Bundesbaustellen: Umweltkontrollen mit Augenmass

Umweltrecht auf Baustellen durchzusetzen, kann schwierig sein. Auch wenn Bundesbehörden die Baubewilligung erteilten, wurden die Bestimmungen in der Vergangenheit nicht immer eingehalten. Ein neues System soll das ändern.

Text: Peter Bader

Umweltkontrollen
Blick über die Baustelle für die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT)
im Jahr 2013 in Erstfeld Richtung Bristen (UR)
© Flurin Bertschinger | Ex-Press

«Die neue Regelung ist vielversprechend. Sie sorgt für einheitliche und schnellere Verfahren», sagt Alexander Imhof. Der Vorsteher des Amtes für Umweltschutz des Kantons Uri muss es wissen. Denn im Kanton Uri gab und gibt es diverse grosse Bauprojekte, bei denen der Umweltschutz sehr genau im Auge behalten werden muss. Dazu gehörten die Baustellen des Gotthard-Basistunnels oder derzeit die der Strassensanierung in der Schöllenenschlucht zwischen Göschenen und Andermatt, aber auch diejenigen für die neuen Ski-Infrastrukturen in Andermatt. Diesen Baustellen ist eines gemeinsam: Der Bund erteilt die Baubewilligungen, in den erwähnten Fällen vertreten durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) und das Bundesamt für Strassen (ASTRA). Aber nicht alle Bundesbaustellen sind so spektakulär. So ist das BAV etwa auch Bewilligungsbehörde für die Sanierung von Bahnübergängen oder das Bundesamt für Energie (BFE) für die Montage neuer Hochspannungsleitungen.

4000 Baustellen pro Jahr

Jährlich bewilligen Bundesbehörden rund 4000 solcher Bauprojekte; die meisten davon entfallen auf das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Dadurch sind die Ämter des UVEK beziehungsweise dessen Generalsekretariat auch verantwortlich für den Vollzug der Umweltgesetzgebung auf diesen Baustellen. Doch weil es an Ressourcen und klar strukturierten Vorgaben fehlte, konnten in den letzten Jahren nur wenige Kontrollen durchgeführt werden. Überprüft wird vor allem der Schutz von Gewässern, Grundwasser, Boden und Luft, aber auch die Einhaltung der Lärmvorschriften.

Nun soll sich an der unbefriedigenden Kontrollpraxis etwas ändern: Mit einer Absichtserklärung haben sich das UVEK und die Kantone, vertreten durch die Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK), auf ein standardisiertes Kontrollverfahren geeinigt. Davon verspricht sich nicht nur Alexander Imhof aus dem Kanton Uri einiges. Auch für die BPUK-Generalsekretärin Christa Hostettler ist der neue Standardprozess eine gute und praxisorientierte Grundlage, weil bei dessen Erarbeitung «die Bedürfnisse von Fachleuten vor Ort auf den Baustellen» berücksichtigt worden seien.

Um zu verstehen, warum es in der Vergangenheit mit den Umweltkontrollen auf UVEK-Bundesbaustellen harzte, lohnt sich ein Blick zurück. Bereits 2009 schlossen Bund und Kantone eine Vereinbarung ab, wonach Letztere die Umweltkontrollen auf Bundesbaustellen übernehmen sollen. Das ist auch durchaus sinnvoll, da die Bundesbehörden zum einen in vielen Fällen nicht genügend Personal haben, um diese Aufgabe zu übernehmen. Zum anderen sind für die Kantonsbehörden vor Ort die Wege kurz. So weit die Theorie. «In der Praxis aber», sagt Christoph Wenger von der Abteilung Recht des BAFU, «hat sich diese Absichtserklärung nicht bewährt.» Im Schnitt seien jährlich nur rund fünf Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zustande gekommen; und dies erst noch unter unterschiedlichen Bedingungen, insbesondere was die finanzielle Abgeltung der Kantone durch den Bund betrifft. Und die Verhandlungen hätten viel zu lange gedauert, ergänzt Alexander Imhof. «Hatte man sich endlich geeinigt, waren die ersten Umweltschäden zum Beispiel an den Böden schon angerichtet.»

