Hitze und kein Wasser: Sitzt die Landwirtschaft von morgen auf dem Trockenen?

Die Schweizer Bauern werden in Zukunft zunehmend mit Hitzeperioden und Wasserknappheit kämpfen. Ein Pilotprojekt im Kanton Aargau will herausfinden, was es für eine klimaresiliente Landwirtschaft braucht.

Text: Roland Fischer

Gemüseanbau im Kanton AG
Gemüseanbau im Hitzesommer 2022: Ein Feld im Kanton Aargau wird bewässert.

Othmarsingen (AG), im August 2060. Die Bünz ist nur noch ein Rinnsal, kein Bauer käme auf die Idee, Wasser aus diesem Bach herauszu­holen, wie man das bis in die 2020er-Jahre hinein noch getan hatte. Das Thermometer kratzt die 40-Grad-Marke, wochenlang fällt kein Regen. Zum Glück führt die parallel zur Bünz verlaufende Reuss noch genug Wasser. Ausserdem liegt ein grosses Grundwasservorkommen nördlich der Region Bünztal. Inzwischen kommen die Gemüsebauern und -bäuerinnen im Bünztal mit dem Extremwetter ganz gut zurecht, sie haben sich angepasst. Sie haben in Bewässerungssysteme investiert und bauen mehr hitze­resistente Pflanzen an. Die Extreme sind zur Normalität geworden.

Sieht so etwa die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft aus? Das lässt sich pauschal nicht sagen. Was man indes mit ziemlicher Sicherheit sagen kann: Selbst mit konsequenten Klimaschutzmassnahmen wird die mittlere Temperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zustand ansteigen, bis 2060 insbesondere in den Sommermonaten um zwei Grad Celsius. Auch bei der Anzahl Hitzetage ist der Anstieg markant, von heute 11 auf 26 pro Jahr. So sieht jedenfalls der klimatologische Grundrahmen aus, wie ihn ein Projekt unter Federführung des Kantons Aargau gesetzt hat. Das Ziel des Projekts «Anpassung als Chance für die Landwirtschaft»: herausfinden, was eine solche Veränderung für die lokalen Bauern und Bäuerinnen bedeutet – und welche Akteure im Anpassungsprozess eine entschei­dende Rolle spielen werden.

Schweiz Bauern unter Druck?

Zunächst lässt sich festhalten: Das Wasserschloss Schweiz nimmt in den sich abzeichnenden Umwälzungen eine privilegierte Position ein. Trockenheit wird ein Thema sein, aber in normalen Jahren zeitlich und räumlich beschränkt. Denn insgesamt gehen Hydrologinnen auch bei steigenden Temperaturen von einer etwa gleichbleibenden Niederschlagsmenge aus. Was sich verändert, ist die saisonale Verteilung: Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben Niederschläge im Winter um 20 bis 30 Prozent zugenommen – ein Trend, der sich fortsetzen dürfte. In den Sommermonaten dagegen werden die mittleren Niederschlagsmengen um etwa 15 Millimeter pro Monat zurückgehen – bei derzeit rund 100 Millimetern monatlich eine vergleichsweise moderate Änderung. Weil aber gleichzeitig in der Hitze mehr Wasser verdunstet, werden die Böden trotzdem trockener, und dies genau dann, wenn alle Systeme und Lebewesen am meisten Wasser benötigen.

Die Landwirtschaft wird sich also an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen müssen. Doch wie? Einfach mehr bewässern? «Das kann nicht die einzige Lösung sein», sagt Samuel Zahner vom Beratungsbüro Ecoplan, der das Aargauer Projekt koordiniert hat. Nötig sind auch andere Strategien: «Die Landwirte müssen andere Kulturen erproben, die mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen.»

Ein Projekt zur Zukunft der Landwirtschaft

Das Projekt «Anpassung als Chance für die Landwirtschaft» nutzt für das Bünztal (AG) erstmals das Instrument der landwirtschaftlichen Planung systematisch für den Bereich Trockenheit. Der Kanton Aargau zählt zu den fünf grössten Agrarkantonen der Schweiz, und das Bünztal ist ein wichtiges Anbaugebiet. Seit 2003 war die Landwirtschaft hier immer wieder von Wasserknappheit betroffen. Im Hitzesommer 2018 lancierte der Kanton einen Dialog zwischen Verwaltung und Verbänden zum Umgang mit Trockenheit. Das Pilotprojekt erarbeitete dazu von Januar 2019 bis Juni 2021 eine fundierte Wissensgrundlage und eine zukunftsorientierte Strategie.

Lösungsansätze mit Hindernissen

Im Aargauer Projekt kamen Bauern mit Behördenvertreterinnen und Experten zusammen und diskutierten diese Zukunftsperspektiven in diversen Workshops. Es zeigte sich, dass man im unteren Bünztal bereits Erfahrung mit Trockenheit hat, auch eine gewisse Infrastruktur ist schon vorhanden. Nur handelt es sich dabei meist um Beregnungssysteme. Dabei gäbe es auch Bewässerungssysteme, die sparsamer mit Wasser umgehen, etwa die Tropfbewässerung. Diese Systeme sind allerdings teuer und machen beim Auf- und Abbau viel Arbeit, deshalb kommen sie bislang auf grossen Flächen kaum zum Einsatz. Künftig dürfte sich das ändern, denn inzwischen sind ausrollbare Systeme verfügbar, mit denen sich auch grosse Gemüsefelder gut bewässern lassen.

