Interview: Schlaues Gamedesign - «Wer sich ökologisch verhält, wird belohnt»

Spiele verändern unser Bewusstsein und stellen uns Handlungsoptionen zur Verfügung, sagt Dominik Rinnhofer, Professor für Gamedesign. Das gilt auch für Games, die unseren Einfluss auf die Umwelt sicht- und erlebbar machen. Was Rinnhofer noch fehlt, sind Spiele, die eine gesamtheitliche Sicht vermitteln.

Interview: Ori Schipper

Dominik Rinnhofer
Dominik Rinnhofer hat Medienkunst und Bühnenbild studiert, bevor er sich mit seiner interaktiven Computerkunst an internationalen Opern- und Theaterprojekten beteiligt und mit einer eigenen Agentur verschiedene Erklärspiele oder «Serious Games» für Museen und Ausstellungen erstellt hat. Seit 2018 unterrichtet er Game­design an der Macro­media Hochschule in Stuttgart. Sein liebstes Spiel seit seiner Kindheit ist das Brettspiel Malefiz. Das Computergame «Red Dead Redemption II» hingegen half ihm, «wohlbehalten durch den Covid-Lockdown zu kommen».
© Aurélien Barrelet | Large Network

Dominik Rinnhofer, in Ihrem Forschungsprojekt namens Eco Games befassen Sie sich mit der Frage, wie Spiele zu gestalten sind, damit sie einen Impact haben, also einen Einfluss auf die Spielenden. Wie können sich Games auf uns auswirken?

Wenn wir spielen, beteiligen wir uns aktiv am Geschehen. Und wir speichern die Handlungen, die wir dabei vornehmen, als Optionen ab. Je stärker wir in das Spiel eingebunden sind, desto tiefer prägen sich uns die Handlungsoptionen ein. Und desto leichter können wir später auf sie zurückgreifen.

Also beeinflussen Spiele tatsächlich unser Leben?

Spiele verändern unser Bewusstsein – und sie können unsere Handlungen beeinflussen, zum Guten wie zum Schlechten. Das ist durch mehrere Studien gut belegt. So hat etwa eine Untersuchung aus den USA drei Gruppen von Biologiestudentinnen und -studenten miteinander verglichen. Alle hatten sich physiologisches Wissen anzueignen, also zum Beispiel welche Organe für welche biologische Funktion zuständig sind – die einen mit Lesen, die anderen mit Videos anschauen und die dritten mit Spielen. Die Gruppe, die gespielt hat, hat bei der Abfrage Wochen später deutlich besser abgeschnitten. Aber so wie uns Shooter-Games nicht automatisch zu Serienmördern machen, verwandelt uns ein Mülltrennungsspiel nicht automatisch in konsequente Mülltrenner. Beim Spielen können wir ein Verhalten einüben. Aber was wir dann im echten Leben tun, wird von unseren moralisch-ethischen Werten gesteuert.

Gewisse Games haben das Ziel, komplexe ökologische Zusammenhänge zu vermitteln. Geht das überhaupt?

Ja, in Spielen lassen sich Abhängigkeiten besser darstellen als in anderen Medien, weil man Wege mehrfach gehen kann und so auch die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen nachvollziehen kann. Auch «Balance of the Planet», eines der ersten Eco Games, war schon so ausgelegt. Darin muss ich als Weltpolitiker dafür sorgen, dass die Erde für die Menschheit bewohnbar bleibt. Allerdings ist das Spiel so gestrickt, dass ich dieses Ziel kaum erreichen kann. Diese Spielmechanik ist wissenschaftlich fundiert, denn unser Planet befindet sich in einem kritischen Zustand. Und auch als allmächtiger Welt­politiker hat man nur begrenzte Optionen, um aus dieser misslichen Lage herauszukommen.

Ist das nicht frustrierend?

Man sollte doch positive Beispiele zeigen.Natürlich ist dieses Scheitern auch im Spiel mit Frust verbunden, aber im Unterschied zur Realität kann ich die Simulation jederzeit nochmals starten und erneut mein Glück versuchen. Das Spiel zeigt zudem, wie alles miteinander in Verbindung steht: Wenn ich zum Beispiel Wald abholze, um mit einem höheren Getreideangebot den Hunger zu stillen, sinken dadurch auch meine Biodiversitätswerte, was den Ausbruch von Krankheiten wahrscheinlicher macht.

Seit wann gibt es solche Eco Games?

