Unter welchen Umständen ist der Lärm von Sportanlagen für die Anwohnerschaft zumutbar und wann nicht? Antworten auf diese Fragen gibt die neu vorliegende revidierte BAFU-Vollzugshilfe. Sie bewertet die unterschiedlichen Lärmquellen rund um solche Standorte nach einheitlichen Kriterien. Dies gibt den Vollzugsbehörden einen gewissen Spielraum bei der Lärmbeurteilung.
Text: Stefan Hartmann
Sport reisst mit und begeistert. Vor allem seine Begleiterscheinungen verursachen aber auch Lärm, der andere stört. Oft befinden sich Sportanlagen und Stadien mitten in dicht besiedelten Wohnquartieren. Entsprechend können sich Anlässe – wie Fussballspiele, Meetings oder Konzerte – negativ auf das Wohlbefinden der Wohnbevölkerung in der Umgebung auswirken. Zum unangenehmen Drumherum gehört auch der Verkehrslärm des anreisenden Publikums.
Lärm ist eine vielschichtige Erscheinung, wie etwa das Beispiel des Stadions Letzigrund in Zürich-Altstetten zeigt. Dieses gehört der Stadt Zürich, wird vom Sportamt betrieben und bietet Platz für mehrere Zehntausend Zuschauer. 2016 haben hier gegen 40 Fussballspiele stattgefunden, unter anderem auch der Cupfinal und das Länderspiel Schweiz – Bosnien. Nicht selten randalieren die Fans vor und nach den Spielen. Zudem dient das Stadion Letzigrund als Austragungsort für das Leichtathletik-Meeting sowie für Open-Air-Konzerte mit Zehntausenden von Besuchern. Bei solchen Events tragen leistungsstarke Lautsprecher die Schallwellen weit ins Quartier hinaus. Schon Tage im Voraus werfen die Grossanlässe ihre Schatten, etwa wenn von morgens früh bis abends spät lärmige Arbeiten für den Bühnenaufbau im Gang sind.
Der Umgang mit Lärmklagen
So kommt es denn auch immer wieder zu Lärmklagen. Ende 2016 verlangte ein Anwohner vom Zürcher Stadtrat Massnahmen gegen die aus seiner Sicht unzumutbare Belastung. Der Direktor des Sportamtes räumte ein, dass 2016 mit insgesamt mehr als 660 000 Eintritten und 5 Open Airs ein Ausnahmejahr gewesen sei. In Durchschnittsjahren verzeichnet das Stadion rund 500 000Eintritte. Andererseits sei der Besuch von Open-Air-Konzerten bei der Bevölkerung sehr beliebt, und die Stadt könne nicht auf die Einnahmen aus den Anlässen verzichten. Gemessen an der Anwohnerzahl erachtet das Zürcher Sportamt das Ausmass der Lärmklagen zudem als gering.
Weil immer dichter gebaut wird, ist der Sportlärm im Siedlungsgebiet in den vergangenen Jahren zusehends zu einem Problem geworden. In der Lärmschutzverordnung des Bundes von 1986 sind für Immissionen von Sportanlagen keine besonderen Belastungsgrenzwerte festgelegt. «Der Lärm ist im Einzelfall direkt gestützt auf das Umweltschutzgesetz zu beurteilen», erklärt Nina Mahler von der BAFU-Abteilung Lärm und NIS. In solchen Fällen werden bei der Beurteilung einer Belästigung der Charakter des Lärms, der Zeitpunkt, die Häufigkeit seines Auftretens und die Vorbelastung eines Gebiets berücksichtigt.
Tragbare Lösungen finden
2013 gab das BAFU erstmals die Vollzugshilfe «Lärm von Sportanlagen» heraus. Sie zeigt auf, wie sich die deutsche Sportanlagen-Lärmschutzverordnung (18. BImSchV) bei der Beurteilung von Lärmklagen in der Schweiz beiziehen lässt. Vorgängig hatte das Schweizer Bundesgericht einen entsprechenden Konflikt um einen Sportplatz in Würenlos (AG) ebenfalls auf Grundlage der deutschen Verordnung beurteilt. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass gerade bei der Lärmermittlung Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz bestehen, was zum Teil zu Unklarheiten führte. Zudem ist die Beurteilung bei kleinen Plätzen mit freier Benutzung relativ anspruchsvoll und streng.
In den Jahren 2015 bis 2017 hat deshalb eine breit abgestützte Gruppe von Fachleuten die Vollzugshilfe Sportlärm unter der Leitung des BAFU überarbeitet. Vertreten waren die Sportämter der Städte Bern und Zürich, Lärmschutzfachstellen der Kantone Graubünden und Aargau sowie der Stadt Zürich, die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Sportämter (ASSA), der Schweizerische Fussballverband, das Bundesamt für Sport sowie Planungsexperten. Im Rahmen einer Konsultation konnten zudem die Kantone und die ASSA Stellung zur revidierten Fassung nehmen. Die Beurteilungsmethode der angepassten Vollzugshilfe hängt nun nicht mehr von der deutschen Verordnung ab. «Es ist nach wie vor nicht möglich, eine perfekte Lösung zur Reduktion des Lärms von Sportanlagen zu finden», betont Nina Mahler. «Im Einzelfall geht es jedoch darum, einen Ausgleich zwischen dem Interesse am Sportbetrieb mit seinen Immissionen und dem Ruhebedürfnis der Anwohnenden zu finden.» Vor allem den Gemeinden und Kantonen – aber indirekt auch der Anwohnerschaft – dient die Vollzugshilfe damit als nützliches Arbeitsinstrument.
Die Lärmquellen auftrennen
Häufig verursacht nicht der eigentliche Sportbetrieb den Lärm, sondern beispielsweise das angegliederte Clubhaus oder der Parkplatz neben einer Sportanlage. Gemäss der neuen Vollzugshilfe werden der eigentliche Sportlärm, der Parkierungslärm sowie der Lärm aus einem Clubhaus oder von Konzerten deshalb separat ermittelt und beurteilt. Am Schluss findet anhand von Richtwerten eine Beurteilung der einzelnen Lärmquellen der Sportanlage statt. Im Gegensatz zu starren Grenzwerten erlauben die Richtwerte der Vollzugsbehörde einen gewissen Ermessensspielraum, um auch lokale Gegebenheiten berücksichtigen zu können. Ein Massnahmenkatalog zeigt konkrete Lösungen auf, damit die Lärmemissionen so gering wie möglich ausfallen. «Letztlich geht es darum, für alle Parteien vertretbare Lösungen zu finden», sagt Nina Mahler. Das Hauptziel besteht also darin, für beide Seiten mehr Rechtssicherheit zu schaffen und ein einvernehmlicheres Miteinander von Sporttreibenden und Anwohnerschaft zu ermöglichen.
Ermittlung und Beurteilung von Sportlärm
Vollzugshilfe zur Beurteilung von Sportanlagen. 2017
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 28.08.2017