Noch kaum Erfahrung hat man im Bünztal mit auf Trockenheit ausgerichteten Produktionssystemen. Mit anderen Worten: Man behilft sich mit Notmassnahmen, setzt auf vermehrte Bewässerung, auch wenn vielen lokalen Landwirten bewusst wird, dass dieses Vorgehen keine längerfristige Lösung sein kann. Man wird zumindest die Saat- und Pflanztermine anpassen, die Auswahl der Kulturen und Sorten überdenken müssen.

Inwiefern sind Landwirtinnen denn bereit, nachhaltige Lösungen zu finden? «Die ist sehr unterschiedlich», sagt Zahner. «Es gibt nicht ‹den› Bauern und ‹die› Landwirtschaft. Wie mit dem Klimawandel umgegangen wird, hängt auch von der betrieblichen Perspektive ab.» Will heissen: Wo und für wen lohnt sich welche Anpassung, welche Investition? Das ist auch eine politische Frage. «Dieser Aushandlungsprozess ist teilweise bereits im Gang», sagt Zahner. So forderte etwa der Bauernverband Aargau, dass die Landwirtschaft in Trockenperioden stärker auf Grundwasserressourcen zurückgreifen kann. Daraufhin hatte der Regierungsrat sich bereit erklärt, das Anliegen bei der Überarbeitung des Leitbilds zur Wasserversorgung zu prüfen. Gleichzeitig wird das Projekt «Wasser 2035» vorwärtsgetrieben. Dieses sieht vor, die Wasserversorgungen im Bünz- und Reusstal zu verbinden und mehr Betrieben Anschluss an das Grundwasservorkommen nördlich des Bünztals zu verschaffen. So sollte der Bedarf auch an Spitzentagen zu decken sein, zeigen Modellierungen.

Fehlendes Grundlagenwissen

Um die Landwirtschaft in Zukunft standortgerecht anzupassen, sieht Zahner drei zentrale Stossrichtungen: Zunächst einmal gilt es, den Wasserbedarf in Regionen sicherzustellen, wo es viele bewässerungsintensive Obst- und Gemüsekulturen gibt. Dann sieht er die Agrarpolitik in der Pflicht: Die Rahmenbedingungen des Agrarmarkts müssen angepasst werden. Hier vermisst der Experte noch «klarere strategische Stossrichtungen», auf nationaler wie kantonaler Ebene. Zum Dritten sei auch die Forschung gefordert. Zahner sieht besonders in der Digitalisierung noch viel Potenzial. So ginge etwa Bewässerung «smarter»: Indem Sensoren im Boden laufend dessen Feuchtigkeit messen und Prognosemodelle den Bedarf genau berechnen. Insgesamt aber, auch das hat das Projekt gezeigt, fehlt noch einiges an Grundlagenwissen, um die Risiken der zunehmenden Sommertrockenheit einschätzen zu können – und um aufzuzeigen, welche Anpassungsstrategien am besten funktionieren. Dazu ist es nötig, das Monitoring zu optimieren, um die Zusammenhänge etwa zwischen Agrar- und Umweltpolitik besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse werden für die ganze Schweiz wertvoll sein, wie Zahner sagt: «Die Situation im Bünztal ist sehr typisch für das Mittelland. Auch an anderen Orten werden sich kleine und mittelgrosse Fliessgewässer künftig nicht mehr für die Bewässerung nutzen lassen.» Selbst wenn die Trockenheit für einen einzelnen Bauernbetrieb neben den Rufen nach Ernährungssicherheit und dem Erhalt der Biodiversität nicht die dringendste Herausforderung darstellt, reiht sie sich doch ein in ein grösseres Ganzes, sagt Zahner: «Schaffen wir es rechtzeitig, die Landwirtschaft klimaresilient zu machen?» 

Gemüsebauer Urs Bryne
Gemüsebauer Urs Bryner kennt die Realitäten des Klimawandels. Seine Zukunft hängt am Wasser.
© YOSHIKO KUSANO/LUNAX/BAFU

Die Realität eines «Gmüesers»

An diesem trüben, regnerischen Tag im Dezember könnte gefühlt nichts ferner liegen als ein Hitzesommer. Und wie man so vorbei an triefend nassen Wiesen zu Urs Bryner unterwegs ist, vom Bahnhof Othmarsingen (AG) zu seinem Hof mitten im Dorf, scheint es nicht unbedingt naheliegend, mit Bryner über Trockenheit und Bewässerung zu reden. Aber der Klimawandel ist nicht eine ungefähre Zukunftsperspektive, sondern eine Realität, mit der man sich als Landwirt zu arrangieren hat. Das merkt man rasch, wenn man sich von Bryner über seinen Hof führen lässt. Seine Realität ist die eines «Gmüesers», und die hing schon immer am Wasser.