Schon seit über 40 Jahren. «Balance of the Planet» ist zum Beispiel in den späten 1980er-Jahren entstanden.

Nimmt die Bedeutung dieser Spielsparte im Gaming-Markt zu?

Im Vergleich zu früher gibt es heute mehr unabhängige Spiele-Entwickler – und mit dieser grösseren Diversität an Spielen gibt es wohl auch mehr Eco Games. Insgesamt stellen sie aber immer noch nur eine Nische auf dem gesamten Spielemarkt dar. Dieser Markt ist in den letzten Jahren allerdings unglaublich divers geworden. Vom Umsatz her dominieren nur einige wenige Blockbuster-Spiele, doch daneben gibt es eine Unmenge Games zu jedem erdenklichen Thema. Dabei kann man auch in vielen Spielen, die nicht als Eco Games deklariert sind, Umweltthemen identifizieren. In Aufbauspielen wie etwa «Minecraft» zum Beispiel werden Ressourcen abgebaut und ausgebeutet. Allerdings wachsen sie ständig nach – und verleiten deshalb nicht zu einem sparsamen Umgang. Das ist bei klassischen Eco Games wie «Eco», das 2018 veröffentlicht wurde, anders. Auch dort baut man sich seine eigene Welt, aber die Ressourcen sind endlich. Und wer sich ökologisch und kooperativ verhält, wird belohnt.

Richten sich Eco Games vor allem an Kinder?

Computergames werden längst nicht mehr nur von Kindern und Jugendlichen genutzt. Das Durchschnittsalter von Spielerinnen und Spielern in Deutschland beträgt 37 Jahre. Und Umfragen zeigen, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung regelmässig spielt.

Wie steht es um die Nachhaltigkeit von Eco Games?

Für die Herstellung von Hardware benötigt man seltene Erdmetalle, Cloud- und Streaming-Dienste verschlingen Unmengen an Energie.Das ist ein schwieriges Thema. Das Mineral Coltan in den Play-Stations wird in zentralafrikanischen Minen teilweise von Kindern geschürft. Wenn man die Überlegungen zur Nachhaltigkeit enger fasst, spielen auch der Energieverbrauch und die Vertriebswege eine Rolle, also ob ein Game etwa in der Cloud gerechnet und gespielt oder zum Beispiel auf Blu-ray Discs verkauft wird. Da bewegt sich etwas in der Branche und zusehends beschäftigen sich auch Spiele-Entwickler, die nicht an Eco Games arbeiten, mit solchen Fragen. Abgesehen davon gibt es auch eine ganze Bandbreite von analogen Eco Games, wie etwa das Kartenspiel «Fix the world». Hier kriegt man ökologische Probleme vorgelegt, die man in der Runde dann argumentativ lösen muss.

In welche Richtung entwickeln sich die Eco Games weiter?

Ich beobachte, dass es immer mehr Spiele gibt, in denen nicht Menschen, sondern zum Beispiel Tiere im Zentrum stehen. Füchse sind sehr beliebt, aber auch andere Tiere, etwa solche, die vom Aussterben bedroht sind und für das Überleben ihrer Nachkommen sorgen müssen. Ich finde diesen Wechsel in die Perspektive anderer Lebewesen spannend, denn er könnte in Zukunft dazu beitragen, dass Spiele vermehrt eine gesamtheitliche Sicht vermitteln und auf Konzepten wie etwa der Gaia-Hypothese aufbauen, wonach das Leben nicht nur auf, sondern zusammen mit dem Planeten Erde existiert.

Eco Games aus der Schweiz

Auch hierzulande entstehen Spiele, die mittels interaktiver Simulation zeigen, welchen Einfluss Entscheidungen auf die Umwelt haben können. So gilt es zum Beispiel in «MurGame» ein Bergdorf zu bauen und es mit verschiedenen Schutzmassnahmen gegen Schlammlawinen abzusichern. Das Game wird als interaktives Element bei Ausstellungen, aber auch bei Schulungen eingesetzt. «Das Ziel ist, Fachpersonen für das Risiko von Murgängen zu sensibilisieren – und letztlich eine Verhaltensänderung herbeizuführen», sagt Ralf Mauerhofer von der Game­schmiede Koboldgames, die das Spiel in Zusammenarbeit mit dem geowissen­schaftlichen Büro geo7 und dem Schweizerischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung entwickelt hat.

murgame.ch

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Letzte Änderung 13.09.2023

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