Altlasten-Verordnung: Eine Erfolgsgeschichte in mehreren Kapiteln

30.08.2018 - Vor 20 Jahren ist die Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten in Kraft getreten. Sie ist die Grundlage, um Deponien und ehemals gewerblich genutzte Areale von umweltschädlichen und teilweise gesundheitsgefährdenden Stoffen befreien zu können. Bisher wurden in der Schweiz rund tausend Areale saniert und damit eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Die letzten Kapitel sind noch nicht verfasst – die Herausforderungen für die Zukunft bleiben bestehen.

Die direkt an der Emme gelegene Kehrichtdeponie Schwarzweg in Derendingen wurde zwischen 1935 und 1978 vor allem mit Haushaltkehricht verfüllt.
© BAFU / OFEV / UFAM

Abfall als Spiegel der Lebensgewohnheiten

Knochen, zerbrochene Tongefässe, zerrissenes Gewebe aus Wolle, Leinen oder Hanf: Für Archäologinnen und Historiker eröffnen Abfallablagerungen aus dem Mittelalter oder aus noch früheren Epochen aufschlussreiche Einblicke in die Lebensgewohnheiten unserer Vorfahren. Über Jahrhunderte fiel in den Siedlungen hauptsächlich organischer Abfall an. Noch um 1950 bestand hierzulande der Hauskehricht zu mehr als der Hälfte aus Küchenabfällen, gefolgt von Papier, Karton, Asche und Schlacke.

Das änderte sich mit dem Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, als Verarbeitung und Konsum von Kunststoffen, Metallen und anderen künstlich hergestellten Materialien stetig zunahmen. An Standorten von Gewerbe und Industrie und in den Deponien, die praktisch in jedem Dorf zu finden waren, wurden immer mehr problematische Stoffe abgelagert oder gelangten in die Umwelt: von Batterien über Lösungs- und Kühlmittel bis zu Rückständen von Treibstoffen. Auch Schiessanlagen wurden wegen der giftigen Bleimunition in deren Umgebung zunehmend zum Problem. Die Deponien wurden geschlossen und sich selbst überlassen. Oft sind sie mittlerweile mit Wald überwachsen oder werden landwirtschaftlich genutzt. Viele Betriebsstandorte stellten die gewerbliche Tätigkeit ein und wurden zu Wohngebieten oder sind Brachflächen.

Der über eine lange Zeit sorglose Umgang mit allen Arten von Abfällen führte dazu, dass mitunter sogar Orte, die auf den ersten Blick idyllisch wirkten, mit unliebsamen Überraschungen aufwarteten. Erst bei späteren Messungen stellte sich heraus, dass der Boden, das Grundwasser oder benachbarte Gewässer mit teilweise giftigen oder krebserregenden Stoffen belastet waren.

Schadstoffe aus alten Deponien, Betrieben, Schiessanlagen und von Unfällen können Grundwasser, Oberflächengewässer, Boden und Luft gefährden.
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Für Umweltsünden der Vergangenheit geradestehen

1995 wurde das Umweltschutzgesetz USG mit mehreren Artikeln zum Umgang mit belasteten Standorten ergänzt. Darauf aufbauend erliess der Bundesrat im August 1998 dann die Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung AltlV).

Seither wurde die AltlV mehrmals aktualisiert. Am grundsätzlichen Konzept des Umgangs mit den Abfallsünden der Vergangenheit änderte sich indes nichts: Der erste Schritt bestand darin, einen Kataster sämtlicher belasteter Standorte zu erstellen. Muss man davon ausgehen, dass gefährliche Stoffe einen Standort verunreinigt haben und dies schädliche Folgen haben könnte, wird mit einer historischen und technischen Untersuchung die Art der Schadstoffe und die von ihnen ausgehende Gefährdung bestimmt.

Ob saniert werden muss, hängt unter anderem davon ab, wie konzentriert bestimmte Substanzen in Grundwasser und Oberflächengewässer, Boden und Luft vorkommen. Die AltlV legt fest, wie hoch die Werte maximal sein dürfen. Wenn die Messungen bestätigen, dass Menschen und Umwelt gefährdet sind, folgt eine detaillierte Untersuchung und die Massnahmen und der Zeitplan für die Sanierung der Altlast werden festgelegt.

Auf der Deponie Rietberg hat die Stadt Winterthur zwischen 1914 und 1990 ca. 800‘000 m3 Hauskehricht, Kehrichtschlacke, sowie Bau- und Industrieabfälle abgelagert.
© Stadt Winterthur

Das schrittweise Vorgehen im Umgang mit Altlasten ermöglicht es den Behörden, Prioritäten zu setzen und diejenigen Standorte zuerst zu sanieren, von denen die grösste Gefährdung ausgeht.

Augenmass bei der Beurteilung der Risiken

Die AltlV zielt nicht darauf ab, sämtliche belasteten Standorte zu sanieren. Saniert werden müssen nur die Altlasten, das heisst Standorte, von denen eine Gefahr ausgeht. Ausschlaggebend für eine Sanierung ist nicht die Belastung an sich, sondern der Schaden, den sie bei Menschen und in der Umwelt anrichten könnte. Die Ansprüche sind hoch. Wenn ein belasteter Standort landwirtschaftlich genutzt wird, gilt es sicherzustellen, dass die Bevölkerung die darauf erzeugten Nahrungsmittel bedenkenlos konsumieren kann.

