Revidierte Lärmschutz-Verordnung - Mehr Geld für weniger Lärm

01.06.22 - Der Schutz der Bevölkerung vor Strassenlärm ist eine Daueraufgabe. Dabei will der Bund die Kantone und Gemeinden weiterhin unterstützen. Die höchsten Beiträge entrichtet er für Massnahmen an der Quelle wie lärmarme Strassenbeläge und Temporeduktionen. Sie haben sich als besonders effizient erwiesen.

Text: Mike Sommer

Als erste Stadt der Schweiz führte Lausanne 2021 flächendeckend Tempo 30 zwischen 22 und 06 Uhr ein.
© sda-ky

Seit 1987 sind Bund, Kantone und Gemeinden zur Lärmsanierung ihrer Strassen verpflichtet. Im Nachhinein mutet die damals vereinbarte Frist ein wenig naiv an: Man ging nämlich davon aus, dass sich die erforderlichen Massnahmen innerhalb von 15 Jahren realisieren liessen. Entsprechend wurde die Sanierungsfrist auf 2002 festgesetzt. Doch auch nach einer Fristverlängerung bis 2015 für die Nationalstrassen – respektive 2018 für Hauptstrassen und übrige Strassen – ist das Fazit ernüchternd. Noch immer leiden gut 1 Million Menschen an ihrem Wohnort unter schädlichen oder lästigen Lärmimmissionen. Und dies, obschon die öffentliche Hand bereits Milliarden in Lärmschutzmassnahmen investiert hat.

Einige Zahlen verdeutlichen das Problem: Zwischen 1980 und 2020 wuchs der Motorfahrzeugbestand in der Schweiz um rund 2,7 auf über 6,2 Millionen Einheiten. Gleichzeitig nahm die ständige Wohnbevölkerung um 2,3 Millionen Personen zu. Immer mehr Menschen wohnen vor allem in den Ballungsräumen, wo sie dem Lärm des zunehmenden Strassenverkehrs am stärksten ausgesetzt sind.

Erhöhtes Problembewusstsein

Verglichen mit anderen Umweltsorgen – wie etwa der Luftverschmutzung –, fristete die Lärmproblematik in der öffentlichen Wahrnehmung lange ein Schattendasein. «Aufgrund von neuen Erkenntnissen ist das Bewusstsein über die Schädlichkeit von Lärm in den letzten Jahren aber gewachsen», sagt Sophie Hoehn, Sektionschefin Strassenlärm beim BAFU. 2018 schätzte das Bundesamt für Raumentwicklung die volkswirtschaftlichen Kosten des Strassenlärms auf 2,2 Milliarden Franken pro Jahr – Tendenz steigend.

Lärm vermindert nicht nur den Wert von Immobilien an exponierten Orten, sondern beeinträchtigt auch die Gesundheit der betroffenen Menschen. Wie Berechnungen der vom BAFU mitfinanzierten SiRENE-Studie zeigen, verursacht Lärm in der Schweiz jährlich rund 500 vorzeitige Todesfälle und 2500 Diabeteserkrankungen. Sanierungsmassnahmen mögen teuer sein, doch angesichts solcher Zahlen handelt es sich zweifellos um eine lohnende Investition.

In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Lärmsanierung der Strassen nicht mit einmaligen Massnahmen bewältigt werden kann, sondern eine Daueraufgabe ist. Der Bund leistet finanzielle Unterstützung an die Lärmsanierungsmassnahmen – bei den Hauptstrassen im Rahmen der Globalbeiträge gemäss Bundesgesetz über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer. Massnahmen auf den übrigen Strassen werden seit 2008 im Zuge von Programmvereinbarungen mitfinanziert – im Durchschnitt mit rund 20 Prozent der Kosten.

Allerdings war diese Unterstützung ursprünglich bis 2018 befristet. Aufgrund einer im Parlament überwiesenen Motion wurde die Frist zwar um vier Jahre verlängert. Für die Zeit ab 2023 fehlte aber eine Rechtsgrundlage, um Kantone und Gemeinden weiterhin bei Lärmsanierungen unterstützen zu können.

Weitere Bundesgelder gesichert

In dieser Situation drohte die in den vergangenen Jahren entstandene Dynamik wieder abzuebben, sagt Sophie Hoehn. Und: «Die Programmvereinbarungen haben sich sehr bewährt. Seit Einführung dieses Steuerungsinstruments haben die Investitionen der Kantone in den Lärmschutz markant zugenommen. Zudem wurde die Wirksamkeit der umgesetzten Massnahmen gesteigert. Es war deshalb wichtig, den eingeschlagenen Weg fortzuführen.»

Genau dies geschieht nun mit einer vom Bundesrat im Mai 2021 beschlossenen Revision der Lärmschutz-Verordnung (LSV). Auf den 1. Juli 2021 sind bereits Bestimmungen in Kraft getreten, die es dem Bund ermöglichen, Kantone und Gemeinden bei der Lärmsanierung dauerhaft zu unterstützen. Damit setzte der Bundesrat eine 2019 vom damaligen jurassischen SP-Ständerat Claude Hêche eingereichte und vom Parlament überwiesene Motion um. Sie hatte verlangt, Kantone und Gemeinden seien auch in Zukunft im bisherigen Umfang und mittels Programmvereinbarungen zu unterstützen. Der Bundesrat selbst hatte sich bereits in seinem «Nationalen Massnahmenplan zur Verringerung der Lärmbelastung» von 2017 offen dafür gezeigt, eine Weiterführung der Programmvereinbarungen zu prüfen.

