Eine Flut, die Rekorde brach

«Vom Regen in die Traufe»: Mit dieser Überschrift ihrer Wetterprognose vom Montag, 22. August 2005, stapelte die Neue Zürcher Zeitung reichlich tief. Denn die Niederschläge brachen alle Rekorde: Vielerorts ging mit über 100 Litern pro Quadratmeter innert 24 Stunden ein Grossteil der Regenmenge nieder, die sonst über den ganzen Monat August fällt. Zudem war der Boden durch eine vorangegangene Schlechtwetterperiode bereits gesättigt und vermochte deshalb kaum noch Wasser aufzunehmen.

10 Jahre Hochwasser Schäden
10 Jahre Hochwasser Brienz
Ablagerungen in Brienz nach dem Murgangereignis im Glyssibach BE.
© Schweizer Luftwaffe

Die Folgen des lang anhaltenden Wolkenbruchs waren verheerend. Schwer traf es das Berner Oberland: Ganze Talböden wurden überflutet, und die aus ihrem Bett tretenden Flüsse richteten in zahlreichen Gemeinden grosse Schäden an. In Brienz verloren zwei Menschen durch einen Murgang in den Trümmern ihres Hauses das Leben. Die Pegel von Brienzer- und Thunersee stiegen massiv über die Schadensgrenze, und weiter unten am Flusslauf der Aare geriet Bern in Not.

10 Jahre Hochwasser Matte
Überflutung des Berner Mattequartiers durch die Aare
© Schweizer Luftwaffe

Bei den Schleusen des Schwellenmätteli verkeilte sich Schwemmholz, das den Fluss staute und das Matte-Quartier unter Wasser setzte.

Tagessschau vom 23.08.2005

10 Jahre Hochwasser Hydro
Ausschnitt für das Ortsgebiet Sarnen aus der Schadenskarte des Kantons Obwalden für das Hochwasser 2005 an der Sarner Aa.

Dramatisch entwickelte sich die Situation auch in der Innerschweiz. So mussten in Littau, Wolhusen und Emmen (LU) 1'500 Personen kurzfristig in Notunterkünfte gebracht werden. Im Entlebuch kamen zwei Feuerwehrleute bei einem Rettungseinsatz ums Leben, als ein vom Regen aufgeweichter Steilhang abrutschte und sie unter sich begrub. Grosse Probleme gab es auch in Obwalden, wo der Sarnersee innerhalb eines Tages um weit über zwei Meter anstieg und den Dorfplatz von Sarnen überflutete.

10 Jahre Hochwasser Engelberg
Verminderung der Abflusskapazität durch Geschiebeablagerungen und dadurch verursachte Überflutungen an der Engelberger Aa bei Grafenort NW
© Schweizer Luftwaffe

Die Engelberger Aa überschwemmte die Kantonsstrasse und unterspülte die Zuglinie, sodass Engelberg nur noch über die Luft zu erreichen war. Die Ostschweiz blieb von den Überschwemmungen ebenfalls nicht verschont. Am meisten wurden das Unterengadin und das Prättigau (GR) in Mitleidenschaft gezogen. Die Landquart setzte einen Teil von Klosters unter Wasser und riss bei Küblis eine alte Frau in die Fluten. Ein sechstes Todesopfer hatte der sonst vergleichsweise weniger betroffene Kanton Zürich zu beklagen, wo in Dürnten ein Mann vom Dorfbach erfasst wurde. Selbst dort, wo sich die unmittelbaren Zerstörungen in Grenzen hielten, beeinträchtigten unterbrochene Strassen und Zugverbindungen den Alltag. So blieben etwa die Lötschbergstrecke der BLS sowie die Gotthardachse der SBB mehrere Tage gesperrt, und auch etliche Strecken des Nationalstrassennetzes waren tagelang unpassierbar.

Grössere Schäden wegen fehlender Information

Das damalige Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG), seit 2006 Teil des Bundesamts für Umwelt BAFU, ermittelte in der nachfolgenden Schadensanalyse, dass rund ein Drittel aller Schweizer Gemeinden von den Überschwemmungen heimgesucht worden war und sich die Schäden auf 3 Milliarden Franken beliefen. Auf die fünf am stärksten betroffenen Kantone Bern, Luzern, Uri, Obwalden und Nidwalden entfielen 75 Prozent der Gesamtschäden. Den Löwenanteil der Kosten hatten dabei Private zu stemmen: Gewerbetreibende und Unternehmer, deren Arbeitsräume und Produktionsanlagen das Wasser zerstört hatte und Hausbesitzer, deren Keller und Wohnungen geflutet worden waren. Der Anteil der Schäden an Infrastrukturen der öffentlichen Hand machte demgegenüber bloss einen Viertel der gesamten Schadenssumme aus.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) wiederum untersuchte, wie die Katastrophenstäbe und die Bevölkerung gewarnt und alarmiert worden waren. Aus dem ersten Bericht des Projektes OWARNA (Optimierung von Warnung und Alarmierung) ging hervor, dass zwar die Warnkette vom Bund bis zu den kantonalen Empfängern technisch funktioniert hatte. Weil aber entscheidende Vorhersagesysteme fehlten, wurden relevante Informationen lückenhaft oder zu spät an Kantone, Regionen und Gemeinden weitergeleitet. Die Einsatzkräfte verfügten deshalb oft nicht rechtzeitig über die erforderlichen Angaben und waren zudem teilweise ausserstande, diese richtig zu interpretieren. Kurz gesagt: Was Bund und Kantone wussten, drang nicht bis zu den Betroffenen vor Ort.

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Letzte Änderung 14.08.2015

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