Gleiches gilt für Fliessgewässer, Seen und Grundwasser: Der belastete Standort darf deren Trinkwasserqualität nicht beeinträchtigen. Auch sollen Kinder zum Beispiel auf Spielplätzen oder in Familiengärten, die saniert wurden, gefahrlos spielen können. Und wer in einem Gebäude wohnt, das auf einer ehemaligen Altlast errichtet wurde, soll nicht durch Gase aus dem Untergrund belästigt oder gar in seiner Gesundheit beeinträchtigt werden.

Um sicherzustellen, dass zum Beispiel bei einem künftigen Bauprojekt auf einer belasteten Parzelle die Schadstoffe im Untergrund nicht vergessen gehen, verbleiben sämtliche belasteten Standorte im Kataster.

Vollzug durch die Kantone, Unterstützung durch den Bund

Die Umsetzung der AltlV obliegt den Kantonen. Der Bund steht ihnen dabei unter anderem mit einer Reihe von Vollzugshilfen zur Seite. Diese zeigen beispielsweise die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten auf und enthalten Listen von Kriterien, um das jeweils beste Verfahren zu ermitteln.

Beispiele von Altlastsanierungen

Legende Gesamtkosten
> 100 Mio. CHF
10-100 Mio. CHF
< 10 Mio. CHF

Auch finanziell unterstützt der Bund die Kantone. Zwar gilt für das Beseitigen von Altlasten das Verursacherprinzip, sodass in erster Linie diejenigen für die Sanierung aufkommen müssen, die den Schaden angerichtet haben. Oft aber lassen sich die Verantwortlichen nicht mehr ermitteln, und die Kosten für die Sanierungsarbeiten gehen zulasten der öffentlichen Hand. In solchen Fällen und bei Siedlungsabfalldeponien beteiligt sich der Bund mit bis zu 40 Prozent an den Kosten, die beim Kanton anfallen. Dazu greift er auf den sogenannten VASA-Altlastenfonds zurück, der in der Verordnung über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten verankert ist.

Dieser speist sich aus Gebühren, die für das Entsorgen von Abfällen auf Deponien entrichtet werden müssen. Bislang wurden zwischen 2002 und 2017 den Kantonen 353 Millionen Franken aus dem VASA-Fonds als Beiträge an die Untersuchung, Überwachung und Sanierung von belasteten Standorten ausbezahlt. Weitere 80 Millionen Franken wurden zugesichert.

Auf gutem Weg

Die gesamte Altlastenbearbeitung – das heisst Untersuchung, Überwachung und Sanierung –befindet sich in der Schweiz auf gutem Weg und kann sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen. In den vergangenen 20 Jahren haben die 26 Kantone, das Bundesamt für Verkehr BAV, das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL sowie das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS die Kataster ihrer belasteten Standorte erstellt und im Internet veröffentlicht.

Von den insgesamt 38'000 belasteten Standorten gelten rund 4'000 als sanierungsbedürftig. Etwa ein Viertel dieser Altlasten – darunter die meisten besonders problematischen Fälle – wurde bereits saniert.

Beim Grossteil der beseitigten rund tausend Altlasten wurde der Untergrund ausgehoben und entsorgt; bei rund 200 dieser Standorte kam ein Verfahren zur Anwendung, bei dem die Abfälle nicht ausgehoben, sondern die Schadstoffe an Ort und Stelle behandelt werden.

Die Sanierung der Kehrichtdeponie Rüti in der Gemeinde Zuchwill bestand, weil verschiedene Konzentrationswerte der AltlV überschritten wurden und das Grundwasser aufgrund eines ungenügenden Rückhalts unmittelbar gefährdet war.
© BAFU / OFEV / UFAM

Altlasten gar nicht erst entstehen lassen

Wollen wir die Erde den nachfolgenden Generationen in einem möglichst guten Zustand überlassen, stehen wir in der Pflicht, kein umweltbelastendes oder gar gefährliches «Erbe» zu hinterlassen. Um alle Altlasten zu untersuchen und zu sanieren, werden bis zum Abschluss der Arbeiten geschätzte 5 Milliarden Franken erforderlich sein.

Im Nachhinein ist es einfach, den über lange Zeit allzu sorglosen Umgang mit Abfällen zu bemängeln. Viel schwieriger ist es, auch in der Gegenwart rechtzeitig zu erkennen, welche der heute in Umlauf gesetzten Stoffe in Zukunft Probleme verursachen könnten. Auch dürfen strengere schweizerische Gesetze nicht dazu führen, dass umweltbelastende Produktionsweisen ins Ausland verschoben werden. Vielmehr müssen wir darauf bedacht sein, unsere Güter so zu erzeugen und so mit ihnen umzugehen, dass sie die Umwelt nicht gefährden und wenn möglich am Ende ihrer Gebrauchsphase wieder zu Rohstoff für neue Produkte werden.

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Letzte Änderung 30.08.2018

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