22.02.2022 – Wie gross ist das Risiko von Arten, in der Schweiz auszusterben? Rote Listen liefern dazu wissenschaftlich fundierte Antworten. Die drei 2021 und 2022 aktualisierten Roten Listen zu den Libellen, Säugetieren und Vögeln dokumentieren positive Entwicklungen. Sie zeigen aber auch, wo Probleme sind. Für die Singzikaden wurde erstmals eine Rote Liste erarbeitet und 2021 publiziert.
Wieselflink ist seine Überlebensstrategie: Das Mauswiesel ist zwar ein Jäger, aber auch Beute von vielen Greifvögeln. Als kleinster Beutegreifer der Schweiz ist es nicht viel schwerer als die Wühlmäuse, von denen es sich ernährt. Seine Anwesenheit ist somit ein Segen für die Landwirtschaft. Doch das Verbreitungsgebiet des Mauswiesels in der Schweiz wird immer löchriger.
Diese Entwicklung ist der Hauptgrund dafür, dass das putzige und nützliche Tierchen in der Roten Liste der Säugetiere als gefährdet eingestuft wird. Die Rote Liste gibt Auskunft zum Risiko, dass Arten aussterben könnten und signalisiert so, dass es Massnahmen braucht.
Mangel an Lebensraumqualität und Vernetzung
Das Mauswiesel mag vielfältige Landschaften. Nur dort findet es genügend Nahrung, Deckung vor Greifvögeln und Hauskatzen sowie Verstecke für die Kinderstube. Solche Gebiete sind allerdings Mangelware geworden. Dies allein erklärt aber noch nicht das Verschwinden des Mauswiesels.
In der Schweiz leben 56 000 verschiedene Arten von Pflanzen, Tieren und Pilzen. Um diesen Reichtum zu erhalten, muss man wissen, wie sich die Arten entwickeln. Bei der Bewertung des Zustands der Artenvielfalt spielen Rote Listen eine zentrale Rolle. Um ein möglichst genaues Bild zu bekommen, werden von verschiedenen Organismengruppen Rote Listen erstellt.
In der Schweiz werden die Roten Listen von den nationalen Daten- und Informationszentren (z. B. Info fauna, Vogelwarte Sempach) im Auftrag des BAFU erstellt. Bisher wurde in der Schweiz für 20 % der bekannten Arten der Gefährdungsstatus bestimmt. Der Anteil ist nicht grösser, weil dies zum Teil aufwändige Feldarbeiten bedingt. So werden unter anderem früher bekannte Vorkommen der Arten erneut aufgesucht, um ihre Entwicklung beurteilen zu können.
Rote Listen werden alle 10 bis 15 Jahre aktualisiert. Die Bestimmung des Gefährdungsgrades erfolgt dabei nach den Kriterien der Weltnaturschutzunion IUCN. Diese international und wissenschaftlich abgestützten Richtlinien ermöglichen eine objektive Einstufung und verbessern die Vergleichbarkeit der Roten Listen auf nationaler und internationaler Ebene.
Der kleine Marder benötigt nicht nur Lebensräume von hoher ökologischer Qualität, sondern ist auch zwingend darauf angewiesen, dass die verstreut lebenden Populationen miteinander vernetzt sind. Denn der Bestand des Mauswiesels schwankt von Natur aus stark. Verwaiste Flächen können nur wiederbesiedelt werden, wenn Blumenwiesen, Brachen, Ast- und Steinhaufen, Hecken oder Bäche mit naturnahen Ufer die Lebensräume des Mauswiesels verbinden und so ein landesweites Netzwerk bilden.
Unterbrochene Wildtierkorridore
Von den 55 einheimischen Säugetierarten (ohne Fledermäuse) gelten 20 als gefährdet . Viele dieser Arten leiden wie das Mauswiesel unter eintönigen Lebensräumen und einer mangelhaften Lebensraumvernetzung. Letzteres gilt speziell auch für die grösseren Arten wie Hirsch oder Luchs, die mobil sind und viel Raum benötigen.
Der Tod beim Überqueren von Strassen ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das langfristige Überleben gewisser Wildtierarten. Bereits der Verlust weniger Tiere kann bei seltenen Arten schwerwiegende Folgen für den Bestand haben. Die Einzäunung der Verkehrswege dagegen führt wiederum zur Unterbrechung der Wanderkorridore der Wildtiere. Es ist daher anspruchsvoll, dafür zu sorgen, dass raumbeanspruchende Wildtiere in der Kulturlandschaft leben können.
