In jeder Ausgabe von «die umwelt» äussert sich in dieser Kolumne eine Persönlichkeit zum Thema «Meine Natur». Ausgabe 4/2022.
Der Ökoakustiker Marcus Maeder nimmt für seine Projekte Geräusche der Natur auf, etwa jene von Pflanzen. Hier erzählt er von seiner Beziehung zur Umwelt.

Während meiner Kunstausbildung an der Hochschule Luzern komponierte ich auch elektronische Musik und interessierte mich da bereits sehr für Klangkunst. Bevor ich in diesem Bereich professionell tätig wurde, begann ich erst einmal damit, die Welt um mich herum aufzunehmen. Daraus entstanden dann meine ersten Erkundungen der Klänge in der Natur. Ich glaube, der Wunsch, genau zu verstehen, was ich höre, treibt mich seit jeher an.
So wurden Umweltfragen in der Zeit meines Philosophiestudiums immer wichtiger, was mich schliesslich dazu bewog, ein Doktorat in Umweltwissenschaften an der ETH Zürich anzugehen. Die Verbindung zwischen Forschung und Kunst bleibt aber nach wie vor wichtig für mich.
Ich habe mit anderen Forschern und Programmiererinnen ein Projekt durchgeführt, bei dem wir nicht nur die akustischen Emissionen eines Baums aufnahmen, sondern die erfassten Daten auch in Klänge übersetzten, wie zum Beispiel das Fliessen des Saftstroms. In dieser Form wiedergegeben haben uns diese Messungen anschliessend geholfen, die Verbindungen zwischen den Pflanzengeräuschen und den Umweltbedingungen zu untersuchen.Mein Beruf als Ökoakustiker hat meine Beziehung zur Natur verändert. Seit ich auf die Geräusche horche, die zum Beispiel im Boden lebende Organismen machen, ist mir die grosse Vielfalt und Sensibilität des Ökosystems viel bewusster.
Ich erinnere mich auch, wie intensiv ich die Grösse und Komplexität des Amazonas-Regenwalds empfunden habe. In diesen Momenten werde ich mir wirklich bewusst, dass wir Teil eines grösseren Ganzen sind. Auch die Klimaveränderungen zu beobachten und in Trockenperioden dem charakteristischen Klang der durstigen Pflanzen zuzuhören, sind sehr prägende Erfahrungen.
Im Lauf der Jahre ist meine Sicht auf die Welt ganzheitlicher geworden. Ich staune immer wieder von Neuem darüber, wie alles miteinander zusammenhängt. Obwohl diese Interaktionen in ganz unterschiedlichen Formen auftreten, tragen sie doch alle dazu bei, ein empfindliches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Für mich ist das eine der grössten Lehren der Natur.
Letzte Änderung 28.09.2022