohe Anteil gefährdeter Arten und natürlicher Lebensräume belegt, dass die Artenvielfalt weiterhin unter Druck steht. Deshalb wird der Zustand als negativ bewertet.
Um langfristige Trends des Aussterberisikos sichtbar zu machen, hat die Weltnaturschutzunion (IUCN) den Rote-Listen Index entwickelt. Dieser zeigt in einem einzigen Wert die Gefährdungssituation einer Organismengruppe pro Rote Liste. Je tiefer der Index ausfällt, des höher ist der Gefährdungsgrad (bzw. Aussterberisiko) Ist der Index 0, sind alle Arten des Artensets ausgestorben. Ist der Index 1, sind alle Arten ungefährdet. Die Entwicklung lässt sich nur bei Artengruppen beobachten, für die eine revidierte Rote Liste vorliegt. Dies trifft zu für sechs Organismengruppen (siehe Grafik "Entwicklung").
Bei vier Organismengruppen (Reptilien, Fische, Vögel und Gefässpflanzen) hat sich die Gefährdungssituation verschärft, das heisst, die Zahl der Arten, die in eine höhere Gefährdungskategorie eingestuft werden mussten, ist grösser als die Zahl jener Arten, die tiefer eingestuft werden können. Es muss von einem höheren Aussterberisiko gesprochen werden.
Bei den Libellen und den Amphibien steigt der Index, das heisst das Aussterberisiko hat sich verkleinert. Offenbar haben bestimmte Arten davon profitiert, dass in den letzten Jahren viele für sie geeignete Lebensräume revitalisiert, aufgewertet oder neu angelegt worden sind. Allerdings sind vor allem bei den Amphibien immer noch überdurchschnittlich viele Arten gefährdet. Diese Arten erleiden vielerorts weiterhin Bestandsverluste oder haben ein stark eingeschränktes Verbreitungsareal.
Insgesamt wird die Entwicklung immer noch als unbefriedigend beurteilt.
Seit 2000 werden für jede nationale Rote Liste die Gefährdungskategorien und Einstufungskriterien gemäss Richtlinien der Weltnaturschutzunion (IUCN) verwendet.
In der Schweiz existieren seit gut 30 Jahren Rote Listen. Die Einstufung der Gefährdung basiert auf Kriterien, die für die Aussterbewahrscheinlichkeit massgebend sind. Ein Beispiel: Je kleiner und fragmentierter das von einer bestimmten Art besiedelte Gebiet ist, desto rascher gehen die Bestände zurück und desto höher ist der Gefährdungsgrad der betreffenden Art.
Da diese Bewertungen landesweite, mehrjährige Feldkampagnen erfordern, kann der Gefährdungsstatus nur in relativ grossen Zeitabständen (je nach Artengruppe 10–20 Jahre) aktualisiert werden. Die Entwicklung des Gefährdungsgrades lässt sich nur messen, wenn zwei Rote Liste vorliegen, die nach denselben Kriterien bewertet wurden. Der Rote-Liste-Index (RLI) der IUCN fasst sämtliche Veränderungen zusammen, die sich bei der Revision einer Roten Liste ergeben. Er wird anhand der Methode nach Butchart et al. 2007 und Bubb et al. 2009 ermittelt.
Angestrebte Entwicklung | Anfangswert | Endwert | Veränderung in % | Beobachtete Entwicklung | Beurteilung |
---|---|---|---|---|---|
Zunahme | 2001-2007 | 2016-2022 | (1) -1.33%, (2) -9.46%, (3) 5.36%, (4) -6.56%, (5) 5.56%, (6) -1.20% | (1) Stabilisierung, (2) Abnahme, (3) Zunahme, (4) Abnahme, (5) Zunahme, (6) Stabilisierung | unbefriedigend |
(1) Brutvögel, (2) Reptilien, (3) Amphibien, (4) Fische, (5) Libellen, (6) Gefässpflanzen |
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