Rote Liste der Säugetiere (ohne Fledermäuse)
Gefährdete Arten der Schweiz. 2022
Positive Entwicklungen dank Fördermassnahmen
Entwickelt sich der Bestand einer Art positiv, schlägt sich dies in den Roten Listen nieder. Das gilt beispielsweise für den Biber, den Baumeister vielfältiger Bäche und Flüsse. In der Roten Liste der Säugetiere von 1994 galt die Art noch als vom Aussterben bedroht. Heute ist der Biber nicht mehr gefährdet. Dank Förderprogrammen hat sich der Bestand inzwischen fast verzehnfacht.
Auch bei den Vögeln gibt es Arten, die sich dank gezielter Artenförderungsprojekte erholen. Dazu gehört der Weissstorch, ein typischer und auffälliger Bewohner von offenen Landschaften mit feuchten Wiesen und Flussauen. Die Art ist dank Vogelschützern und einem nationalen Aktionsplan nicht mehr auf der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten.
Insgesamt betrachtet zeigt die aktualisierte Rote Liste der Vögel jedoch, dass sich die Gefährdungssituation der Brutvögel seit 2010 nicht verbessert hat. Nach wie vor gelten 40 % der einheimischen Arten als gefährdet. Ein Drittel davon war in der Schweiz als Brutvogel allerdings schon immer selten, zum Beispiel, weil unser Land am Rande ihres optimalen Brutgebietes liegt. Rote-Liste-Arten kommen in allen Lebensräumen vor. Ihr Anteil ist im Kulturland und in Feuchtgebieten deutlich höher als im Wald oder in alpinen Lebensräumen.
Rote Liste der Brutvögel
Gefährdete Arten der Schweiz. 2021
Spezialisierte Arten benötigen Lebensraumqualität
Arten brauchen genügend Flächen von hoher ökologischer Qualität, die optimal im Raum verteilt und untereinander vernetzt sind. Ein solches Netzwerk von wertvollen Lebensräumen ist im Aufbau.
Gehandelt werden muss bei der Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Lebensräume. Die meisten Arten benötigen nämlich ganz bestimmte Umweltbedingungen. Sie haben sich auf gewisse Lebensräume spezialisiert und leben beispielsweise nur an sehr feuchten oder sehr trockenen Standorten.
Dies spiegelt sich in den Roten Listen bei verschiedenen Artengruppen wider: Arten feuchter oder trockener Standorte stehen deutlich häufiger auf den Roten Listen als Arten, die durchschnittlich feuchte Böden bevorzugen.
Das Konzert der Singzikaden verstummt
Das gilt beispielsweise für die Singzikaden, die trockene und gut besonnte Lebensräume im Landwirtschaftsland und im Wald benötigen. 2021 ist erstmals eine Rote Liste für diese Gruppe erschienen. Von den 10 einheimischen Arten werden 8 als gefährdet eingestuft. Noch mehr bedrohte Arten findet man nur bei den Reptilien, den Armleuchteralgen und den Zehnfusskrebsen.
Zwei unterschiedliche Einflüsse gefährden die Singzikaden: Zum einen führt zu viel Dünger, zu viel Vieh oder die Bewässerung dazu, dass bunte Wiesen zu artenarmen Lebensräumen werden, in denen auch die Singzikaden keinen Platz mehr finden.
Zum anderen ist die Ausbreitung des Waldes auf unternutzten oder nicht mehr genutzten Trockenwiesen und -weiden in den Berggebieten ein Problem für Singzikaden und viele weitere Insektenarten. Auch weil weniger Holz genutzt wird und lichte Wälder zuwachsen, verlieren, Singzikaden Lebensraum.
Rote Liste der Singzikaden
Gefährdete Arten der Schweiz. 2021
Immer mehr fliegende Edelsteine
Gute Nachrichten kommen von den Libellen: Im Gegensatz zu den Vögeln ist das Risiko, dass Libellenarten aussterben in den letzten 20 Jahren kleiner geworden. Entwarnung kann aber noch nicht gegeben werden, es sind immer noch 36 % der Arten gefährdet.
Die positive Entwicklung ist vor allem auf die Revitalisierung und Aufwertung von Gewässern und Feuchtgebieten zurückzuführen, die sich gut auf viele Bestände ausgewirkt haben. Hier zeigt sich: Wird etwas für die Biodiversität getan, kommen die Arten zurück und die Roten Listen werden kürzer.
Rote Liste der Libellen
Gefährdete Arten der Schweiz. 2021
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 22.02.2022