Produzieren unter Kostendruck

«Seit man Gemüse produziert, wässert man», stellt Bryner gleich zu Beginn klar. Muss da etwas zurechtgerückt werden im persönlichen Landwirtschaftsbild? Im grossen Massstab bewässerte Felder kennt man doch vor allem aus dem Ausland – etwa in Frankreich, entlang der Autobahn im Elsass. «Nein, Kartoffeln, Rüebli, Zwiebeln – das bewässert man auch in der Schweiz schon lange», sagt Bryner. Der Landwirt baut Erbsen für Konserven sowie Buschbohnen für den Frischkonsum an, daneben auch Zuckermais und Spargeln. Dabei ist es oft gar nicht Bryners Entscheidung, ob er bewässert oder nicht. Bei den Erbsen, die er wie viele seiner Kollegen in der Region für die zur Fenaco gehörenden Frigemo AG produziert, hat er keine Wahl. «Die Frigemo hat ziemlich klare Vorstellungen, wie wir Landwirte für gleichbleibende Qualität zu sorgen haben, auch Bewässerung gehört dazu. Das ist alles vertraglich geregelt», sagt Bryner.

Mit den zusätzlichen Kosten, die in diesem Fall bis zu einem Drittel des Ertrags auffressen können, sei er dann ein wenig alleingelassen. «Das kann bedeuten, dass sich das Ganze rasch nicht mehr lohnt; aber produzieren muss ich trotzdem», sagt Bryner. Er hofft, dass sich auch die Konsumentinnen dessen bewusst werden: «Heisse Sommer, das bedeutet eine aufwendigere Gemüseproduktion, und das müsste der Preis eigentlich reflektieren.»

Bryner zeigt seine Bewässerungsanlage: lange Schläuche auf fahrbaren Rollen, dazu die Pumpen. Eher unscheinbar reiht sie sich unter den Maschinenpark. Welches Konfliktpotenzial da drin steckt, merkt man erst im Gespräch: Manch ein Landwirt in der Region sei schon wegen des Wässerns von Anwohnern verklagt worden, weil sie sich am Lärm störten. «Am liebsten würden wir in der Nacht wässern, wenn es nicht so heiss ist.» Das wäre wegen der geringeren Verdunstung auch ökologisch sinnvoll. Aber das geht eben nur, wenn die Pumpen weit genug weg vom Siedlungsraum sind

Ringen um das knappe Wasser

Wenn die Sommer trockener werden, ändert sich für Bryner vor allem die Wassermenge, die auf die Felder kommt. Und die Begehrlichkeiten: «Was die Gmüeser immer schon gemacht haben, wollen die übrigen Bauern nun auch tun», sagt Bryner – etwa während langen Trockenperioden Getreidefelder oder Futterwiesen bewässern. Wo sich das Wässern wirklich lohne und wo nicht, werde sich rasch zeigen, glaubt der Gemüsebauer. Oder werden die Landwirte über kurz oder lang auf andere Sorten umstellen, die mit weniger Wasser auskommen? Bryner weiss, dass sich wohl noch so einiges ändern wird. Grosse Sorgen hat er deswegen nicht: Es sei Teil des Landwirtberufs, dass man den Wandel immer mitgemacht habe.

Zum Schluss führt Bryner runter zur Bünz, die zivilisiert-begradigt durch die mittelländische Zersiedelung gluckert. Aus ihr haben die Gemüseproduzenten viele Jahre Wasser geholt, ohne dass darum viel Aufhebens gemacht wurde. In den letzten Sommern aber habe die Bünz immer öfter Niedrigwasser geführt, und vor allem die starke Erwärmung hatte zur Folge, dass regelmässig Wasserentnahmestopps ausgesprochen wurden – wegen der Gefahr eines Fischsterbens. Der Landwirt merkt, dass seine Bedürfnisse in einen komplexeren Rahmen passen müssen. «Früher war es so: Man will bewässern, also sucht man technische Lösungen.» Heute dagegen kämen immer mehr Akteure auf die Bühne, die wiederum andere Perspektiven mitbrächten – Naturschutz, Trinkwasserversorgung, Politik. Wie Bryner das sagt, klingt es nicht frustriert, sondern realistisch – eben im Sinne einer Klimarealität, mit der Landwirte schon heute konfrontiert sind.

Urs Bryner
Gemüsebauer in Othmarsingen (AG)

Fazit

In Zukunft wird es pro Jahr mehr Hitzetage geben und im Sommer häufigere und längere Trockenperioden. An diese Bedingungen wird sich die Landwirtschaft anpassen müssen. Ein Projekt im Kanton Aargau hat untersucht, welche Anpassungen nötig und sinnvoll sind – und welche Wissenslücken Behörden und Forschung noch stopfen müssen.

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Letzte Änderung 10.05.2023

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