Mehr Wissen, um richtig zu handeln

Der Bundesrat genehmigte im Mai 2010 einen OWARNA-Folgebericht, der die bereits im ersten OWARNA-Bericht enthaltenen Massnahmenvorschläge ergänzte und den erforderlichen Handlungsbedarf aufzeigte.

10 Jahre Hochwasser Naturgefahrenportals
Screenshot des Naturgefahrenportals. Hier mit dem Reiter Hochwassergefahr.

Zunächst einmal wurden das BAFU und der Schweizerische Erdbebendienst (SED) dazu angehalten, einen 7x24-Stundenbetrieb für die Ereignisvorhersage sicherzustellen. Technische Vorkehrungen und mehr Personal gewährleisten seither, dass wichtige Geschäftsprozesse auch unter Krisenbedingungen weiterlaufen. Eine herausragende Bedeutung wurde dem Ausbau und der Verbesserung der Vorhersagesysteme zugewiesen.

10 Jahre Hochwasser GIN Vorhersage
Screenshot der «Gemeinsamen Informationsplattform Naturgefahren» (GIN). Hier beispielsweise Vorhersagen zu Ablüssen.

Das BAFU, MeteoSchweiz und die WSL erhielten die erforderlichen Mittel, um ihre Wetter- und Abflussprognosen weiter zu verfeinern und einen nationalen hydrologischen Vorhersagedienst aufzubauen. Weil eine Gesamtschau aller Angaben unabdingbar ist, um die Lage zutreffend einzuschätzen und rechtzeitig die richtigen Massnahmen einzuleiten, errichteten die betroffenen Bundesbehörden und Fachstellen die «Gemeinsame Informationsplattform Naturgefahren» (GIN). Sie bündelt alle Messdaten und Informationen, die für die Fachleute und Katastrophenstäbe der Kantone und Gemeinden relevant sind. Um die Zusammenarbeit der Bundesfachstellen im Krisenfall zu verbessern, wurde ein Fachstab Naturgefahren eingerichtet. Des Weiteren wurde das Bundesamt für Bevölkerungsschutz damit betraut, ein nationales Melde- und Lagezentrum aufzubauen. Damit schliesslich die Warnungen und Informationen auch diejenigen erreichen, die vor Ort in ihrer Sicherheit gefährdet sein könnten, wurde ausserdem das für alle im Internet zugängliche Naturgefahrenportal aufgeschaltet. Einprägsame Darstellungen geben hier Aufschluss darüber, in welchen Regionen welche Risiken zum aktuellen Zeitpunkt besonders gross sind und empfehlen die richtigen Verhaltensweisen. Das Naturgefahrenportal kann auch mobil abgefragt werden. Und weil bewährte Routinen im Ernstfall davor bewahren, in der Hektik des Augenblicks das Falsche zu tun, wurden Konzepte für die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachstellen erarbeitet, die in regelmässigen Übungen getestet und verbessert werden.

Dem Austausch von Wissen und Informationen kommt auch zugute, dass seit 2006 auf Bundesebene alle Naturgefahrenspezialisten unter einem Dach vereint sind, deren Know-how für die Prävention und Bewältigung von Naturgefahren gefragt ist. Bereits vor 2005 wurde die Zusammenlegung der Bundesämter für Wasser und Geologie (BWG) und für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) zum übergreifenden Bundesamt für Umwelt (BAFU) eingeleitet.

Alle sind gefordert

Die Umsetzung der Hochwasserschutzmassnahmen liegt in der Verantwortung der Kantone. Der Bund setzt allgemeine Prinzipien fest; ausserdem unterstützt er die Kantone bei der Realisierung ihrer Projekte und beteiligt sich auch finanziell daran. Nach den Überschwemmungen von 2005 verfügte er allerdings bloss etwa über ein Drittel der Gelder, die erforderlich gewesen wären, um allen Wünschen der Kantone zu entsprechen. Mit Standesinitiativen erreichten diese, dass das Parlament die Dringlichkeit ihrer Anliegen erkannte und 2007 mehr Mittel für Hochwasserschutzprojekte bereitstellte. So gesehen trug das katastrophale Ereignis immerhin dazu bei, den Bau zahlreicher Schutzbauten zu beschleunigen.