Effizienz wird belohnt

Mit der Revision der LSV steht nun fest, wie der Bund den Schutz der Bevölkerung vor Lärm voranbringen will. Grundsätzlich wird das Prinzip der Finanzierung über die Programmvereinbarungen bei den übrigen Strassen beibehalten. Die entsprechenden Beiträge sollen in Zukunft aber vermehrt nach Kriterien erfolgen, die gemäss den bisherigen Erfahrungen zu den besten Ergebnissen führen. Ihre Höhe richtet sich deshalb ab der Periode 2025 bis 2028 nur noch nach der Wirksamkeit der Lärmschutzmassnahmen.

In den Programmvereinbarungen halten der Bund und die Subventionsempfänger künftig die Anzahl der zu schützenden Personen und die maximale Höhe der Subventionen bei Erreichen dieses Ziels fest. Massgebend wird sein, bei wie vielen Personen die Massnahmen die Lärmbelastung wahrnehmbar reduziert haben (Personen mit Nutzen) und bei wie vielen die Immissionsgrenzwerte dank der Massnahmen eingehalten werden (geschützte Personen).

«Wir müssen die für die Erfolgskontrolle der Schutzmassnahmen anzuwendenden Kriterien noch genauer definieren», sagt Sophie Hoehn. «Das machen wir gemeinsam mit den Kantonen. Das Ergebnis fliesst dann ins Handbuch zur Programmvereinbarung ein.»

Lärmarme Beläge, Tempo 30

Lärmschutz erfolgte lange vor allem mit baulichen Massnahmen. So versuchte man etwa, die Ausbreitung des Schalls mittels Erddämmen oder Schutzwänden zu begrenzen. Als letztes Mittel blieb immer der Einbau von Schallschutzfenstern.

Gerade in städtischem Gebiet hat sich eine andere Strategie jedoch als kostengünstiger und wirkungsvoller erwiesen. So sorgen Massnahmen an der Quelle dafür, dass Lärm in unerwünschtem Mass gar nicht erst entsteht. Besonders effizient sind lärmarme Beläge. Sie werden ständig verbessert und können im Neuzustand die Abrollgeräusche eines Fahrzeugs um bis zu 8 Dezibel reduzieren. Mit der Zeit lässt die Wirkung zwar etwas nach, aber auch eine Reduktion um 3 Dezibel nach zehn Jahren hört sich noch wie eine Halbierung der Verkehrsmenge an.

Solche Beläge seien im Kommen, sagt Sophie Hoehn: «Bis vor wenigen Jahren wurden sie fast nur in der Westschweiz eingebaut. Doch nun setzen auch Kantone in der Deutschschweiz immer mehr auf lärmarme Beläge.»

Ebenfalls sehr wirksam und erst noch kostengünstig sind Tempobeschränkungen. Bereits ab 20 bis 25 Stundenkilometern dominieren die Abrollgeräusche den Motorenlärm eines Autos. Tempo 30 bewirkt gegenüber Tempo 50 eine Lärmreduktion um etwa 3 Dezibel. Immer mehr Städte liebäugeln deshalb mit einer grossflächigen Einführung von Tempo 30, um ihren Verpflichtungen beim Lärmschutz nachzukommen – sei es ganztags oder nur in den Nachtstunden. Mit Lausanne hat wiederum eine Westschweizer Stadt die Vorreiterrolle eingenommen.

Markante Effizienzsteigerung

Das BAFU hat in seinem Bericht «Sanierung Strassenlärm – Bilanz und Perspektiven (Stand 2018)» aufgezeigt, wie sehr es sich lohnt, Lärmschutz an der Quelle zu betreiben. Bis 2012 wurden durch Lärmschutzmassnahmen auf den übrigen Strassen im Rahmen von Programmvereinbarungen jährlich rund 5000 Personen geschützt – und dies bei durchschnittlichen Kosten von 9000 Franken pro geschützte Person. Dank des vermehrten Einsatzes von lärmarmen Belägen und Tempobeschränkungen sanken die Kosten bis 2018 auf 6000 Franken pro Kopf, und es profitierten jährlich bis zu 20 000 Personen davon.

«Massnahmen an der Quelle sind im dicht besiedelten Gebiet der richtige Weg, um mit den beschränkten Mitteln möglichst viele Menschen vor schädlichem Lärm zu schützen», betont Sophie Hoehn. «Deshalb werden wir solche Massnahmen in Zukunft mit den Programmvereinbarungen und den Bundesbeiträgen gezielt fördern.»

Der Bund will seine Beiträge an Lärmsanierungen zwar zeitlich nicht mehr beschränken, hingegen wird er sie allmählich reduzieren. Dies soll die Kantone und Gemeinden motivieren, mit ihren Projekten vorwärtszumachen. 2032 soll überprüft werden, wie sich das System der Programmvereinbarungen bewährt hat. Und ob sich das ursprüngliche Ziel damit erreichen lässt: die ganze Bevölkerung vor übermässigem Strassenlärm zu schützen.

Zwischenbilanz 2018 der Erstsanierung

Gemäss einer Erhebung des BAFU von 2018 werden die Gesamtkosten für die Lärmsanierung der Schweizer Strassen auf rund 6 Milliarden Franken geschätzt. Mehr als 4,3 Milliarden Franken waren damals bereits ausgegeben. Davon entfielen 3 Milliarden Franken auf Projekte für die Sanierung der Nationalstrassen, 216 Millionen Franken auf Hauptstrassen, und für die übrigen Strassen wurden 1,1 Milliarden Franken investiert. Etwa 1,7 Milliarden Franken waren von den zuständigen Behörden als Bedarf für den Abschluss der Erstsanierung gemeldet worden.

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Letzte Änderung 01.06.2022

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