«Pragmatisch und einheitlich»

Es musste sich also etwas ändern. Deshalb gab das BAFU 2015 eine Studie in Auftrag, welche die Situation analysieren und daraus Lösungsansätze ableiten sollte. Die Ingenieurgemeinschaft polyexploit/csd/ecoptima hielt im Schlussbericht dieser Studie fest, dass «die heutige Praxis in der Schweiz trotz gewisser Mängel bereits einen guten Standard» aufweise. Gleichwohl kontrollierten die zuständigen Bundesbehörden die Einhaltung des Umweltrechts und der umweltrechtlichen Auflagen bei Bundesbaustellen «nicht im notwendigen Umfang». Deshalb schlugen die Autoren einen neuen Standardprozess vor. Dieser vereinheitlicht und verkürzt die Verhandlungen zwischen Kantonen und Bundesbehörden mit einer Mustervereinbarung. Übernehmen die Kantone die Umweltkontrollen, werden sie vom Bund auch alle gleich entschädigt.

Die Kontrollen sollen pragmatisch und dem Risiko für die Umwelt entsprechend erfolgen. «So viel wie nötig, so einfach wie möglich», bemerkt der BAFU-Vollzugsspezialist Christoph Wenger. Denn von den jährlich rund 4000 Bundesbaustellen ist die Umwelt nur bei etwa 750 gefährdet. Kommt dazu: Bei 80 Prozent dieser Fälle ist zudem die Umweltrelevanz gering, da es sich um Kleinbaustellen handelt. Neu sieht der Standardprozess auf solchen Bauplätzen lediglich Stichproben zur Kontrolle vor. Bei weiteren 18 Prozent der Baustellen ist die Umweltgefährdung mittel. Hoch ist sie bei gerade mal zwei Prozent. Zu dieser Gefährdungsgruppe zählen auch die Bauten, welche die Umwelt derart gefährden, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Pflicht ist.

Die neue Regelung sieht nun ein differenziertes Vorgehen vor: Bei mittlerer Gefährdung soll die Häufigkeit der Kontrollen dem Risiko angepasst werden. Ist die Gefährdung hoch, muss die Überprüfung in jedem Fall umfassend sein.

In beiden Fällen wird die Kontrollaufgabe jeweils vom zuständigen Bundesamt an den betroffenen Kanton delegiert. Kann der Kanton diese Aufgabe nicht übernehmen, muss das Bundesamt die Kontrollen selbst durchführen. Die Stichproben bei Projekten mit geringer Umweltgefährdung werden in der Regel von den Bundesämtern selbst durchgeführt; sie können diese Aufgabe jedoch auch an ein privates Expertenbüro delegieren. Der neue Standardprozess sieht ebenfalls vor, dass die Abschätzung des Kontrollaufwands und der entsprechenden Kosten frühzeitig erfolgt und bereits vorhandene Instrumente – wie etwa Umweltbaubegleitungen – berücksichtigt werden. Beendet ist der Kontrollprozess erst, wenn auch die nachgelagerten Arbeiten wie zum Beispiel die sogenannte Erstpflege von Revitalisierungen erfolgreich abgeschlossen sind.

Kosten begrenzen

Mit der neuen Vereinbarung will das UVEK nicht zuletzt auch die Kosten für die Umweltkontrollen auf ein vernünftiges Mass begrenzen: Sie sollen jährlich nicht mehr als drei bis vier Millionen Franken betragen. Das ist weniger als ein halbes Promille der zehn Milliarden Franken, die im Schnitt jedes Jahr auf UVEK-Bundesbaustellen ausgegeben werden.

Im Oktober 2017 setzten Umweltministerin Doris Leuthard und BPUK-Präsidentin Jacqueline de Quattro ihre Unterschriften unter die Absichtserklärung. Die Baudirektorin aus dem Kanton Waadt ist zufrieden mit der Lösung, weil sie die Zusammenarbeit «einfacher und effizienter» mache.

Ob die Absichtserklärung auch vor Ort auf den Baustellen Früchte trägt, wird sich weisen. Das BAFU wertet die Erkenntnisse aus den Kontrollen auf Bundesbaustellen mit mittlerer und hoher Umweltrelevanz regelmässig aus und schlägt gegebenenfalls Änderungen beim Standardprozess vor.

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Letzte Änderung 05.09.2018

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