10 Jahre Hochwasser Naturgefahrenberater
Naturgefahrenberaterausbildung in Meiringen
© Foto: B. Gerber

Die Kantone sind gehalten, flächendeckend für alle Gemeinden sogenannte Gefahrenkarten zu erstellen. Diese bezeichnen die Gebiete, die von Hochwasser oder gravitativen Risiken wie Rutschungen, Felsstürzen oder auch Lawinen besonders gefährdet sind; die Gefahrenkarten für Hochwasser decken mittlerweile 96 Prozent der Schweiz ab. Eine grosse Verantwortung tragen auch die Gemeinden. Indem sie nämlich bei allen raumwirksamen Tätigkeiten die Gefahrenkarte berücksichtigen, mindern sie bestehende und vermeiden künftige Risiken. Der Bund unterstützt überdies die Kantone bei der Schulung der lokalen Naturgefahrenberaterinnen und -berater. Diese stehen mit ihrem Fachwissen den Katastrophenstäben vor Ort zur Seite, damit im Ernstfall die richtigen Massnahmen getroffen werden.

Im Umgang mit Naturgefahren sind freilich nicht nur die Behörden gefordert. Insbesondere die Versicherungen haben grosses Interesse daran, dass Schäden möglichst gering ausfallen. Das BAFU klärte daher mit den Schweizer Versicherungen die Aufgabeteilung zwischen den Versicherungen und der öffentlichen Hand. Dieses Projekt regte nicht zuletzt die Versicherer an, sich an gemeinsamen Projekten zu beteiligen, die helfen, mit den Naturgefahren risikogerecht umzugehen. Erkannt wurde auch die Notwendigkeit einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung der Baufachleute. Das naturgefahrengerechte Bauen ist heute eine grosse Herausforderung und auch bei den Normenvereinigungen (SIA, VSS) ein Thema, das weiterverfolgt wird.

Es bleibt noch einiges zu tun

10 Jahre Hochwasser Bauwerk in Linth
Bauwerk am Linthkanal
© Foto: U. Nigg 2014, Ereignisanalyse Hochwasser 2005

In den vergangenen zehn Jahren wurde viel erreicht. Und einiges ist noch in Arbeit. So ist das BAFU daran, die Grundlagen für die Abschätzung der Gefahren zu vervollständigen; insbesondere sollen etwa Erhebungen zum Oberflächenabfluss und zum Grundwasseraufstoss die hydrologischen Abflussprognosen ergänzen. Denn viel Schaden wird «von unten» verursacht, von Wasser, das durch die Kanalisation in die Häuser dringt. Auch ein ständiges Monitoring der Naturgefahrensituation ist in Arbeit, insbesondere, weil wegen der Klimaveränderung öfter heftige Niederschläge zu erwarten sind und auch die verstärkte Gletscherschmelze zu Hochwassersituationen (Gletscherseeausbrüche) führen könnte.

10 Jahre Hochwasser Luzern
Zigarrengeschäft in Luzern schützt den Eingang mit kleiner Mauer und Sandsäcken

Bei der Realisierung von Hochwasserbauten sollte ausserdem konsequent darauf geachtet werden, dass sich diese auch im Überlastfall bewähren, wenn also mehr Wasser abfliesst, als die Kapazität der Bauwerke bewältigen kann. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Natur stets für Überraschungen gut ist – und dass der Klimawandel die Intensität der Ereignisse eher verstärken dürfte.

Entscheidend wird schliesslich auch sein, die Bevölkerung auf ein Leben mit Naturgefahren vorzubereiten und in ihrer Eigenverantwortung noch mehr zu stärken. Denn letztlich lässt sich die Sorge um die eigene Sicherheit und Existenz nicht delegieren.

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Letzte Änderung 14.08.2015

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